(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Gewinnaussichten, Dividende, Corona-Schäden, Einbruch beim Verkauf von Lebensversicherungen, Folgen weiterer Lockdowns, aktualisierte Kursreaktion.)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die Corona-Krise hat bei der Allianz im Sommer überraschend wenig Spuren hinterlassen. Dennoch rang sich der Vorstand zu keiner neuen Gewinnprognose für das laufende Jahr durch. So rechnet Finanzchef Giulio Terzariol wegen der neuen Lockdowns in vielen Ländern mit weiteren Versicherungsschäden etwa durch die Schließung von Restaurants. Auch neue Turbulenzen an den Finanzmärkten hält er für denkbar. Allzu groß seien seine Sorgen aber nicht, sagte er am Freitag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten: "Die zweite Welle wird uns nicht so treffen wie die im ersten Quartal."

Allianz-Chef Oliver Bäte hatte seinen ursprünglichen Plan, in diesem Jahr einen operativen Gewinn von 11,5 bis 12,5 Milliarden Euro zu erzielen, Ende April zurückgezogen. Analysten rechneten zuletzt mit gut 10 Milliarden Euro. Dazu passt, dass die Allianz in den ersten neun Monaten ein operatives Ergebnis von knapp 7,8 Milliarden Euro erzielt hat - knapp 15 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Terzariol ließ sich auch keine grobe Prognose entlocken. Um die Dividende für 2020 sollten sich die Allianz-Aktionäre jedoch keine Sorgen machen. Die Allianz werde voraussichtlich wie für 2019 je Aktie 9,60 Euro an die Anteilseigner ausschütten. Das bereits ausgesetzte Aktienrückkaufprogramm wird indes endgültig eingestellt.

An der Börse wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Die Allianz-Aktie legte am Morgen um fast drei Prozent zu, gab ihre Kursgewinne aber später weitgehend wieder ab, als der Dax ins Minus drehte. Mit einem Plus von 1,13 Prozent auf 168,38 Euro war das Papier um die Mittagszeit immer noch zweitstärkster Wert im deutschen Leitindex. Seit dem Jahreswechsel hat die Aktie fast ein Viertel eingebüßt.

Branchenexperten zeigten sich von den Quartalszahlen durchweg positiv überrascht. Dass die Allianz den Aktienrückkauf nun einstellt, fand JPMorgan-Analyst Ashik Musaddi wegen der zweiten Pandemiewelle nicht allzu überraschend.

Im dritten Quartal verdiente die Allianz trotz der Krise unter dem Strich 2,1 Milliarden Euro und damit rund sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das lag auch an guten Geschäften mit Kapitalanlagen. Zudem lief es in allen Geschäftsbereichen besser als von Analysten erwartet. Der operative Gewinn ging konzernweit zwar um knapp drei Prozent auf 2,9 Milliarden Euro zurück, übertraf aber ebenfalls die Erwartungen von Branchenexperten. Das lag auch daran, dass die Corona-Krise das Ergebnis nur mit rund 100 Millionen Euro belastete.

In den ersten neun Monaten schlugen die Folgen der Pandemie bei der Allianz jedoch mit insgesamt 1,3 Milliarden Euro zu Buche. Davon entfielen rund 900 Millionen Euro auf Versicherungsschäden, wie Finanzvorstand Terzariol aufschlüsselte. Der Rest der Belastung entstand durch die coronabedingten Turbulenzen an den Finanzmärkten.

Während die Pandemie in den Sommermonaten kaum am Allianz-Gewinn zehrte, bekam der Konzern die Zurückhaltung seiner Kundschaft deutlich zu spüren. In Deutschland verkaufte der Branchenprimus im dritten Quartal neue Lebensversicherungen mit einem Neugeschäftswert von 117 Millionen Euro, ein Minus von fast 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den USA und auch in Italien fielen die Rückgänge ähnlich hoch aus. Ein Plus gab es lediglich im asiatisch-pazifischen Raum.

Insgesamt sanken die Beitragseinnahmen der Allianz in der Sparte Leben/Kranken um 9,4 Prozent auf 16,8 Milliarden Euro. Im Vorjahr sei das Geschäft mit Lebensversicherungen aber besonders gut gelaufen, sagte Terzariol. Er sei zuversichtlich, dass die Allianz hier künftig wieder gute Zahlen sehen werde.

Konzernweit musste die Allianz im dritten Quartal dadurch einen Umsatzrückgang um sechs Prozent hinnehmen. Allerdings war der Bereich Lebens- und Krankenversicherung der einzige, der seinen operativen Gewinn steigern konnte - nämlich um rund drei Prozent auf gut 1,1 Milliarden Euro.

In der größten Sparte, dem Schaden- und Unfallgeschäft, sank der operative Gewinn um gut zwei Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Allerdings hatte die Allianz hier im ersten Halbjahr einen deutlich stärkeren Rückgang verbucht. Zwar schlugen Versicherungsschäden infolge der Pandemie in der Sparte auch im Sommer negativ zu Buche, allerdings musste der Versicherer zugleich weniger Schäden durch Naturkatastrophen begleichen.

Die Allianz versucht sich derweil mit neuen Vertragsklauseln davor zu schützen, dass sie noch einmal für die flächendeckende Schließung von Betrieben finanziell geradestehen muss. "Entweder sind die Policen schon umgestellt oder werden noch umgestellt", sagte Terzariol. So bietet die Allianz ihren Kunden seit Oktober neue Verträge an. Stimmen sie nicht zu, werden die laufenden Kontrakte zum Ende der Laufzeit gekündigt. Laut Terzariol gehen andere Versicherer ähnlich vor. Künftige Lockdowns würden die Branche daher deutlich weniger stark treffen als die ersten in diesem Jahr.

Anlass der Umstellung sind zahlreiche Klagen gegen Versicherer nach den Schließungen von Hotels und Gaststätten während der Corona-Krise. Allein die Allianz sieht sich derzeit rund 140 solcher Streitigkeiten gegenüber. Sie betrachtet die Fälle als nicht abgedeckt, die Kläger sehen das anders. Vor Gericht wurden die Versicherungsbedingungen teilweise als zu unklar kritisiert - nicht nur bei der Allianz.

Gut lief es unterdessen für die Investmentfonds der Allianz-Tochter Pimco. Das Unternehmen aus Kalifornien sammelte im dritten Quartal gut 27 Milliarden Euro frisches Geld von Investoren ein. Bei der zweiten Fondstochter Allianz Global Investors (AGI) zogen Anleger hingegen netto 1,5 Milliarden Euro ab. Trotz des insgesamt hohen Mittelzuflusses sank der operative Gewinn des gesamten Allianz-Fondsgeschäfts um knapp vier Prozent auf 677 Millionen Euro. Die Allianz erklärte dies unter anderem mit geringeren erfolgsabhängigen Provisionen.

Bäte zeigte sich angesichts der jüngsten Ergebnisse "zuversichtlich, die Covid-19-Krise gut zu bewältigen". Wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten rund um die Pandemie hält der Vorstand jedoch das Geld des Konzerns vorerst zusammen und stellt den bereits ausgesetzten Rückkauf eigener Aktien ein. Eigentlich hatte die Allianz auf diese Weise noch 750 Millionen Euro an die Anteilseigner zurückgeben wollen./stw/cho/men/stk