BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts eines weltweiten Insektenschwundes haben der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Heinrich-Böll-Stiftung ein Exportverbot für in der EU verbotene Pestizide in andere Regionen der Welt gefordert. So sollen Mittel verboten werden, die aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen oder gravierenden ökologischen Wirkung nicht mehr zugelassen sind, hieß es am Mittwoch vom BUND und der den Grünen nahe stehenden Stiftung bei der Vorstellung des "Insektenatlas".

"In der EU längst verbotene oder nicht mehr lizenzierte Pestizide der großen Chemieunternehmen wie Bayer und BASF werden global weiterhin fast unbeschränkt gehandelt", sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Das führe dazu, dass zum Beispiel in Kenia fast 50 Prozent der ausgebrachten Pestizide hochgiftig für Bienen seien. Das gelte auch für andere Regionen der Erde: "Der globale Schwund von Insekten ist dramatisch. Ursache Nummer eins ist die industrielle Landwirtschaft", sagte Unmüßig. Demnach ist die Menge der weltweit eingesetzten Pestizide seit 1950 um das Fünfzigfache gestiegen.

In anderen Ländern herrschten teilweise andere gesellschaftliche, wirtschaftliche oder auch klimatische Bedingungen, und die rechtlichen Rahmenbedingungen sind daher mitunter anders, hieß es vom Chemiekonzern Bayer. "Wir verkaufen nur Mittel, wenn wir von deren Sicherheit überzeugt sind", sagte ein Unternehmenssprecher.

Zum Beispiel werde sich Bayer selbstverständlich an ein Verbot von sogenannten Neonikotinoiden in Europa halten. Da man im Unternehmen aber von der Sicherheit der Mittel überzeugt sei, werde man sie weiterhin dort verkaufen, wo es erlaubt sei. Allerdings verkaufe man Pflanzenschutzmittel nur in Entwicklungsländer, wenn sie von einer Mehrheit wichtiger Zulassungsbehörden erlaubt seien. Dazu gehörten für Bayer zum Beispiel die Behörden der EU, der USA oder Brasiliens.

Auch der Chemiekonzern BASF gibt an, Pflanzenschutzmittel in aufstrebenden Ländern nur zu verkaufen, wenn alle Wirkstoffe in mindestens einem OECD-Land zugelassen sind.

Das SPD-geführte Bundesumweltministerium sieht Deutschland beim Insektenschutz in einer globalen Vorreiterrolle. 2020 werde man wie im Vorjahr versprochen im Rahmen eines Aktionsprogramms 100 Millionen Euro zum Schutz der Tiere ausgeben. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, dass beim Insektenschutz weltweit systematisch vorgegangen werden müsse. "Die Abholzung ganzer Waldstriche ist das Gegenteil davon", so die Ministerin. In Deutschland müssten neben den Agrarflächen die Themen Lichtverschmutzung oder Flächenversiegelung genauso in den Blick genommen werden.

Experten sehen als Hauptverursacher des Insektenschwunds die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit einhergehende Umgestaltung der Naturlandschaften. Zudem mache der Einsatz von Pestiziden vielen Arten zu schaffen. Insektengifte aus der Gruppe der Neonikotinoide gelten etwa als schädigend für Bienen.

Der Verlust der Insekten wirkt sich auf die Ökosysteme insgesamt aus, denn Insekten stellen für viele andere Tiere eine wichtige Nahrungsgrundlage dar. Die Tiere spielen zudem eine herausragende Rolle als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen. Sie sind in dieser Funktion unverzichtbar für die Landwirtschaft.

So erkennt auch der Deutsche Bauernverband an, dass es beim Insektenschutz Handlungsbedarf gibt, weist aber darauf hin, dass Kulturpflanzen vor Schädlingen geschützt werden müssten. Man habe geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel Blühstreifen entwickelt, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied. Aber: "Mit Naturschutz müssen Betriebe auch Einkommen erwirtschaften können."/sax/DP/stw