Der Mehrheitseigentümer von Autostrade per l'Italia (ASPI), die Infrastruktur-Holding Atlantia, erklärte die Bereitschaft zum Rückzug und beugte sich damit dem Druck der Regierung, die mit dem Entzug der Maut-Konzession gedroht hatte. Die Mehrheit an ASPI soll die Staatsbank CDP übernehmen, wie die Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte am Mittwoch nach einer sechsstündigen Nachtsitzung des Kabinetts mitteilte. "Das öffentliche Interesse überwog gegenüber anerkannten privaten Interessen", schrieb Conte auf Facebook. An ASPI ist auch der Münchner Versicherungsriese Allianz beteiligt.

Auslöser des seit zwei Jahren schwelenden Streits um die lukrative Lizenz für ASPI war der Einsturz einer Autobahnbrücke bei Genua, bei dem 43 Menschen ums Leben kamen. Die Regierung warf dem Autobahnbetreiber Versäumnisse bei der Instandhaltung des 3000 Kilometer langen Mautstraßennetzes vor und gab ihm eine Mitschuld an dem Unglück. Ein Dorn im Auge ist der Koalition des parteilosen Ministerpräsidenten Conte vor allem die Beteiligung der Milliardärsfamilie Benetton, die mit 30 Prozent der größte Aktionär von Atlantia ist. Gemäßigte Mitglieder der Regierung hatten bei einem Entzug der bis 2038 laufenden Maut-Konzession vor milliardenschweren Schadenersatz-Forderungen des Betreibers an den Staat gewarnt.

Nach dem Vorschlag von ASPI und Atlantia soll die Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) über eine Kapitalerhöhung zunächst mit 51 Prozent bei ASPI einsteigen. Der Mautbetreiber soll nach Angaben der Regierung dann an die Börse gebracht werden. Die Benettons würden dann allenfalls noch einen kleinen Anteil an ASPI halten. Alternativ bietet Atlantia an, seine gesamte Beteiligung sofort an die CDP und institutionelle Investoren zu verkaufen. Zudem sei ASPI bereit, 3,4 Milliarden Euro Entschädigung zu bezahlen, Abstriche bei den Mauttarifen zu machen und auf Rechtsmittel zu verzichten. "Das Unternehmen hat zugesagt, viel Geld in das Autobahnnetz und dessen Erhaltung zu investieren", erklärte die Regierung.

"Benetton hat die Forderungen der Regierung akzeptiert", sagte ein Minister, der ungenannt bleiben wollte. "Nun geht es um die Einzelheiten." Um einen Konzessionsentzug zu vermeiden, brauche es eine klare und transparente Vereinbarung, schrieb Ministerpräsident Conte. Industrieminister Stefano Patuanelli sagte, Atlantia werde binnen eines Jahres nicht mehr Eigentümer von ASPI sein. Die ersten Schritte seien bereits im September zu erwarten.

WAS MACHT DIE ALLIANZ?

Bei einem Entzug der Konzession würde dem Autobahnbetreiber die Pleite drohen. Ohne die Mauteinnahmen könnte Autostrade die Anleihen über zehn Milliarden Euro nicht mehr bedienen, über die sich das Unternehmen hauptsächlich finanziert. Atlantia-Aktien, die unter dem Eindruck von Contes Drohungen abgestürzt waren, sprangen am Mittwoch um 27 Prozent nach oben.

Welche Folgen die Teilverstaatlichung für die Allianz hat, ist offen. Der Versicherer hatte sich als Kapitalanlage knapp ein Jahr vor dem Unglück als Teil eines Konsortiums mit gut 600 Millionen Euro an ASPI beteiligt; zusammen mit der französischen EdF und dem niederländischen Fonds DIF hält die Allianz knapp sieben Prozent. Rund 200 Millionen Euro hat sie nach dem Brückeneinsturz bereits abgeschrieben. Weitere fünf Prozent an ASPI liegen beim chinesischen Staatsfonds Silk Road. Ob für die Allianz nach dem Rückzug von Atlantia auch eine Aufstockung des Anteils infrage käme, wollte eine Sprecherin nicht sagen.