MÜNCHEN/PREMSTÄTTEN (dpa-AFX) - Nach der bereits im Juli abgeschlossenen Mehrheitsübernahme des angeschlagenen Lichtkonzerns Osram treibt der österreichische Sensorspezialist AMS die Integration weiter voran. Mit dem Traditionsunternehmen aus München sei nun ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) abgeschlossen worden, teilte AMS am Dienstagabend in Premstätten in der Steiermark mit.

Mit dem erwarteten Schritt will AMS-Chef Alexander Everke seinen Plan umsetzen, gemeinsam mit Osram einen europäischen Weltmarktführer für Sensoriklösungen und Photonik zu schmieden. Osram selbst stellte unterdessen die Anleger für das bald anbrechende neue Geschäftsjahr auf eine deutliche Verbesserung seiner Kennziffern ein.

AMS hält derzeit rund 71 Prozent der Anteile an Osram. Dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag muss von mindestens 75 Prozent der anwesenden Osram-Aktionäre auf einer außerordentlichen Online-Hauptversammlung zugestimmt werden, die am 3. November einberufen wird. Zudem muss ein zuständiges Gericht den BGAV noch eintragen. AMS zeigte sich zuversichtlich, die notwendige Zustimmung der Anteilseigner zu erhalten und bietet ihnen eine Barabfindung in Höhe von 44,65 Euro je Aktie an.

Der BGAV beinhaltet zudem eine jährliche Ausgleichszahlung an die verbliebenen Anteilseigner von 2,24 Euro pro Aktie. Dieser Nettobetrag werde unter Vorbehalt von persönlichen Steuern an die Osram-Aktionäre ausbezahlt.

Kurz nach Handelsbeginn am Mittwochmorgen beflügelten die Nachrichten die Osram-Aktie, die um fast 13 Prozent kletterte. Die an der Schweizer Börse notierten AMS-Papiere legten rund 1,4 Prozent zu. Auf Basis der Brutto-Kompensationszahlung ergebe sich im Vergleich zu den Renditen lang laufender Anleihen anderer Autozulieferer für die Osram-Aktionäre eine sehr attraktive Aktienrendite, sagte ein Händler in einer ersten Reaktion.

Aus Sicht von Everke wird der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag "die schnelle und erfolgreiche Integration von AMS und Osram in ein zusammengeführtes Unternehmen ermöglichen, das profitables Wachstum auf langfristiger Basis bietet". Everke sprach mit Blick auf den Vertrag von einem "wichtigen Schritt".

Von der Abführung künftiger Osram-Gewinne erhofft sich die deutlich kleinere AMS eine Menge. Während die Geschäfte bei den Österreichern derzeit gut laufen, steckt Osram dagegen nicht erst seit der Corona-Krise in Schwierigkeiten. Schon vor der Pandemie bekam der Leuchtenhersteller unter anderem die anhaltend maue Autokonjunktur zu spüren und schrieb zuletzt tiefrote Zahlen.

Allerdings überraschten die Münchner vergangene Woche kurz vor Ablauf ihres Geschäftsjahrs 2019/2020 (Ende September) mit einer neuen und optimistischeren Prognose. So soll Umsatz im Vergleich zum Vorjahr nun etwas weniger stark zurückgehen als bisher angenommen und die bereinigte Marge des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ebenfalls besser ausfallen als zunächst gedacht. Osram begründete dies mit zuletzt wieder besser laufenden Geschäften in China und den USA. Vor allem die Geschäftsbereiche Automotive und Opto Semiconductors hätten von einer verbesserten Lage in den Kernmärkten profitiert, hieß es.

Am Dienstagabend wagte Osram zudem bereits eine Prognose für das am 1. Oktober beginnende neue Geschäftsjahr 2020/2021. Demnach rechnet der Lichtkonzern mit einem vergleichbaren Umsatzwachstum zwischen 6 und 10 Prozent sowie einer bereinigten Marge des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 9 bis 11 Prozent. Damit würde sich Osram bei beiden wichtigen Kennziffern klar verbessern.

Der freie Barmittelzufluss (Free Cashflow) wird zudem im ausgeglichenen bis niedrig zweistellig positiven Millionen-Euro-Bereich erwartet. Der Free Cashflow ist vor allem für Investoren und Analysten wichtig, da er Aufschluss über die Finanzkraft eines Unternehmens gibt. Ist er negativ, wird quasi Geld verbrannt. Osram betonte im Hinblick auf den Ausblick allerdings, dass mögliche wirtschaftliche Folgen einer erneut verschärften Pandemielage darin nicht berücksichtigt seien.

AMS-Chef Everke hatte die Osram-Übernahme gegen Widerstände der IG Metall und des Osram-Betriebsrats durchgesetzt, die unter anderem eine Zerschlagung des Konzerns und einen Stellenabbau befürchten. Dem milliardenschweren Deal waren Monate der Ungewissheit vorausgegangen. Nachdem AMS Ende vergangenen Jahres im zweiten Anlauf die Mindestannahmeschwelle übersprungen hatte und einen Bieterkampf mit US-Finanzinvestoren für sich entscheiden konnte, sorgte die Corona-Krise bei Marktbeobachtern bis in den Sommer für Zweifel, ob die Übernahme überhaupt gelingen würde.

Zwischenzeitlich waren die Aktienkurse von Osram und AMS abgestürzt. Anfang Juli konnte AMS aber doch Vollzug melden, nachdem die EU-Wettbewerbshüter den Deal ohne Auflagen gebilligt hatten./eas/tav/stk