Deshalb strebt er einem Insider zufolge als Teil eines wohl milliardenschweren Vergleichs eine Art Stillhalte-Abkommen mit den Anwälten an, die die US-Kläger vertreten: Die Kanzleien sollen auf Werbeanzeigen verzichten, um in Sachen Glyphosat auf Kundenfang zu gehen. Die Anwälte für eine solche Vereinbarung zu gewinnen, dürfte aber kein leichtes Unterfangen werden.

Im vergangenen Oktober hatte Bayer vor allem die Werbekampagnen der großen Anwaltskanzleien dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Zahl der Glyphosat-Kläger in den USA innerhalb von nur drei Monaten auf 42.700 mehr als verdoppelt hatte. "Die meisten Produkthaftungsklagen werden von Personen eingereicht, die im Internet gesucht oder einen Werbespot im Fernsehen gesehen haben", erläutert der Rechtswissenschaftler David Noll von der Rutgers Law School. Ein Werbeverzicht "könnte zu einer drastischen Reduzierung der Klagen führen, bis hin zu dem Punkt, an dem die Bayer-Bilanz davon nicht mehr belastet wird." Denn an eine Vergleichsvereinbarung wäre die große Mehrheit der mit Glyphosat-Fällen befassten Kanzleien gebunden.

ETHISCH FRAGWÜRDIG

Perry Weitz von Weitz & Luxenberg, eine der führenden Kanzleien in den Glyphosat-Verfahren, ist skeptisch: "Ein Unternehmen kann einen Anwalt nicht zur einer Vereinbarung auffordern, die seine künftige Tätigkeit einschränkt", erklärte er gegenüber Reuters. Bislang habe es noch keine "ernsthaften Gespräche" mit Bayer über den Umgang mit künftigen Fällen gegeben. Michael Miller von The Miller Firm, einer weiteren bedeutenden Kanzlei in den Vergleichsgesprächen, sagte nur, dass "es möglich ist, das Risiko künftiger Forderungen zu managen, wenn es richtig gemacht wird." Näher wollte er sich nicht äußern. Weitere wichtige Kanzleien in den Prozessen gaben auf Anfrage keine Stellungnahme ab. Auch Bayer äußerte sich nicht.

Nach Ansicht des Rechtsexperten Noll bewegt man sich mit einer solchen Vereinbarung an den Grenzen der Kartell- und Anwaltsvorschriften, da sie auf Kosten möglicher künftiger Kläger, die ihre Krebserkrankung auf Glyphosat zurückführen, getroffen wird. "Das ist wirklich am Rande dessen, was Sie als Anwalt ethisch einwandfrei tun können." Doch es gibt schon Beispiele: Im Rahmen des Vergleichs von 2013 im Streit um das Osteoporosemittel Fosamax des US-Konzerns Merck versicherten die Anwälte, keine weiteren Fälle geltend zu machen. Fosamax wurde vorgeworfen, Kieferknochen zu schädigen.

WARNHINWEIS KEINE OPTION

Normalerweise führen Vergleiche bei Klagen wegen Arzneien oder Verbrauchsgegenständen dazu, dass die Produkte mit einem Warnhinweis versehen oder ganz vom Markt genommen werden. Das verhindert weitere Klagen in der Zukunft und macht die Kosten und Risiken vorhersehbar. Doch beides ist für Bayer keine Option: Die glyphosathaltigen Roundup-Produkte, die sich das Unternehmen für Milliarden durch die Übernahme von Monsanto eingekauft hat, sollen auf dem Markt bleiben. Sie spielen eine zu wichtige Rolle in der Produktpalette. Und Warnhinweise vor möglichen Krebsgefahren hatte die US-Umweltbehörde EPA selbst verboten, da dies nach ihrer Einschätzung eine falsche Behauptung ist.

Das "Handelsblatt" hatte am Donnerstag berichtet, Bayer prüfe einen Vertriebstopp von Roundup für raeinen geringen Teil des Roundup-Umsatzes aus. Allerdings stellen Privatanwender den überwiegenden Teil der Kläger in den USA. Bayer wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

Zuletzt hatten sich die Anzeichen auf einen Vergleich verdichtet, der Bayer Schätzungen von Analysten zufolge zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar kosten könnte. Erst Ende vergangener Woche wurde erneut ein weiterer wichtiger Prozess verschoben, um Zeit für die Verhandlungen zu gewinnen. Star-Anwalt Ken Feinberg, der die Vergleichverhandlungen leitet, hatte Mitte Januar in einem Interview gesagt, er sei "vorsichtig optimistisch", dass eine umfassende Einigung binnen eines Monats erreicht werden könne. Bislang hat Bayer drei US-Prozesse in erster Instanz verloren und wurde zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verurteilt. Der Konzern hat Berufung eingelegt und rechnet damit, dass das erste Revisionsverfahren im März oder April beginnt. Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Zulassungsbehörden weltweit bewerteten das Herbizid bei sachgemäßer Anwendung als sicher.