MÜNCHEN/PREMSTÄTTEN (dpa-AFX) - Osram und sein neuer Mehrheitseigner AMS kommen sehr unterschiedlich durch die Corona-Krise. Während der angeschlagene Münchner Lichtkonzern am Mittwoch tiefrote Zahlen und einen Umsatzeinbruch für das abgelaufene Quartal meldete, verbuchte der österreichische Sensorspezialist das umsatzstärkste zweite Quartal seiner Geschichte und konnte sich trotz Krise in den schwarzen Zahlen halten.

Bei Osram schlug die Corona-Krise im vergangenen Quartal - wegen eines abweichenden Geschäftsjahres ist es das Dritte - voll zu. Der Umsatz brach um 29 Prozent auf 606 Millionen Euro ein, unter dem Strich stand ein massiver Verlust von 140 Millionen Euro. AMS dagegen steigerte den Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 418 Millionen Euro und hielt sich mit gut 5 Millionen Euro Gewinn in den schwarzen Zahlen, obwohl neben Corona auch Kosten für die Übernahme das Ergebnis belasteten.

Auch für die nahe Zukunft gehen die Einschätzungen auseinander. Bei AMS heißt es, das laufende Quartal werde "sehr gut", bei Osram rechnet man dagegen weiterhin mit konjunkturellen Auswirkungen durch die Corona-Krise. Allerdings sagte Osram-Chef Olaf Berlien: "Das dritte Geschäftsquartal war ganz klar der Tiefpunkt unserer Umsatzentwicklung."

AMS verdankt seine guten Zahlen vor allem dem Geschäft als Zulieferer für die Smartphone-Industrie. Dort lief es im zweiten Quartal rund, während andere - kleinere - Bereiche wie Automotive und Industrie schwächelten. Bei Osram spielt der Automotive-Bereich dagegen eine sehr viel größere Rolle und wurde von Corona besonders hart getroffen.

Konzernchef Berlien sah sich durch den Geschäftsverlauf dennoch darin bestätigt, dass sich Osram gut gegen die Krise gerüstet habe. Er hob die Entwicklung in Nordamerika und China hervor. Allerdings brachen die Erlöse im Automotive-Geschäft um mehr als ein Drittel ein. Etwas besser lief es in der Halbleitersparte Opto Semiconductors, in der die Erlöse um rund ein Fünftel zurückgingen. In der Digitalsparte lagen die Umsatzrückgänge dagegen bei rund 31 Prozent.

Am Nachmittag lag die Osram-Aktie mit einem Kursplus von rund 4 Prozent an der Spitze des MDax. "Aus operativer Sicht sind die Zahlen solide", sagte ein Aktienhändler. Der Umsatz liege um gut vier Prozent über der durchschnittlichen Analystenerwartung und der bereinigte operative Verlust sei 40 Prozent geringer ausgefallen als am Markt erwartet.

Der Osram-Vorstand sieht sich auf einem guten Weg, seine im Juni angepasste Jahresprognose zu erfüllen. Seine alte Prognose hatte das Unternehmen wegen der Pandemie zurückgezogen. AMS will Osram ab Beginn des dritten Quartals 2020 vollständig konsolidieren und beabsichtigt, die Münchner als separates Berichtssegment mit einzuschließen. Der Ausblick für das dritte Quartal umfasse jedoch nur das AMS-Geschäft, stellte das Unternehmen klar.

Die in der Schweizer Börse notierte AMS-Aktie gab zunächst rund 6 Prozent nach und lag zuletzt noch knapp im Minus. Händler begründeten das mit dem schwächer als erwartet ausgefallenen Ausblick auf das laufende Quartal. Laut dem Analysten Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgen liegt der Ausblick unter den durchschnittlichen Markterwartungen.

Im Raum stehenden Spekulationen um eine Trennung von Osrams Automotive-Bereich erteilte AMS-Chef Alexander Everke unterdessen eine Absage. Schlechter sieht es für das Joint Venture von Osram mit Continental aus. Dahinter sehe er keine strategische Logik, sagte Everke in einer Telefonkonferenz. Man sei dazu mit Osram in Gesprächen. Dabei geht es um etwa 1500 Beschäftigte, die sich in München mit Lichttechnologie rund ums Auto befassen. Schon länger wird über ein Ende des Projekts spekuliert.

AMS hatte Anfang Juli die Übernahme der Mehrheit an Osram abgeschlossen und seinen Anteil inzwischen weiter auf 71 Prozent ausgeweitet. Weitere Zukäufe sind ebenso geplant wie ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Letzterer soll um das Jahresende herum implementiert werden.

AMS-Chef Everke will mit Osram einen europäischen Weltmarktführer für Sensoriklösungen und Photonik schmieden und hatte die Übernahme gegen Widerstände der IG Metall und des Osram-Betriebsrats durchgesetzt, die unter anderem eine Zerschlagung des Konzerns und einen Stellenabbau befürchten. Die Österreicher bezeichneten den erfolgreichen Abschluss der Transaktion als entscheidenden Meilenstein "für die hochstrategische und transformative Übernahme", die nun die komplementären Stärken von AMS und Osram zusammen­führen werde. Laut Mitteilung will sich AMS im zusammengeschlossenen Unternehmen künftig auf die drei Bereiche Sensorik, Illumination und Visualisierung konzentrieren.

Dem milliardenschweren Deal waren Monate der Ungewissheit vorausgegangen. Nachdem AMS Ende vergangenen Jahres im zweiten Anlauf die Mindestannahmeschwelle übersprungen hatte und einen Bieterkampf mit Finanzinvestoren für sich entscheiden konnte, sorgte die Corona-Krise bei Marktbeobachtern für Zweifel, ob die Übernahme überhaupt gelingen würde. Zwischenzeitlich waren die Aktienkurse von Osram und AMS abgestürzt. Anfang Juli konnte AMS aber doch Vollzug melden, nachdem die EU-Wettbewerbshüter den Deal ohne Auflagen gebilligt hatten.

Auf Basis seiner Mehrheitsbeteiligung beginnt AMS nun, enger mit Osram zusammenzuarbeiten, etwa mit Blick auf die Vorbereitung der künftigen Organisations- und Geschäftsstruktur. Zudem plant der Konzern, insgesamt vier Sitze im Osram-Aufsichtsrat zu besetzen. Der Münchner Leuchtenhersteller soll eine unabhängige börsennotierte AMS-Tochtergesellschaft bleiben, bis weitere Schritte wie ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen und umgesetzt sind./ruc/eas/mne/fba