BERLIN (dpa-AFX) - Wegen der angespannten Corona-Lage in Pflegeheimen appelliert die Bundesregierung an die Betreiber von Pflegeeinrichtungen, verstärkt auch Azubis als Helfer einzusetzen. "Bereits im ersten Ausbildungsjahr können sie in der derzeitigen Situation zur Entlastung des Pflegepersonals, etwa nach entsprechender Einweisung bei der Durchführung von Testungen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Angehörigen oder bei den Vorkehrungen der Hygiene- und Schutzmaßnahmen, beitragen", heißt es in einem gemeinsamen Schreiben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) an Verbände und Akteure im Pflegebereich, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die dynamische Pandemielage erfordere ein hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft. "Wir möchten Sie daher eindringlich bitten zu prüfen, ob ggf. auch Auszubildende noch stärker zur Unterstützung und Entlastung des Pflegepersonals in den Einrichtungen eingesetzt werden können", heißt es weiter. Die Minister schlagen dafür vor, schulische Ausbildungsabschnitte zu verschieben oder die Reihenfolge der praktischen Ausbildungsabschnitte bei Azubis umzuplanen.

Das Schreiben von Giffey und Spahn ging unter anderem an den Verband Deutsche Alten- und Behindertenhilfe, den Deutschen Pflegerat, an Wohlfahrtsverbände und den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Dessen Präsident Bernd Meurer nannte die Vorschläge "so vernünftig wie selbstverständlich". "Auszubildende können die Beschäftigten entlasten. Nach einer entsprechenden Einweisung ist auch ein Einsatz als Testhelfer möglich", sagte er der dpa.

Um mehr Tests in Pflegeeinrichtungen zu ermöglichen, deren Bewohner zu den besonders gefährdeten Gruppen in der Pandemie zählen, werden über die Bundesagentur für Arbeit außerdem Freiwillige gesucht. Es kommen auch Bundeswehrsoldaten zum Einsatz, um das Personal zu entlasten.

Scharfe Kritik an Spahns und Giffeys Vorschlägen kam vom Deutschen Pflegerat, der verschiedene Verbände aus dem Pflegebereich vertritt. "Pflegeeinrichtungen brauchen keine Verzweiflungstaten, sondern ernst gemeinte, umsetzbare Vorschläge, um die Aufgaben vor Ort bewältigen zu können", sagte Vize-Präsidentin Christine Vogler. Sie nannte den Vorstoß "kontraproduktiv und unverantwortlich". Die Ausbildung in der Pflege büße bereits jetzt unter den erschwerten Bedingungen an Qualität ein.

Auch die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Westig äußerte sich kritisch. Der Vorschlag konterkariere alle Bemühungen, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten, sagte sie der dpa mit Blick auf die Idee, in der Ausbildung schulische Abschnitte zu verschieben, um Azubis als Helfer einzusetzen./jr/DP/fba