LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Für den Chemiekonzern BASF lief es bislang dank einer guten Nachfrage und höherer Preise rund. Allerdings drücken deutlich gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sowie Transportkosten als Folge des Krieges in der Ukraine auf die Ergebnisse. Dreht Russland komplett den Gashahn nach Deutschland zu, müsste BASF laut Unternehmenschef Martin Brudermüller im schlimmsten Fall die Produktion im Stammwerk in Ludwigshafen einstellen. Was bei BASF los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI BASF:

Nachdem 2020 vor allem die schwache Nachfrage der Auto- und Luftfahrtbranche den Konzern in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie schwer belastet hatten, läuft es seit vergangenem Jahr für den Ludwigshafener Chemiekonzern dank einer höheren Nachfrage und gestiegener Preise eigentlich wieder besser.

Im zweiten Quartal konnte BASF dank Preiserhöhungen und dem schwachen Euro mehr Geschäft und Gewinn machen als von Experten gedacht. Vorläufigen Berechnungen zufolge legte der Umsatz von April bis Juni im Jahresvergleich um 16 Prozent auf knapp 23 Milliarden Euro zu, wie der Dax-Konzern jüngst überraschend mitteilte. Dabei gingen die Mengen allerdings gegenüber dem Vorjahresquartal leicht zurück.

Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) sank um knapp ein Prozent auf 2,34 Milliarden Euro, fiel damit aber weit besser aus als von Analysten zuvor geschätzt. Gestiegene Preise für Rohstoffe und Energie hätten weitgehend über höhere Verkaufspreise weitergegeben werden können, teilte das Unternehmen mit. Unter dem Strich verdiente BASF mit fast 2,1 Milliarden Euro gut ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor, vor allem dank eines höheren Beteiligungsergebnisses der Gas- und Ölfördertochter Wintershall Dea.

Die Jahresprognose ließ BASF "vorerst" unverändert, wie das Unternehmen weiter mitteilte. BASF peilt bislang für 2022 einen Umsatzrückgang auf 74 bis 77 Milliarden Euro an. Auch das operative Ergebnis dürfte mit 6,6 bis 7,2 Milliarden Euro kleiner ausfallen als im Vorjahr. 2021 war der Umsatz im Jahresvergleich um ein Drittel auf 78,6 Milliarden Euro geklettert. Dazu trugen deutlich höhere Verkaufspreise und Mengen bei. Das bereinigte operative Ergebnis (bereinigtes Ebit) konnte BASF dabei auf 7,8 Milliarden Euro mehr als verdoppeln.

Das Marktumfeld bleibe von außergewöhnlich hoher Unsicherheit geprägt, hatte der BASF-Chef bereits Ende April gewarnt. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf Preise und die Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen seien nicht vorhersehbar. Sollten die Erdgaslieferungen aus Russland über nach Nacht wegfallen, würde das laut Brudermüller zu einer irreversiblen Schädigung der Volkswirtschaft führen. Im Extremfall müsste BASF die Produktion im Stammwerk in Ludwigshafen einstellen.

BASF beziehe kein Gas und kein Öl direkt aus Russland, sondern von westeuropäischen Lieferanten. "In deren Portfolio ist aber auch Erdgas aus Russland. Und damit auch in einem ähnlichen Verhältnis bei BASF am Standort in Ludwigshafen. Um es klar zu sagen: Eine kurzfristige Lösung, Erdgas aus Russland zu ersetzen, gibt es nicht", sagte der BASF-Manager.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erwartet auch in der zweiten Jahreshälfte einen hohen Ertragsdruck für die wichtige Industriebranche. "Eine spürbare Entspannung bei den Energie- und Rohstoffkosten sehen wir derzeit nicht", sagte VCI-Präsident Christian Kullmann jüngst. Erdgas dürfte deutlich teurer bleiben als in anderen Weltregionen. Es deute sich zwar eine leichte Entspannung bei den Lieferengpässen an, doch dürfte die Chemikaliennachfrage von Kunden nachlassen.

Gegenwärtig sei die Gasversorgung so, dass die Branche produzieren könne, sagte Kullmann. Doch die Preise seien "atemberaubend" hoch. Die Branche tue alles, um lieferfähig bleiben. So stocke sie bereits Lager auf, um Kunden im Krisenfall trotzdem versorgen zu können.

Die große Sorge in Deutschland derzeit ist, dass Russland bei der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach einer geplanten Wartung, die Ende dieser Woche vorbei sein könnte, den Gashahn nicht wieder aufdreht und die bereits gedrosselten Lieferungen ganz versiegen.

Unterdessen halten die Ludwigshafener weiterhin an dem Börsengang seiner Mehrheitsbeteiligung Wintershall Dea fest. Ursprünglich war dieser für das zweite Halbjahr 2020 geplant. Der Öl- und Gaskonzern sei zwar nicht von Sanktionen im Zuge des Krieges betroffen, besitze in Russland aber Beteiligungen an Produktionsanlagen, sagte Brudermüller. "Damit wird ein Börsengang derzeit schwierig."

Detaillierte Ergebnisse zum zweiten Quartal wollen die Ludwigshafener am 27. Juli vorlegen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 21 seit Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal Ende April von dpa-AFX erfassten Experten empfehlen elf die Aktie zum Kauf. Neun raten zum Halten, einer empfiehlt den Verkauf. Im Schnitt liegt das Kursziel bei knapp 60 Euro. Allerdings weisen die Schätzungen mit 37 bis 82 Euro eine große Spanne auf. Aktuell kosten die Papiere gut 44 Euro.

Die Eckdaten des Chemiekonzerns für das zweite Quartal haben nach Ansicht von Analyst Oliver Schwarz vom Analysehaus Warburg Research die Erwartungen klar übertroffen. Er spricht jedoch von einem zweischneidigen Schwert, da die Jahresziele unverändert geblieben seien.

Die Baader Bank hatte bisher wegen des unsicheren Umfelds eine Prognoseanhebung angezweifelt. Dies könnte das Unternehmen allerdings bei der Vorlage der detaillierten Halbjahresergebnisse nachholen, betonte Analyst Markus Mayer. Höhere Ziele seien davon abhängig, ob Russland nach den planmäßigen Wartungsarbeiten der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 tatsächlich weiter Gas liefere oder nicht - und wie sich die Corona-Situation in China entwickele.

Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan geht einen Schritt weiter und rechnet damit, dass die Signale aus der Chemieindustrie für das zweite Halbjahr sowie 2023 angesichts der Gasversorgungsrisiken und der Konjunkturschwäche düsterer ausfallen dürften. BASF käme aber mit möglichen Produktionskürzungen in der Branche bei dann zunehmender Preismacht besonders gut zurecht. Zudem wies Udeshi auf eine attraktive Bewertung hin.

Deutlich zuversichtlicher für BASF zeigte sich zuletzt die Bank of America. Sie stufte die Aktie des Unternehmens von "Underperform" gleich auf "Buy" hoch. Die Analysten um Matthew Yates begründeten dies damit, dass der Markt die teilweise Absicherung der Öl- und Gasanlagen des Unternehmens durch Wintershall übersehe. Zunächst müsse BASF noch Governance-Probleme mit den Partnern lösen. Sollten die Barmittel freigesetzt werden können, dann würde sich BASF in einer finanziell deutlich besseren Situation befinden, als das die Bewertung vermuten ließe.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Corona-Krise hat der BASF-Aktie in der ersten Phase der Corona-Pandemie vor mehr als zwei Jahren ordentlich zugesetzt. Der Kurs rutschte innerhalb weniger Wochen um mehr als 40 Prozent ab. Mitte März 2020 kostete das Papier mit 37,36 Euro so wenig wie seit 2009 nicht mehr. Zwischenzeitlich konnte sich der Kurs deutlich erholen, bis auf fast 73 Euro im Frühjahr 2021.

Aber vom Krieg in der Ukraine, Lockdowns in China und Lieferkettenproblemen gezeichnet hat sich der Kurschart der BASF in den vergangenen Monaten deutlich eingetrübt. Mit dem jüngsten Fall bis unter die 40-Euro-Marke näherte sich der Kurs dem Corona-Crash-Tief aus dem März 2020.

Mit einem Jahresminus von 28 Prozent haben die Papiere bislang überdurchschnittlich stark verloren. Beim Dax ist der Verlust mit fast 17 Prozent geringer. Auch mittelfristig haben die Aktionäre wenig Freude. Seit dem Rekordhoch bei 98,80 Euro Anfang 2018 hat sich der Kurs mehr als halbiert.

Über die vergangenen zehn Jahre verloren die Papiere fast ein Fünftel an Wert, während sich der Kurs des Dax und auch des europäischen Branchenindex Stoxx 600 Chemie in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt haben.

Aktuell beträgt der Börsenwert des Konzerns rund 41 Milliarden Euro. Damit liegt BASF auf dem 14. Rang im Dax. Zur Amtsübernahme Brudermüllers im Mai 2018 hatte BASF mit ungefähr 80 Milliarden noch auf dem sechsten Platz gelegen./mne/jcf/mis