- von Tom Käckenhoff

"Ohne positiven Cashflow stellt sich irgendwann die Frage, ob man den ganzen Konzern nicht besser abwickelt", sagte Portfoliomanager Michael Muders in einem am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Interview. "Thyssenkrupp hat in der letzten Dekade nicht bewiesen, dass man für die Aktionäre Wert schaffen kann." Das Unternehmen stehe heute mit dem Rücken zur Wand. "Dies bietet auch die Chance, jetzt richtig aufzuräumen." Union habe den Eindruck, dass Merz dafür die Richtige sei. "Sie packt die Restrukturierung entschlossener an als die Vorgänger."

Union hält nach Daten von Refinitiv knapp 0,7 Prozent an Thyssenkrupp und belegt damit Platz Neun unter den größten Aktionären des Mischkonzerns. Thyssenkrupp wollte die Aussagen nicht kommentieren. Merz hatte im Oktober die Nachfolge des glücklosen Guido Kerkhoff angetreten. Bei der Bilanzvorlage vor wenigen Tagen hatte sie hohe Verluste präsentieren müssen, die zum Teil im neuen Geschäftsjahr noch übertroffen werden könnten. So habe der Konzern für Restrukturierungen einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag reserviert.

WOHIN STEUERT DAS STAHLGESCHÄFT?

Merz will unter anderem mit einem Börsengang oder einem Verkauf der lukrativen Aufzugssparte Mittel für Investionen in neue Wachstumsgeschäfte gewinnen. "Mit Ausnahme des Aufzugsgeschäfts war der Konzern all die Jahre in keinem Geschäftsbereich wirklich wettbewerbsfähig. Man war immer nur Mitläufer", kritisierte Experte Muders. Hinzugekommen seien krasse Fehlentscheidungen des Managements wie der Bau der Stahlwerke in Brasilien und den USA. Thyssenkrupp hatte dabei mehr als zehn Milliarden Euro versenkt.

Vor der Insolvenz stehe Thyssenkrupp aber nicht, betonte Muders. "Der Wert der Aufzugssparte wird auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt. Das übersteigt die Schulden (inklusive Pensionsverpflichtungen) bei Weitem." Thyssenkrupp müsse dann aber natürlich dafür sorgen, dass die übrigen Geschäfte einen positiven Cashflow erwirtschaften. Merz hat diverse Geschäfte zur Disposition gestellt, insbesondere im Anlagenbau und im Geschäft mit Autoteilen. Schon Kerkhoff hatte den Abbau von rund 6000 der insgesamt 162.000 Mitarbeiter gefordert. Diese Zahl könnte nun nach offiziellem Bekunden sogar übertroffen werden.

Übrig könnte am Ende das Stahlgeschäft bleiben. Muders sieht das skeptisch. "Wenn man in Europa im Stahlgeschäft kein Geld verdienen kann - und zwar über Jahre - dann muss man sich fragen, ob es Sinn macht, dieses Geschäft weiter zu betreiben." Merz müsse zeitnah eine Strategie vorlegen, wie man im Stahlgeschäft nachhaltig Geld verdienen könne. Der Stahlvorstand will dem Unternehmen zufolge im Dezember dem Aufsichtsrat seine Pläne vorlegen. Die rund 27.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel Europe fordern ebenfalls klare Aussagen, wie es weitergehen soll. Die IG Metall hat daher für den 3. Dezember zu einer Demonstration vor der Duisburger Stahlzentrale aufgerufen. Sie erwartet mehrere tausend Teilnehmer. In der Zentrale kommt der Stahlaufsichtsrat an diesem Tag zusammen.