Ein Münchner Gastwirt hat eine Millionensumme als Entschädigung für die staatlich verordnete Schließung seines Lokals in der Corona-Krise erzwungen.

Das Landgericht München I verurteilte die Versicherungskammer Bayern (VKB) am Donnerstag zur Zahlung von 1,01 Millionen Euro an Christian Vogler, den Betreiber des Augustinerkellers, eines der größten Biergärten der Stadt. Es ist das erste Urteil in einer Reihe von Verfahren im Streit um die Gültigkeit von Betriebsschließungsversicherungen, wenn ein Restaurant - wie im Frühjahr - zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus schließen muss. Allein in München sind 86 Klagen anhängig, darunter mehrere gegen Marktführer Allianz. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die VKB kündigte Berufung an.

Vogler zeigte sich zufrieden. "Ganz Deutschland wird davon profitieren", sagte er nach der Urteilsverkündung. Er habe weniger für sich gekämpft als für viele andere Wirte, die sich keine Prozesse leisten könnten. "Es geht um die Existenz von Betrieben." Er habe noch davon profitiert, dass die Augustiner-Brauerei ihm während der Schließung die Pacht erlassen habe. Der Versichererverband GDV betonte, das Urteil aus München sei kein Präjudiz für andere Verfahren. Es komme auf jeden Einzelfall an, die Versicherungsbedingungen seien sehr unterschiedlich. Klar sei aber: "Wir müssen von vornherein noch klarer kommunizieren, was versichert ist und was nicht." Eine Expertengruppe arbeite daran.

Das Münchner Landgericht hat aber auch im Rechtsstreit der Betreiber des Traditionslokals "Nockherberg" gegen die Allianz erkennen lassen, dass es auf der Seite der Wirte steht. Ein Urteil soll am 22. Oktober fallen. Dann geht es sogar um 1,1 Millionen.

"ÄUßERST INTRANSPARENT"

Augustinerkeller-Wirt Vogler hatte die Police bei der VKB erst Anfang März abgeschlossen, wenige Tage vor dem "Lockdown". Doch als er wirklich schließen musste, wollte der Versicherer nicht für den Umsatzausfall zahlen. Doch dessen Argumente ließ Richterin Susanne Laufenberg nicht gelten. "Die Versicherungsbedingungen sind äußerst intransparent", sagte sie in der Urteilsbegründung. Ein Gastwirt müsse nicht wissen, was genau im Infektionsschutzgesetz stehe. Zudem habe die VKB ihren Vertrieb ausdrücklich darauf hingewiesen, dass coronabedingte Schließungen abgedeckt seien. Vogler müsse sich auch staatliche Hilfen nicht auf die Entschädigungssumme anrechnen lassen. Kurzarbeitergeld stehe den Arbeitnehmern zu und nicht dem Wirt, und die Liquiditätshilfen stünden allen Unternehmen offen - ob sie schließen mussten oder nicht.

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte in der Coronakrise mit mehreren Versicherern um Allianz und VKB einen Vergleich ausgehandelt, wonach diese Restaurant- und Hotel-Besitzern 15 Prozent der vereinbarten Summe zahlten. 70 Prozent des Schadens seien ohnehin durch staatliche Leistungen abgedeckt. Nach Angaben der Allianz sind drei Viertel darauf eingegangen, allein der Marktführer hat nach eigenen Angaben fast 100 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Ein VKB-Sprecher sagte, man habe Vogler bereits drei Vergleichsangebote gemacht und sei auch weiter dazu bereit. Er will sich aber nicht darauf einlassen. Vorwürfe des Wirts, die Allianz habe Druck auf andere Versicherer ausgeübt, wiesen die VKB und die Allianz zurück.

In Großbritannien waren Verhandlungen großer Versicherer mit der Aufsichtsbehörde FCA über einen Vergleich am Mittwochabend gescheitert. In einem von der FCA angestrengten Musterverfahren zum Umgang mit Betriebsunterbrechungs-Policen in der Pandemie gegen acht große Versicherer hatte der High Court in London zum großen Teil deren Kunden Recht gegeben. Nun soll eine Anhörung am Freitag in London den Weg für einen Berufungsprozess vor dem Supreme Court ebnen. Dort geht es um Ansprüche von rund 370.000 Mittelständlern, die sich auf Milliarden summieren.