HANNOVER (awp international) - Der weltweit drittgrösste Rückversicherer Hannover Rück rechnet trotz immenser Grossschäden 2019 mit einem Rekordgewinn. Der Überschuss dürfte statt auf 1,2 Milliarden auf mehr als 1,25 Milliarden Euro klettern, kündigte Vorstandschef Jean-Jacques Henchoz am Mittwoch in Hannover an. Für das kommende Jahr gab der Manager das neue Ziel von 1,2 Milliarden Euro aus. Denn der 2019 erzielte Sondergewinn von 100 Millionen Euro aus der Übernahme des Lebensversicherers Generali Leben wird sich 2020 kaum wiederholen.

An der Börse sorgten die Neuigkeiten für keine klare Reaktion. Der Kurs der im MDax gelisteten Hannover-Rück-Aktie pendelte am Morgen zwischen Gewinn- und Verlustzone und lag zuletzt mit 0,06 Prozent im Plus bei 160,70 Euro, blieb aber ein Stück von seinem am Montag erreichten Rekordhoch von 162,20 Euro entfernt. Im Gesamtjahr liegt die Aktie sogar mit rund 36 Prozent im Plus. Auf Sicht von zehn Jahren hat sich der Kurs mehr als verfünffacht.

Im dritten Quartal verdiente die Hannover Rück mit knapp 341 Millionen Euro sogar doppelt so viel wie ein Jahr zuvor und deutlich mehr als von Analysten erwartet. Doch das lag vor allem an hohen Gewinnen aus Kapitalanlagen und an der Erholung der Lebens-Rückversicherung, die im Sommer 2018 wegen Einmalbelastungen in den roten Zahlen gesteckt hatte.

Nach den ersten neun Monaten hat die Hannover Rück nun allerdings schon gut eine Milliarde Euro verdient. Der Vorstand sieht sich damit auf gutem Weg zu seinem gerade erhöhten Gewinnziel. Analysten hatten für 2019 im Schnitt aber ohnehin schon mit einem Überschuss von mehr als 1,25 Milliarden Euro gerechnet.

Finanzchef Roland Vogel zeigte sich in einer Telefonkonferenz am Morgen zuversichtlich, dass der Konzern für 2019 eine Gesamtdividende "mindestens" auf Vorjahreshöhe ausschütten kann. Da hatten die Aktionäre je Anteilsschein einschliesslich Sonderdividende 5,25 Euro erhalten.

Im Schaden- und Unfallgeschäft schlugen im dritten Quartal allerdings die Zerstörungen durch Hurrikan "Dorian" in den USA und der Karibik sowie Taifun "Faxai" in Japan mit zusammen 263 Millionen Euro teuer zu Buche. Zudem muss die Hannover Rück wegen der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook (Neckermann Reisen, Bucher, Öger Tours) tief in die Tasche greifen und hat dafür gut 112 Millionen Euro zur Seite gelegt.

Denn die Hannover Rück hat Erstversicherer wie den Schweizer Zurich-Konzern rückversichert, die im Zuge des Insolvenzschutzes bei Pauschalreisen für die Rückholung gestrandeter Thomas-Cook-Urlauber und die Entschädigung für ausgefallene, aber schon bezahlte Reisen geradestehen müssen.

So hatte Zurich die Reisen mit der deutschen Thomas Cook mit bis zu 110 Millionen Euro versichert. In anderen EU-Staaten gelten teils andere Regelungen. "Teilweise sind die Absicherungen in anderen Ländern deutlich höher", sagte Vogel. Für den Rückversicherer sei das ein hoher Schaden. Dass so etwas passiere, gehöre aber zum Geschäft.

Angesichts der hohen Belastungen reichten die Prämieneinnahmen im Schaden- und Unfallgeschäft im dritten Quartal nicht aus, um die Aufwendungen für Schäden, Verwaltung und Vertrieb zu decken. Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote stieg von 98,7 auf 102,1 Prozent und lag damit oberhalb der kritischen 100-Prozent-Marke.

Auch mit Blick auf die ersten neun Monate lag die Quote dadurch mit 98,6 Prozent oberhalb des Bereichs von "maximal 97 Prozent", den der Vorstand sich für das Gesamtjahr zum Ziel gesetzt hat. Und für das vierte Quartal zeichnet sich mit Taifun "Hagibis" in Japan bereits ein weiterer Milliardenschaden für die Branche ab. Wie stark sich dieser bei der Hannover Rück niederschlägt, wagte Vogel jedoch noch nicht zu beziffern.

Dennoch nimmt der Risikoappetit des Rückversicherers nicht ab. Die Brutto-Prämieneinnahmen sollen in diesem Jahr währungsbereinigt um rund 10 Prozent wachsen und damit stärker als bislang geplant. Für 2020 peilt das Management eine weitere Steigerung um währungsbereinigt etwa 5 Prozent an. In diesem Zuge erhöht der Vorstand auch das Budget für Grossschäden zum Jahreswechsel um 100 Millionen auf 975 Millionen Euro.

Nur bei den Kapitalanlagen muss sich der Konzern wohl mit einer merklich kleineren Rendite zufriedengeben. Während der Vorstand sein Renditeziel für diesen Bereich für 2019 auch wegen lukrativer Immobilienverkäufe von mindestens 2,8 Prozent auf mindestens 3,2 Prozent heraufsetzte, geht er für 2020 nur noch von 2,7 Prozent aus./stw/mne/fba