Berlin (Reuters) - Regenfälle haben die Lage am seit Tagen von extrem niedrigen Pegelständen beeinträchtigten Rhein vorübergehend etwas entspannt.

"Es gab ein paar Niederschläge im Rhein-Einzugsgebiet, vor allem im Süden - also Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz", sagte ein Experte des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Rhein am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Das hat für leichte Entspannung gesorgt."

Die Lage für den Güterverkehr auf der wichtigsten deutschen Wasserstraße bleibt aber angespannt. "Es gibt Schiffe, die bei diesem Pegel nicht mehr fahren können in Richtung Süden", sagte der Vorstand der Schifffahrtsgenossenschaft DTG, Roberto Spranzi. "Auch leere Schiffe können dies teilweise nicht mehr." Das habe technisch-physikalische Gründe: Da sich der Antrieb hinten befinde, müsse der vordere Bereich beladen werden, damit das Schiff gerade im Wasser liegen könne. "Wir fahren weiter, allerdings nur mit 30 bis maximal 40 Prozent der möglichen Kapazität", sagte Spranzi zur Situation seiner Genossenschaft.

In den kommenden Tagen sollen aufgrund der angekündigten Regenfälle die Pegelstände deutlicher steigen, und zwar um 50 bis 80 Zentimeter. "Allerdings müssten sie schon um ein bis anderthalb Meter klettern - erst dann wären wir wieder in einem Bereich, der für diese Jahreszeit typisch wäre", sagte der Experte des Wasserstraßenamtes. Kommt es so, wäre wieder mehr Ladung möglich. "Wenn 50 Zentimeter dazukommen, sind 500 Tonnen mehr Ladung auf einem großen Schiff möglich", sagte DTG-Experte Spranzi. "Bei den prognostizierten Pegelständen wird sich die Verfügbarkeit von Schiffsraum erhöhen", heißt es auch beim Chemiekonzern BASF. "Die in Fahrt befindlichen Schiffe werden auch wieder höhere Mengen transportieren können."

PEGEL IN EMMERICH NOCH UNTER NULL

Besonders niedrig ist der Pegelstand derzeit in Emmerich am Niederrhein, nahe der Grenze zu den Niederlanden. Er lag am Freitagmorgen bei minus zwei Zentimeter, nachdem am Donnerstag ein Rekordtief von minus drei Zentimeter markiert wurde. Schifffahrt blieb trotz der Ausnahmesituation bis zuletzt aber weiterhin möglich: Der Pegelstand ist nicht gleichbedeutend mit der für die Schifffahrt entscheidenden Fahrrinnentiefe. Diese lag in Emmerich zuletzt bei knapp unter zwei Metern. Der Pegel an der wichtigen Engstelle Kaub bei Koblenz lag zuletzt bei 33 Zentimetern.

Das anhaltende Niedrigwasser aufgrund der ungewöhnlich geringen Regenfälle der vergangenen Wochen behindert schon seit Tagen den Güterverkehr auf dem Rhein. Der Ölkonzern Shell gab am Donnerstag bekannt, er müsse die Produktion seiner Raffinerie im Rheinland kürzen. Hier werden Kraftstoffe, Heizöl und Petrochemikalien hergestellt. "Aufgrund des niedrigen Rheinwassers haben wir die Kapazität des Shell Energie- und Chemieparks Rheinland reduziert", hieß es dazu. Dort können bis zu 17 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr oder 345.000 Barrel pro Tag verarbeitet werden.

Thyssenkrupp Steel verfolgt die Entwicklung auf dem Rhein genau. "Unsere Rohstoffbedarfe sind auf dieser Basis derzeit gesichert", sagte ein Sprecher. "Zu den Maßnahmen gehören unter anderem mehr Fahrten mit geringerer Last." BASF wiederum gab an, dass Produktionsabstellungen vermieden wurden.

Zuletzt hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor negativen Folgen gewarnt: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Anlagen in der chemischen oder Stahlindustrie abgeschaltet werden, Mineralöle und Baustoffe ihr Ziel nicht erreichen oder Großraum- und Schwertransporte nicht mehr durchgeführt werden können", sagte der stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Lieferengpässe, Produktionsdrosselungen oder sogar Stillstände und Kurzarbeit wären die Folge.

(Bericht von Rene Wagner, Tom Käckenhoff, Christoph Steitz, redigiert von Hans Seidenstücker - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)