MÜNCHEN (awp international) - Die knapp einwöchige Blockade des Suezkanals kann für die Versicherungsbranche eine lange Kette teurer Schadenansprüche nach sich ziehen. Nach Einschätzung der Allianz in München sind eine ganze Reihe verschiedener Schadenmeldungen und -ansprüche denkbar, die die Versicherungsbranche treffen könnten. Dazu gehören unter anderem mögliche Ansprüche der Kanalbetreiber und Ansprüche der vielen Schiffe, die tagelang im Kanal festsassen, schreibt Régis Broudin, der für Seefahrtschadenmeldungen zuständige Manager der Allianz-Tochter AGCS. "Für die AGCS ist derzeit noch nicht abzusehen, ob und in welcher Höhe wir von Schadenbelastungen durch diesen Vorfall betroffen sein werden", sagte eine Sprecherin des Unternehmens in München.

Die Ratingagentur Fitch geht davon aus, dass am Ende bei den Rückversicherern - also den Unternehmen, bei denen sich Versicherungen ihrerseits absichern - weltweit Ansprüche in dreistelliger Millionenhöhe auflaufen könnten. Laut Fitch können die Rückversicherungen die finanziellen Folgen jedoch gut verkraften, unter anderem, weil nach Einschätzung der Ratingagentur steigende Preise in der Rückversicherung eine Folge des Staus sein werden.

Haftpflichtversichert sind Frachtschiffe üblicherweise über sogenannte "Protection & Indemnity Clubs". Das sind Zusammenschlüsse mehrerer Versicherer, die sich die Risiken teilen. Für die "Ever Given" ist das nach Meldungen der Fachpresse der britische UK P&I Club, der jedoch bislang keine Schadenschätzung publiziert hat.

Nach verschiedenen Meldungen steckten zwischenzeitlich an beiden Enden des Kanals über 300 Schiffe im Stau. Darüber hinaus haben mehrere Reedereien grosse Schiffe bereits auf den wesentlich längeren Seeweg um das südliche Afrika umgeleitet. Auch diese Schiffe werden Europa beziehungsweise Asien also mit Verspätung erreichen.

Versichert ist zunächst das am Montag wieder frei geschleppte Frachtschiff "Ever Given", das 20 000 Container transportiert. Derzeit wird geprüft, ob Rumpf und Maschinen beschädigt wurden. Die Kanalbehörde Suez Port Authority könnte nach Einschätzung der Allianz unter Umständen Schadenansprüche wegen einer Beschädigung des Kanals und entgangener Einnahmen anmelden.

Abgesehen von den vielen unterschiedlichen Beteiligten in der Schifffahrtsbranche sind auch Schadenmeldungen der Unternehmen möglich, die Ware und Produkte über eines der verspäteten Schiffe verschickt haben - beziehungsweise nun als Empfänger auf verspätete Lieferungen warten. Sollte es etwa zu Betriebsunterbrechungen in Fabriken kommen, weil für die Produktion notwendige Teile fehlen, kann auch das Schadenmeldungen nach sich ziehen./cho/DP/jha