Stockholm/Shanghai/Frankfurt (Reuters) - Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) steuert auf den nächsten Höhepunkt zu.

Immer mehr Firmen stellen entsprechende Projekte vor und wollen diese Technologie, von der sie sich sprudelnde Gewinne erhoffen, in ihre Produkte einbauen. Allerdings kämpft die Branche noch mit einigen Kinderkrankheiten.

So kündigte Google am Mittwoch an, dass die KI "Bard" künftig die Ergebnisse der eigenen Internet-Suchmaschine verfeinern soll. Außerdem werde dadurch eine völlig neue Form der Interaktion ermöglicht, sagte Google-Manager Prabhakar Raghavan bei einer Präsentation in Paris. "Die einzige Grenze für die Suche ist Ihre Vorstellungskraft."

Damit reagiert die Alphabet-Tochter auf den Vorstoß von Microsoft, seine Suchmaschine Bing mit KI-Eigenschaften auszustatten. "Die Google-Suche ist seit einem Jahrzehnt konkurrenzlos", sagte Art Hogan, Chef-Anlagestratege des Finanzdienstleisters B. Riley. "Wenn Microsoft in der Lage ist, seine Tools für künstliche Intelligenz in der gesamten Softwarepalette anzubieten, einschließlich der Suche, könnte Google endlich Konkurrenz bekommen." Je höher die Marktanteile in diesem Bereich, desto größer sind die Einnahmen aus Online-Werbung.

WIE INTELLIGENT IST KÜNSTLICHE INTELLIGENZ?

KI-Fantasie verhalf der Microsoft-Aktie an der Wall Street zu einem Kursplus von zeitweise mehr als drei Prozent. Für die Google-Mutter Alphabet ging es dagegen gut sechs Prozent abwärts. "Bard" hatte in einem Werbeclip des Unternehmens auf die Frage nach interessanten Entdeckungen des James Webb-Weltraumteleskops geantwortet, dass es das erste Foto eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems aufgenommen habe. Tatsächlich stammt das erste Bild eines sogenannten Exoplaneten aber vom Very Large Telescope VLT aus dem Jahr 2004, bestätigte die Nasa. Google war für einen Kommentar zu diesem Thema zunächst nicht zu erreichen.

"Bard" habe einen Fehlstart hingelegt, sagte Thomas Hayes, Manager beim Vermögensverwalter Great Hill. "Ich kann die Kursreaktion verstehen, aber ich glaube nicht, dass es langfristig irgendeinen bedeutenden Einfluss hat." Außerdem ist auch die Konkurrenz vor solchen Patzern nicht gefeit. "ChatGPT schreibt manchmal plausibel klingende, aber falsche oder unsinnige Antworten", räumt die Microsoft-Beteiligung OpenAI ein, die diese Software entwickelt hat. ChatGPT ist seit November 2022 im Internet frei verfügbar und hat binnen Wochen die Marke von 100 Millionen aktiven Nutzern geknackt, so schnell wie kein anderes Programm zuvor.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZEN SCHIESSEN WIE PILZE AUS DEM BODEN

Das Rennen um die KI-Krone ist aber kein Zweikampf. So kündigte der chinesische Google-Rivale Baidu ein ChatGPT-ähnliches Projekt namens "Ernie" an. Der Online-Händler Alibaba bastelt an einer ähnlichen Software, ebenso wie dessen Rivale JD.com. Einem Insider zufolge will der Videospiele-Anbieter NetEase seine Lern-Software mit Hilfe von KI-Eigenschaften verbessern. Die Facebook-Mutter Meta springt ebenfalls auf diesen Zug auf und will bei dieser Technologie führend werden.

"Generative" KI wie ChatGPT oder Bard simulieren menschliche Interaktion und können auf Grundlage weniger Stichworte Texte, Bilder oder Videos erstellen. Allerdings warnen Kritiker neben möglichen faktischen Fehlern davor, dass sich von der Software erstellte Texte nur schwer als künstlich erzeugt identifizieren lassen. EU-Industriekommissar Thiery Breton spricht sich daher für eine rasche Regulierung aus.

(Bericht von Supantha Mukherjee und Martin Coulter; geschrieben von Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)