VELDHOVEN (dpa-AFX) - Ohne ASML ginge wenig in der modernen Chipproduktion. Denn die vernetzte Welt giert nach leistungsstärkeren und gleichzeitig sparsameren Computerchips. Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung nur noch weiter befeuert. Datenverarbeitung- und Speicherung, künstliche Intelligenz, 5G-Mobilfunktechnik, Homeoffice - ohne moderne Computerprozessoren wäre all das nicht möglich. Chipproduzenten setzen bei der Herstellung immer mehr auf die Produktionsanlagen des niederländischen Ausrüsters ASML mit der EUV-Lithografie-Technik. Was im Unternehmen los ist, wie Analysten es bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI ASML:

Riesige Maschinen, mikroskopisch kleine Strukturen - das ist das Geschäft der 1984 als Gemeinschaftsunternehmen von Philips und ASM International gegründeten Niederländer. Ihre Technik steckt in vielen der Chips, die letztendlich von bekannteren Konzernen wie Intel, Samsung oder AMD hergestellt werden.

Chipkonzerne nutzen die Anlagen von ASML, um auf Halbleiterwafern - dünnen Scheiben aus Silizium - winzige elektronische Schaltkreise zu erzeugen. Das geschieht mit Hilfe elektromagnetischer Strahlung, die in diesem Fall viel kurzwelliger ist als das für den Menschen wahrnehmbare Licht. Mit dieser bei der EUV-Lithografie eingesetzten und namengebenden extrem ultravioletten Strahlung lassen sich noch kleinere Strukturen erzeugen als bisher. Computerchips können dadurch auf weniger Fläche mehr leisten und verbrauchen weniger Strom. Diese Eigenschaften sind unabdingbar bei der zunehmenden Vernetzung der Welt sowie bei Trends wie Industrie 4.0, künstliche Intelligenz oder 5G-Mobilfunktechnik.

Chiphersteller kommen also kaum um die Schulbus-großen Anlagen von ASML herum. Aktuell spielt dem Konzern zusätzlich in die Hände, dass auf den Weltmärkten die Kapazitäten zur Fertigung teilweise nicht ausreichen, um die Nachfrage nach Chips für die Industrie und die Unterhaltungselektronik zu decken. So klagen aktuell weltweit etwa die Autobauer über Lieferschwierigkeiten bei Chips. Deren Produzenten legen nun nach und geben viel Geld für neue Technik aus.

Die Geschäftszahlen von ASML für das zurückliegende Schlussquartal fielen denn auch überraschend gut aus. Der Konzern erlöste mit 4,3 Milliarden Euro rund 7,5 Prozent mehr als im Dreimonatszeitraum davor. Die in der Branche wichtige Bruttomarge kletterte von 47,5 auf 52 Prozent. Beim Auftragseingang konnten die Niederländer in den drei Schlussmonaten ebenfalls deutlich auf 4,2 Milliarden Euro zulegen.

ASML geht zudem zuversichtlich ins noch junge Jahr. Vorstandschef Peter Wennink sieht in der derzeitigen Knappheit von Chips gute Wachstumschancen, die großen Hersteller mit ASML-Maschinen zur Chipfertigung zu beliefern. Auch die Aktionäre sollen vom Geschäftserfolg profitieren. Die Dividende für das abgelaufene Jahr soll mit 2,75 Euro um 15 Prozent höher ausfallen als ein Jahr zuvor. Bereits vor einem Jahr hatte ASML zudem einen Aktienrückkauf in Höhe von bis zu 6 Milliarden Euro angekündigt, der über die Jahre 2020 bis 2022 erfolgen sollte. Der Konzern prüft nun, im ersten Quartal in bedeutender Höhe Aktien zurückzukaufen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

"Die Welt braucht Chips, ASML belichtet sie", sagt Ingo Wermann von der DZ Bank. Zahlreiche Chipproduzenten können die hohe Nachfrage derzeit nicht befriedigen und dürften darauf mit einer deutlichen Ausweitung der Produktionskapazitäten reagieren. ASML sollte davon aufgrund seiner dominanten Stellung bei EUV-Maschinen überproportional profitieren. Der Experte errechnet für die Papiere einen fairen Wert von 520 Euro und rät entsprechend zum Kauf.

Ohnehin sind die meisten Analysten optimistisch. Von den 13 von der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX erfassten Experten empfehlen neun den Kauf, drei raten zum Halten und nur einer sagt "verkaufen". Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 496 Euro. Die einzige Verkaufsempfehlung kommt von Markus Jost von Independent Research. Er errechnet ein Kursziel von 400 Euro und hält die Aktien nach der Rally der letzten Monate damit für aktuell zu hoch bewertet.

Auch längerfristig dürfte die Nachfrage nach den Lithografiesystemen des Konzerns hoch bleiben, begründet Janardan Menon vom Investmenthaus Liberum seine positive Einschätzung. So steckten die Chiphersteller weiterhin Geld in führende Technik und die Hersteller von DRAM-Speicherchips nutzten zunehmend EUV-Anlagen.

Mark Li vom Analysehaus Bernstein ist etwas vorsichtiger und rät eher zum Halten der Papiere. Ein Grund: Das in der Branche langsam einziehende, neuartige GAA-Verfahren dürfte aufzeigen, dass Chips auch ohne noch fortschrittlichere Lithografie-Ausrüstung verbessert werden könnten. Dadurch könnte ASML letztendlich etwas weniger vom Investitionskuchen der Chipkonzerne abbekommen.

Bei der sogenannten Gate all-around-Technik (GAA) werden die Transistoren auf Chips auf eine Weise angeordnet, die noch mehr Leistung und weniger Energieverbrauch ermöglicht.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die dank des Digitalisierungsbooms guten Geschäfte liefern den ASML-Papieren schon lange Rückenwind. Allein im noch jungen Jahr 2021 ging es um zeitweise um knapp ein Fünftel nach oben auf eine Bestmarke von aktuell rund 475 Euro. Im vergangenen Jahr hatte der Kurs ein Plus von gut 50 Prozent gemacht. Zuletzt kosteten die Aktien um die 463 Euro. Der Corona-Börsencrash im Frühjahr 2020 hinterließ nur eine Delle im Chart, die schon nach zwei Monaten ausgewetzt war.

Damit zählt ASML im Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 zu den Favoriten, ebenso im europäischen Branchenindex Stoxx Europe 600 Technology.

Auch der Blick auf den langfristigen Chart dürfte den Anlegern Freude bereiten. Seit Ende 2010 ging es um 1500 Prozent nach oben. Das bedeutet den mit Abstand ersten Platz unter den europäischen Standardwerten des EuroStoxx.

Im Technologiewerte-Index Stoxx Europe 600 Technology reicht es in der Zehnjahresbilanz immerhin für den vierten Platz, gleich hinter dem deutschen Bausoftware-Anbieter Nemetschek und vor dem deutschen IT-Dienstleister Bechtle.

Auch in puncto Marktkapitalisierung spielt ASML ganz vorne mit. Mittlerweile hat der Konzern mit einem Börsenwert von rund 194 Milliarden Euro den wertvollsten deutschen börsennotierten Konzern hinter sich gelassen: Der Walldorfer Software-Anbieter SAP bringt es aktuell auf rund 128 Milliarden Euro.

Bis zum Marktwert-Spitzenreiter, dem Luxusgüterkonzern LVMH, klafft allerdings immer noch eine deutliche Lücke. Die Franzosen sind an der Börse rund 257 Milliarden Euro wert./mis/edh/tav/stk