Der TV-Konzern sei ein "Kartenhaus", überschrieb das Analysehaus Viceroy Research Group sein 37-seitiges Urteil über ProSieben in Anspielung auf die US-Fernsehserie "House of Cards". Die Aktie sei nur ein Viertel des aktuellen Kurses wert, ProSieben brauche angesichts seiner Probleme eine Kapitalerhöhung oder müsse die Dividende streichen. Viceroy-Gründer Fraser Perring räumte ein, dass sein Haus auf fallende Kurse bei ProSiebenSat.1 gewettet habe. Die Aktie brach nach Veröffentlichung der Studie binnen Minuten um bis zu acht Prozent auf 27,56 Euro ein. Das Unternehmen wehrte sich gegen die Vorwürfe: Sie seien Teil einer Short-Seller-Attacke, seien "unbegründet und verzerren die Realität".

Die Kritik trifft ProSiebenSat.1 am Tag nachdem feststeht, dass der Medienkonzern aus Unterföhring bei München nach zwei Jahren den Leitindex Dax wieder verlassen muss. An den Prognosen für das laufende Jahr gebe es nichts zu rütteln, sagte eine Sprecherin. Viceroy habe den Konzern vor dem Verfassen des Berichts nicht kontaktiert. Mit den einzelnen Vorwürfen werde man sich noch auseinandersetzen.

Ins Visier genommen hat Viceroy vor allem das Modell von ProSiebenSat.1, jungen Unternehmen kostenlose TV-Werbezeiten einzuräumen, sie damit hochzupäppeln und sich im Gegenzug an ihnen zu beteiligen. Der Studie zufolge hat ProSiebenSat.1 den Gewinn damit um mehr als 200 Millionen Euro aufgebläht. Massive Abschreibungen drohten, warnte Viceroy. "Meiner Ansicht nach ist das pure Verzweiflung, weil ihr Kerngeschäft zu kämpfen hat", sagte Perring. Man könne ein- oder zweimal mit den Beteiligungen Glück haben, "aber die Geschichte spricht für sich". ProSieben verteidigte das Vorgehen: "Wir verfolgen unsere Drei-Säulen-Strategie, die die synergetische Diversifikation und digitale Transformation vorantreibt", sagte die Sprecherin.

Das klassische Fernseh-Werbegeschäft wächst kaum noch, die jungen Zuschauer wandern ins Internet ab. Die neuen Sparten wie Produktion und E-Commerce, mit denen der Konzern die Einbußen langfristig wettmachen will, machen zwar inzwischen die Hälfte vom Umsatz aus, werfen aber längst nicht so viel Gewinn ab. Neue Kapitalgeber sollen den beiden Geschäftsfeldern mehr Schlagkraft verleihen. Für die Internet-Beteiligungen hat ProSiebenSat.1 vor kurzem den Finanzinvestor General Atlantic gewonnen. Er zahlt 300 Millionen Euro und soll das Geschäft internationalisieren.

Für Viceroy kämpft ProSieben einen aussichtslosen Kampf. "Man hat es mit zwei Kannibalen zu tun: Amazon und Netflix. Wer keinen davon nutzt, ist älter als 65", sagte Perring. ProSieben wachse nur in dieser Altersgruppe. "Das ganze Geschäftsmodell ist auf dem absteigenden Ast." Es sei bezeichnend, dass binnen eines Jahres 14 Manager das Haus velassen hätten, die meisten davon aus dem Finanzbereich. "Es scheint, als wären die Leute von Bord gegangen, die sich am besten mit der wahren finanziellen Lage von ProSieben auskennen", heißt es in der Studie.

Viceroy hatte sich mit einer Studie einen Namen gemacht, in der die Bilanzierung des südafrikanisch-deutschen Möbelriesen Steinhoff infrage gestellt wurde. Steinhoff räumte kurz darauf Unregelmäßigkeiten ein, woraufhin die Aktie einbrach. Mit einer Studie über die südafrikanische Bank Capitec war Viceroy kürzlich auf erbitterten Widerstand gestoßen. Die Bank wehrte sich gegen die Vorwürfe, wonach sie Kreditausfälle verschleiere. Die südafrikanische Finanzaufsicht ermittelt gegen die Analysten wegen möglichen Marktmissbrauchs.