Scharm el-Scheich/Berlin (Reuters) - Nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon hat die Weltklimakonferenz ein Scheitern abgewendet und eine Einigung erzielt.

Die rund 200 Teilnehmerstaaten verständigten sich am Sonntag im ägyptischen Scharm el-Scheich darauf, einen Fonds zur finanziellen Unterstützung ärmerer Länder einzurichten, die von Folgen der Erderwärmung besonders hart betroffen sind. Bekräftigt wurde zudem die Vorgabe, die Kohlenutzung herunterzufahren. Der von einigen Ländern geforderte Abschied von sämtlichen fossilen Brennstoffen, also auch von Öl und Gas, floss in den Abschlusstext jedoch nicht ein.

Zahlreiche Teilnehmer und Beobachter lobten das Bekenntnis zu dem Entschädigungsfonds, auch wenn die Klärung strittiger Fragen, wie etwa wer in den Topf einzahlen soll, auf kommendes Jahr verschoben wurde. Doch es wurde auch deutliche Kritik laut, weil sich die Konferenz (COP27) nicht darauf einigen konnte, die Staaten bei der Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase stärker in die Pflicht zu nehmen. "Dies ist das entscheidende Jahrzehnt, aber was uns vorliegt, ist kein ausreichender Schritt nach vorne für die Menschen und den Planeten", sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans.

"Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander", erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Bei der Klimagerechtigkeit habe man nach Jahren des Stillstands einen Durchbruch geschafft. Aber: "Dass aufgrund der Blockade von einigen Staaten überfällige Schritte zur Emissionsminderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert wurden, ist mehr als frustrierend." Die Welt verliere dadurch kostbare Zeit, das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. "Europa und die am meisten betroffenen Länder haben sich für deutlich mehr Verbindlichkeit eingesetzt. Eine Allianz vor allem von ölreichen Staaten und großen Emittenten hat das verhindert und uns unnötige Steine in den Weg Richtung 1,5 Grad gelegt."

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte, die Konferenz habe bei der Klimaschutzambition keine nennenswerten Fortschritte erzielt. Dass die Verhandlungen zur Klimafinanzierung und zur Klimaanpassung erneut hinter den Erwartungen der Entwicklungsländer zurückgeblieben seien, sei "dramatisch". Zudem müssten Unternehmen als wichtiger Teil der Lösung angesehen werden: "Es ist zentral, dass sich die Wirtschaft am internationalen Klimaprozess mit Blick auf Minderung, Anpassung und Klimafinanzierung aktiv beteiligen darf."

Die Grünen forderten von ihren Koalitionspartnern nun ein höheres Tempo im Kampf gegen die Erderwärmung. Fraktionsvize Julia Verlinden verlangte laut "Welt" vor allem von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mehr Initiative. "Insbesondere für den Verkehrssektor erwarte ich von Minister Wissing wirksame Vorschläge, wie die Lücke rasch zu schließen ist, damit auch dieser Sektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet." Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, forderte seinerseits, "dass die deutsche Klima-Außenpolitik mit dem Klimaclub in den kommenden zwölf Monaten bis zur nächsten COP wichtige Impulse in der Zusammenarbeit zwischen den Staaten setzen muss".

UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, dass der angestrebte Fonds wichtig sei. "Aber er ist keine Antwort darauf, wenn die Klimakrise einen kleinen Inselstaat von der Landkarte spült - oder ein ganzes afrikanisches Land in eine Wüste verwandelt." Die Welt müsse ihre Klimaambitionen deutlich verstärken.

"ABSCHLUSSTEXT REICHT NICHT"

Die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, sagte vor dem Plenum der Konferenz, sie erkenne an, dass auf der COP27 Fortschritte gemacht worden seien. Aber "wir haben bei der Minderung (von Emissionen) versagt". Die Klimabeauftragte der Marshallinseln, Kathy Jetnil-Kijiner, erklärte, sie sei erschöpft, aber glücklich, dass dem Fonds zugestimmt worden sei. "So viele Leute haben uns diese Woche gesagt, dass wir es nicht hinbekommen würden. Ich bin so froh, dass sie sich geirrt haben." Sie bedauerte jedoch, dass kein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vereinbart worden sei. "Der aktuelle Text reicht nicht aus."

Die zweiwöchige Konferenz im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich sollte eigentlich nur bis Freitag dauern, wurde aber kurzfristig verlängert, weil es den Teilnehmern nicht gelungen war, rechtzeitig einen gemeinsamen Beschluss zu fassen. Im Vordergrund des diesjährigen Treffens stand das Thema Verluste und Schäden infolge des Klimawandels. Mehr als 130 ärmere Länder hatten einen neuen Fonds gefordert, der ihnen bei der Bewältigung der irreparablen Schäden durch Überschwemmungen, Dürren und andere klimabedingte Auswirkungen helfen soll.

Der jetzt verabschiedete Text der COP27 sieht vor, einen solchen Fonds einzurichten. Wie er finanziert werden soll, steht jedoch noch nicht fest. Die EU hatte am Donnerstag vorgeschlagen, dass auch wichtige Schwellen- und Industrieländer in den Finanztopf einzahlen sollen. Schwellenländer mit hohen Emissionen wie etwa China müssten dann ebenfalls einen Beitrag zum Fonds leisten, statt nur die reichsten Länder, die in der Vergangenheit am meisten zur Erderwärmung beigetragen haben.

(Bericht von William James, Christian Rüttger und Rene Wagner, redigiert von Jörn Poltz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)