Seattle/Paris (Reuters) - Sie ist als "Air Force One" Dienstflugzeug der US-Präsidenten und beförderte den Papst und Rockbands rund um den Globus: Am Dienstag wird die allerletzte neugebaute Boeing 747 ausgeliefert.

Die zweistöckige "Königin der Lüfte" mit ihrer markanten Buckel-Silhouette war das erste Langstreckenflugzeug, mit dem Fliegen zum Massengeschäft wurde. Nach 53 Jahren mustert Boeing die mit vier Triebwerken ausgestattete Ikone der Luftfahrt nun aus unter dem selben ökonomischen Zwang, der ihr auf die Welt half: Kosteneffizientere zweistrahlige Jets beenden die Herrschaft des Jumbos. Pan American Airways nahm die erste Boeing 747 in Empfang, die US-Fluggesellschaft Atlas Air erhält in Seattle das letzte Modell, als Frachtflugzeug ausgestattet.

"Auf dem Boden ist es stattlich, es ist imposant", erinnert sich Bruce Dickinson, der Leadsänger von der Heavy-Metal-Band Iron Maiden, der als ausgebildeter Verkehrspilot während der Tour im Jahr 2016 eine speziell lackierte 747 mit dem Spitznamen "Ed Force One" selbst steuerte. In der Luft sei der massige Jet überraschend agil und zu Wendemanövern fähig, seine Rückkehr zum Boden einfach und sanft. "Es ist, als würde man einen Sessel landen", sagte Dickinson.

EXKLUSIV UND MASSENTAUGLICH

Ende der 1960er Jahre entworfen, um den Bedarf nach Massentourismus zu decken, wurde das Bug- und Oberdeck des weltweit ersten zweischiffigen Großraumjets zum luxuriösesten Club der Welt über den Wolken. Aber es waren die endlos scheinenden Reihen im Unterdeck, die das Reisen veränderten. "Es war DAS Flugzeug, das das Fliegen für die Mittelklasse in den USA eingeführt hat", erläutert Ben Smith, Konzernchef von Air France-KLM im Gespräch mit Reuters. "Vor der 747 konnte eine durchschnittliche Familie nicht erschwinglich von den USA nach Europa fliegen."

In der 747 nahmen viele berühmte Fluggäste Platz. Als Stewardess bediente Linda Freier bei Pan Am Passagiere von Michael Jackson bis Mutter Teresa. "Es war eine unglaubliche Vielfalt an Passagieren. Menschen, die gut gekleidet waren, und Menschen, die sehr wenig hatten und alles, was sie hatten, für dieses Ticket ausgaben." Seit die erste 747 am 22. Januar 1970 nach einer Verzögerung aufgrund eines Triebwerksausfalls von New York abhob, fanden mit 350 bis 400 Passagieren doppelt so viele Platz wie zuvor im größten Langstreckenjet. Das Flugzeug habe den Massenmarkt erst möglich gemacht, sagt der Luftfahrthistoriker Max Kingsley-Jones.

Pan-Am-Gründer Juan Trippe versuchte, Kosten mit mehr Sitzplätzen zu senken. Bei einem Angelausflug forderte er den damaligen Boeing-Präsident William Allen auf, etwas zu bauen, das die 707 in den Schatten stellen würde. Allen beauftragte den legendären Ingenieur Joe Sutter. Es dauerte nur 28 Monate, bis Sutters Team, bekannt als "die Unglaublichen", die 747 vor dem betriebseigenen Erstflug am 9. Februar 1969 entwickelte.

Obwohl die 747 schließlich zu einer Cash-Cow wurde, waren ihre ersten Jahre voller Probleme. Die Entwicklungskosten von einer Milliarde US-Dollar trieben Boeing fast in den Bankrott. Nach einem Auftragseinbruch während der Ölkrise in den 1970er Jahren erreichte das Flugzeug 1989 seine Blütezeit, als Boeing die 747-400 mit neuen Triebwerken und leichteren Materialien vorstellte. So war es auch perfekt geeignet, die wachsende Nachfrage nach Transpazifikflügen zu befriedigen.

ZEITALTER DER WUNDER VORBEI

Doch dank technischen Fortschritts holten zweimotorige Jets nach Reichweite und Kapazität auf - zu geringeren Kosten dank eines niedrigeren Kerosinverbrauchs. Dass die 747 heute noch häufig am Himmel zu sehen ist, hat sie auch den Verzögerungen bei der Entwicklung des neuen Boeing-Spitzenmodells 777X zu verdanken. Nach mehrmaligem Aufschub hebt dieses nicht vor 2025 ab. "In Bezug auf beeindruckende Technologie, große Kapazität und Wirtschaftlichkeit lässt diese die 747 leider alt aussehen", sagt Richard Aboulafia, Geschäftsführer von AeroDynamic Advisory. Heute sei die "Königin der Lüfte" noch bei sechs Passagierfluglinien im Einsatz, schreibt der Airline-Experte Sam Chui. Die Lufthansa betreibt 27 Modelle der 747-8 und 747-400 - Blogger Chui zufolge die größte Flotte einer Airline. Auch als Frachter wird der Jumbo noch viele Jahre unterwegs sein. Und sie bleibt die Präsidentenmaschine Air Force One, denn eine gebrauchte wird dafür umgebaut. "Es war eines der Wunder des modernen Industriezeitalters", sagt Aboulafia, "aber dies ist kein Zeitalter der Wunder, es ist ein Zeitalter der Ökonomie."

(Mitarbeit von Ilona Wissenbach; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Valerie Insinna und Tim Hepher