NEW BRUNSWICK/NEUSS (awp international) - Der erste Corona-Impfstoff in der EU, der nur einmal gespritzt werden muss, rückt in greifbare Nähe. Die Pharmasparte des US-Konzerns Johnson & Johnson gab am Freitag ein Zwischenergebnis ihrer Phase-III-Studie mit rund 44 000 Probanden bekannt, demzufolge der Impfstoff vier Wochen nach Verabreichung einen 66-prozentigen Schutz vor mittleren oder schweren Covid-19-Krankheitsverläufen biete. Die Wirksamkeit gegenüber schweren Erkrankungen wurde mit 85 Prozent angegeben. Die Prozentzahlen bedeuten, dass es in der geimpften Probandengruppe entsprechend weniger Fälle gab als in der Placebo-Probandengruppe.

Unterdessen gab die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) bekannt, dass sie die bedingte Marktzulassung für den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca in der EU empfiehlt. Sie gelte für Personen ab 18 Jahren, teilte die EMA am Freitag in Amsterdam mit. Die endgültige Entscheidung über die Zulassung muss nun die EU-Kommission treffen - das gilt als Formsache. Um das Präparat gibt es Streit zwischen der EU und dem Hersteller - dieser will wegen Produktionsengpässen weniger Dosen liefern als zunächst angepeilt, was Europa aber nicht hinnehmen will.

Mit Astrazenca wäre gewissermassen der Corona-Bremsklotz Nummer 3 auf dem Markt. Nummer 4 könnte der Impfstoff von Janssen sein. Die Chefetage des Herstellers äusserte sich zufrieden mit den Studienergebnissen. "Wir sind stolz, diesen entscheidenden Meilenstein erreicht zu haben", erklärte der Chef des Janssen-Mutterkonzerns Johnson & Johnson, Alex Gorsky. Anfang Februar will der Hersteller eine Notfallzulassung in den USA beantragen, ein Zeitpunkt für die Antragseinrichtung in der EU wurde zunächst nicht bekannt - dass der Antrag aber kommt, gilt als sicher. Die Studie läuft in den USA, Lateinamerika und Südafrika.

Die EU-Kommission hat 200 Millionen Dosen vorbestellt plus Option auf weitere 200 Millionen Dosen. Im Gegensatz zu den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und von Moderna handelt es sich um einen Vektorimpfstoff, der bei Kühlschranktemperatur transportiert und gelagert werden kann. Bei den Konkurrenzprodukten, die in der EU bereits verimpft werden und im Abstand von mehreren Wochen zwei Mal gespritzt werden, ist die Wirksamkeit Studienergebnissen zufolge allerdings deutlich höher.

Janssen hat seinen Sitz im belgischen Beerse und hat weltweit 40 000 Mitarbeiter und damit ein Viertel der Belegschaft von Johnson & Johnson - der Mutterkonzern ist beim Konsumenten vor allem für Babycremes, Mundwasser, Schnupfensprays oder Heuschnupfenmittel bekannt. Janssen wiederum hat 1000 Mitarbeiter in Deutschland, die Deutschlandzentrale ist in Neuss (NRW). Eine Produktion hierzulande hat Janssen nicht. Der Coronaimpfstoff wird im niederländischen Leiden entwickelt, die Herstellung soll auf andere Standorte ausgeweitet werden.

Janssens Hauptgeschäft sind bisher verschreibungspflichtige Medikamente, etwa gegen Krebserkrankungen. Die Entwicklung von Impfstoffen ist für die Firma noch Neuland, erst im vergangenen Sommer brachte die Firma ihr erstes Vakzin auf dem Markt, ein Ebola-Präparat. Auf der hierbei genutzten Technologie basiert das nun entwickelte Coronavakzin.

Im Juli begann Janssen mit klinischen Studien zu dem Präparat, die schrittweise ausgebaut wurden. Verabreicht wurde ein sogenannter Vektorimpfstoff - auch Wettbewerber Astrazeneca setzt auf diese Technologie. Dabei wird ein harmloses Virus als Transporter genutzt, um genetische Informationen für ein Eiweiss des Sars-CoV-2-Virus in den Körper zu schleusen. Dadurch soll das Immunsystem dazu gebracht werden, Antikörper gegen das Eiweiss zu bilden und andere Abwehrreaktionen hervorzurufen. Bei Kontakt mit dem Coronavirus ist der Körper dann vorbereitet und kann die Infektion besser eindämmen.

Die beiden Impfstoffe von Biontech/Pfizer und von Moderna, die als erste für den Markt zugelassen worden waren, beruhen auf einem anderen Verfahren (mRNA). Während mRNA-Impfstoffe bei Transport und Lagerung bei tiefen Minusgraden gekühlt werden müssen, reichen für Vektorimpfstoffe in der Regel Kühlschranktemperaturen.

Unter Gesundheitspolitikern war die Reaktion verhalten. "Leider sind die Daten von Janssen nicht so überzeugend, dass man gleich jubeln kann", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese. Unter anderem die Experten der europäischen Arzneimittelagentur müssten das ganze nun "sehr genau prüfen und dann muss entschieden werden, ob und in welcher Form der Impfstoff eingesetzt werden kann", so der CDU-Politiker.

Am Freitag wurden ebenfalls Zwischenergebnisse zu einem anderen Impfstoff bekannt - das Präparat des US-Herstellers Novavax weist nach dessen Angaben eine Wirksamkeit von 90 Prozent aus. Der US-Pharmakonzern Baxter hatte Mitte Januar angekündigt, dieses Vakzin unter anderem in der Baxter-Niederlassung in Halle (NRW) herzustellen. Auch Biontech und Pfizer wollen ihren Impfstoff künftig in der westfälischen Stadt produzieren./wdw/DP/men