BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts anhaltend hoher Todeszahlen wächst die Kritik an der Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Das gilt vor allem für die Impfkampagne, die aus Sicht von Opposition und SPD nicht schnell genug vorankommt.

Um eine Entwicklung wie in Großbritannien zu vermeiden, wo eine wahrscheinlich deutlich ansteckendere Variante des Virus zu einem enormen Anstieg von Neuinfektionen geführt hatte, beschloss das Kabinett am Mittwoch eine Verordnung, die strengere Regeln für Corona-Tests bei Einreisen aus Risikogebieten vorsieht. In Deutschland ist diese Virus-Variante laut Gesundheitsministerium bisher nur "in Einzelfällen" nachgewiesen worden.

Im Bundestag hielten Politiker der Opposition Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, er habe bei der Organisation der Covid-19-Schutzimpfung versagt. Allerdings stehen beim Thema Impfen auch die Länder in der Verantwortung. Denn sie müssen vor Ort dafür sorgen, dass Menschen, die schon einen Anspruch auf eine Impfung haben, diesen auch wahrnehmen können - und dass kein Impfstoff vergeudet wird, etwa weil Anspruchsberechtigte nicht kommen.

Die Logistik und das Tempo der Impfungen seien beschämend, sagte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Der Impfstart sei von der Regierung verstolpert worden. Die Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, nahm die Aussage des Gesundheitsministers auf, dass es bei der großen Impfaktion am Anfang ruckeln könne, und fragte: "Wann hört es auf zu ruckeln?"

"Diese größte Impfaktion unserer Geschichte ist eine Gemeinschaftsaufgabe", sagte Spahn. "Kein Land, keine Partei, keine Regierung kann allein dieses Virus besiegen, es geht nur gemeinsam." Dies könne auch nur gelingen, wenn über das Jahr hinweg die allermeisten Bürger bereit seien, sich impfen zu lassen. Die Corona-Impfungen in Deutschland hatten vor gut zwei Wochen begonnen. Einsetzbar sind inzwischen zwei zugelassene Impfstoffe.

Wer in den letzten zehn Tagen in einem Risikogebiet war, soll künftig spätestens 48 Stunden nach Einreise einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. Das sieht eine neue Verordnung vor, die ab diesem Donnerstag gilt. Bei Gebieten mit besonders hohen Infektionszahlen oder wenn dort neue ansteckendere Virus-Varianten kursieren, muss das Testergebnis schon vor der Einreise da sein und etwa auch der Fluggesellschaft vorgelegt werden können.

Spahn sagte: "Auslandsreisen in Risikogebiete passen nicht zur Pandemielage. Wer trotzdem darauf nicht verzichten will, muss sich künftig bei seiner Rückkehr testen lassen." Virus-Mutationen seien eine zusätzliche Gesundheitsgefahr, daher müsse eine Ausbreitung in Deutschland so weit wie möglich verhindert werden. Welches Gebiet in welche Kategorie fällt, soll jeweils aktuell auf der Website des Robert Koch-Instituts (RKI) zu finden sein.

Kritik übten Linke, FDP und Grüne auch an der Verzögerung der Novemberhilfen für von der Schließung betroffene Betriebe. Das Wirtschaftsministerium hatte am Dienstag angekündigt, dass die Auszahlung nun starte. "Novemberhilfen! Wir haben jetzt Januar 2021", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Sie forderte zudem mehr Klarheit für die Bürger bei den Impfungen: "Es kann nicht sein, dass die Enkelin das Internet durchforsten muss, damit der 80-jährige Großvater einen Impftermin bekommt." Viele der aktuell geltenden Regeln seien außerdem völlig "lebensfremd". Es sei widersinnig, dass Geschwister nicht gemeinsam zur Oma dürften, während Büros geöffnet blieben.

Die AfD warf der Bundesregierung vor, in der Corona-Krise Panik zu schüren. "Beenden Sie endlich diesen unverhältnismäßigen Lockdown", sagte der Abgeordnete Sebastian Münzenmaier und forderte stattdessen mehr Schutz von Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) mahnte klare Aussagen zu den Impfstofflieferungen an. "Es wäre für uns alle eine Katastrophe, die vulnerablen Gruppen einzuladen, sie bekommen einen Termin, sie stehen vor dem Impfzentrum, aber der Impfstoff ist nicht da", sagte er im Bundestag.

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 19 600 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 1060 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI bekanntgab. Der Höchststand von 1188 neuen Todesfällen war am Freitag erreicht worden.

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Mittwochmorgen bei 155,0. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind enorm: Die höchsten Inzidenzen hatten Thüringen mit 324,2 und Sachsen (304,4). Den niedrigsten Wert hatte Bremen mit 83,7.

"Der über die Feiertage und den Jahreswechsel beobachtete Rückgang der 7-Tage-Inzidenzen setzt sich nicht weiter fort", hieß es im RKI-Lagebericht vom Dienstagabend. "Stattdessen sind in allen Altersgruppen, vor allem in den jüngeren Altersgruppen (zw. 15 und 39 Jahren) deutliche Anstiege zu beobachten."/jr/sam/csd/DP/fba