(Statements vom Freitag ergänzt)

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der angenommenen Wichtigkeit vollständiger Impfserien zum Schutz vor der Delta-Variante des Coronavirus gibt es eine neue Diskussion um die Verkürzung der Impfabstände. Die Frage sei nicht trivial, teilte Thomas Mertens, der Leiter der Ständigen Impfkommission (Stiko), der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Es gebe verschiedene Pro- und Contra-Argumente, erklärte der Ulmer Virologe. "Wir versuchen derzeit die notwendige Evidenz zu schaffen."

Die Stiko empfiehlt bislang längere Zeitabstände zwischen den zwei Impfungen als es gemäß Zulassung der jeweiligen Impfstoffe möglich wäre. Das hat Gründe: Bei Astrazeneca etwa steigt die Wirksamkeit bei längerem Abstand. Zudem sprach die Impfstoffknappheit dafür, zunächst möglichst viele Menschen mit der Erstimpfung zu versorgen.

Bei Astrazeneca lautet der bisherige Rat des Expertengremiums, zwölf Wochen zwischen erster und zweiter Dosis verstreichen zu lassen. Für die mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer und Moderna) beträgt der empfohlene Abstand sechs Wochen. Laut Zulassung wären schnellere Impfserien möglich: zwei Biontech-Spritzen im Abstand von drei Wochen, bei Moderna und Astrazeneca im Abstand von vier Wochen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte am Freitag in Berlin dafür, mit der Zweitimpfung im Rahmen des in der Zulassung vorgesehenen Intervalls zu bleiben. "Innerhalb des Intervalls entscheiden das am Ende der Arzt und der zu Impfende." Es sei absehbar, dass in vier bis sechs Wochen weit über 50 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft seien, so Spahn.

Der Impfexperte Leif Erik Sander von der Charité sagte, angesichts der niedrigen Infektionszahlen könne man "mit Ruhe einfach so weitermachen" wie es bisher gut und empfohlen sei. Man wolle etwa bei Astrazeneca keinen Wirksamkeitsverlust risikieren. Ähnlich hatte sich zuvor der Immunologe Carsten Watzl auf Twitter geäußert.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte am Donnerstag im "Morgenmagazin" auf die Frage, ob die Abstände verkürzt werden sollten, um schneller Menschen vor Delta zu schützen: Die Herausforderung sei zunächst einmal, dass jeder - mit Ausnahme von Kindern unter 12 - eine Chance zur Erstimpfung bekomme. Bei der Zweitimpfung gehe es weniger um die Frage der Bequemlichkeit des Abstands, sondern mehr um die Wirksamkeit. "Wir wissen eben, dass ein gewisser Abstand die Wirksamkeit der Impfung verbessert." Er verneinte die Frage, ob eine Verkürzung der Rat der Stunde sei.

"Die aktuellen Impfintervalle, insbesondere bei Biontech, zu verkürzen, macht natürlich Sinn, um möglichst schnell eine vollständige Impfwirkung zu erreichen", erklärte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. "Die maximale Spreizung der Impfintervalle bei Biontech hat ja lediglich im Mangel der Impfstoffe ihre Begründung."

Der Virologe Christian Drosten weist schon länger darauf hin, dass gerade die erste Impfung gegen Delta noch nicht so viel hilft. Auch der Immunologe Carsten Watzl hatte der dpa kürzlich gesagt: "Die Zweitimpfung ist dringend notwendig, um auch die Mutanten gut abwehren zu können."

Auch in Deutschland werden mittlerweile wachsende Anteile der in Indien entdeckten Delta-Variante verzeichnet. Die Fallzahlen durch die Mutante wachsen bislang aber nur relativ leicht, während der Trend bei den Ansteckungen durch die noch dominierende Mutante Alpha stärker zurückgeht. Perspektivisch wird damit gerechnet, dass Delta auch hier das Infektionsgeschehen dominieren wird./ggr/DP/he