HERZOGENRATH (dpa-AFX) - Beim Hightech-Maschinenbauer Aixtron läuft es weiter rund. Die Anlagen des MDax-Konzerns stellen Schlüsselkomponenten für die Halbleiterindustrie her, und so profitiert das Unternehmen von Megatrends wie Elektromobilität, Autonomes Fahren, Alternative Energien, 5G-Mobilfunk und dem Internet der Dinge. Mit Micro-Leds rückt nun der nächste große Trend in den Fokus. Was bei Aixtron los ist, was Experten sagen und wie sich die Aktie entwickelt.

DAS IST LOS BEI AIXTRON:

Immer schnellere Datenübertragung, 3D-Sensoren, Led-Displays und energieeffiziente Elektronikchips - all das macht der 1983 gegründete Anlagenbauer mit seinen knapp 740 Mitarbeitern möglich. Die Maschinen des Konzerns bringen hauchdünne Schichten verschiedener Materialien wie Galliumarsenid, Indiumphosphid und Galliumnitrid Atom für Atom auf Träger auf. Anders als klassische Computerprozessoren aus Silizium bestehen diese Halbleiter aus mindestens zwei verschiedenen Elementen. Daher rührt auch ihr Name: Verbindungshalbleiter.

Ihr Vorteil: Elektronen können sich in ihnen sehr schnell bewegen, weshalb daraus gefertigte Bauelemente etwa die sehr hohen Frequenzen im Mobiltelefon gut "verarbeiten". Außerdem funktionierten sie auch noch bei sehr hohen Temperaturen und vor allem: Sie könnten Licht effizient in elektrischen Strom umwandeln und umgekehrt. Das ebnet den Weg für Hochleistungssolarzellen und alle Leuchtdioden (Led).

All diese Branchen kommen damit kaum an Aixtron vorbei. Bei sogenannten MOCVD-Anlagen baute das Unternehmen seine ohnehin führende Marktstellung 2021 weiter aus. Laut dem Research-Unternehmen Gartner wuchs der Anteil im vergangenen Jahr von 58 auf 75 Prozent, wie Aixtron jüngst mitteilte. Das ist der sechste Anstieg in Folge.

Aixtron ist somit einer der großen Profiteure des Digitalisierungsbooms, den die Corona-Krise zusätzlich befeuerte. Aber auch der 5G-Mobilfunk, die Verbreitung von Elektroautos und immer neue Technik in Smartphones bringen dem Unternehmen Rückenwind. So verbaut Apple in seinen iPhones auch sogenannte Lidar-Scanner, um mithilfe von Laserchips Entfernungen und Raumtiefe zu messen.

Zuversichtlich blickt die Unternehmensführung um Aixtron-Chef Felix Grawert denn auch auf das laufende Jahr. Der Umsatz soll auf 450 bis 500 Millionen Euro wachsen, nach 429 Millionen im Jahr 2021 und 269 Millionen im Jahr 2020. Als operatives Ergebnis (Ebit) 2022 sollen von den Erlösen 21 bis 23 Prozent hängen bleiben.

Dabei stützt sich das Management auf eine robuste Nachfrage der Kunden und eine Beschleunigung der Auftragslage im weiteren Jahresverlauf. Im ersten Quartal war noch vor allem die Nachfrage aus dem Bereich energieeffizienter Galliumnitrid-Leistungselektronik hoch, gefolgt von der Siliziumkarbid-Leistungselektronik. Und auch die Nachfrage aus der Optoelektronik für Laser zur schnellen Datenkommunikation sowie aus dem Led-Bereich - inklusive Micro-Led - sei hoch gewesen.

So setzen sich Micro-Leds perspektivisch immer stärker durch. Sie ermöglichen auf Bildschirmen und Displays stärkere Kontraste und kräftigere Farben und gelten als günstigere Alternative zu Oleds. Auch daher hatte sich Aixtron vor einigen Monaten entschieden, die kleine Oled-Tochter Apeva abzuwickeln, nachdem sich Auftragshoffnungen in Asien nicht erfüllt hatten. Experten sehen hier viel Potenzial und rechnen perspektivisch mit einem Micro-Led-iPhone von Apple.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analystin Olivia Honychurch vom Investmenthaus Jefferies rechnet mit weiteren Marktanteilsgewinnen im MOCVD-Markt durch Aixtron. Der Konzern dürfte sich weiter einem Monopolstatus nähern, schrieb die Expertin in einer aktuellen Studie. Wie der Chipindustrieausrüster ASML, der im Grunde solch eine Stellung im Markt für Lithographie-Anlagen habe, dürfte Aixtron damit nach und nach einen Bewertungsaufschlag zum allgemeinen Halbleitersektor erreichen, schätzt die Expertin.

Viel Schwung sieht sie auch durch den Micro-Led-Trend. Sie verwies in einer Studie von Ende April auf wohl anstehende Auslieferungen entsprechender Anlagen ab dem Schlussquartal 2022. Sie vermutet als Endkunden der Micro-Led, die dann von dessen Zulieferer AMS Osram kommen dürften, den iPhone-Konzern Apple.

Zunächst gehe es wohl nur um die Apple Watch, die im zweiten Halbjahr 2024 herauskommen werde, erklärte Honychurch. Ein mögliches MicroLed-iPhone, das ab dem zweiten Halbjahr 2026 denkbar sei, könnte für Aixtron perspektivisch einen zusätzlichen Milliardenumsatz bedeuten, da dafür deutlich mehr Anlagen des Maschinenbauers gebraucht würden. Zudem gewinne das Geschäft mit Anlagen für Siliziumkarbid-Halbleiter endlich wieder Schwung. Und das Geschäft rund um Technik für Galliumnitrid-Halbleiter dürfte vom Wachstum bei Datenzentren profitieren.

Auch Malte Schaumann von Warburg Research sieht Micro-Led als wohl nächsten großen Wachstumstreiber. Aixtron habe sein Next-Gen-Tool, das den Kunden einen höheren Ertrag und besseren Durchsatz biete, bei drei Kunden in der Qualifikation. Neben ausreichenden Ergebnissen bei der EPI-Schichtabscheidung seien auch Fortschritte beim kritischen Transferprozess erzielt worden. Die Kommerzialisierung dieser vielversprechenden Display-Technologie werde voraussichtlich 2023 mit der Kapazitätserweiterung für eine anfänglich großvolumige Anwendung beginnen, zum Beispiel für die Apple Watch 2024, für die AMS voraussichtlich der Lieferant für Micro-Led sein werde. Dieser Anwendungsfall bietet eine Umsatzchance von 100 Millionen Euro, für die Aixtron ab Ende 2022 Aufträge erhalten sollte. MicroLed-Technik stelle denn auch Aixtrons größte zukünftige Chance dar, wenn die Technologie in größere Displays wie Smartphones vordringen sollte.

Schaumann rät bei einem Kursziel von 27 Euro zum Kauf der Papiere. Am optimistischsten ist Jefferies-Expertin Honychurch mit einem Ziel von 35 Euro. Jürgen Wagner vom Investmenthaus Stifel ist mit 21 Euro am vorsichtigsten unter den neun von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX erfassten Experten. Er ist auch der einzige, der nicht mit "Kaufen" votiert. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei gut 28 Euro allerdings nur noch knapp über dem aktuellen Kursniveau, sodass einige der Experten demnächst ihre Kursziele oder ihre Einstufungen anpassen dürften.

DAS MACHT DIE AKTIE

Nach der Vorlage der Zahlen für das erste Quartal 2022 Anfang Mai hielten sich viele Anleger erst einmal zurück. Händler monierten damals teils die Entwicklung des operativen Gewinns, der deutlich unter der durchschnittlichen Analystenschätzungen lag. Letztlich kommt es an der Börse aber auf die Perspektiven für die künftige Entwicklung an, und die sind in den Augen der Investoren offenbar gut.

So nahm der Kurs ab Mitte Mai wieder Fahrt auf und schaffte es jüngst auch über das Hoch vom vergangenen Spätsommer, was nun mit aktuell rund 28 Euro das höchste Niveau seit dem Led-Boom im Jahr 2011 bedeutet. 2022 summieren sich die Kursgewinne auf gut 56 Prozent, was den dritten Platz im Index der mittelgroßen Werte MDax bedeutet.

Seit dem Zwischentief im Februar sind es zudem schon 84 Prozent Kursplus. So hatte nach dem August-Hoch eine Schwäche des - infolge einer jahrelangen Rally hoch bewerteten - Tech-Sektors auch auf dem Aixtron-Kurs gelastet. Zum Vergleich: Das Tief im Corona-Börsencrash im Frühjahr 2020 hatte bei gut sechs Euro gelegen, bevor die Tech-Rally begann.

Beim großen Branchenboom im Zuge des Led-Superzyklus 2010 und 2011 war der Kurs bis auf rund 34 Euro gestiegen, die Geschäfte waren dann aber rasch abgeflaut. Anfang 2016 wurden die Aktien zeitweise zu weniger als drei Euro gehandelt.

Das niedrige Kursniveau hatte damals dem chinesischen Investors Fuijan Grand Chip (FGC) einen Kaufinteressenten angelockt, der Aixtron für 6 Euro je Aktie oder 676 Millionen Euro übernehmen wollte. Die Übernahme scheiterte allerdings am Veto des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, der wegen des US-Geschäfts des nordrhein-westfälischen Unternehmens Sicherheitsbedenken anmeldete. Für die Anleger, die den Aktien treu geblieben sind, ist das mittlerweile zu einem Segen geworden. Mittlerweile bringen die Herzogenrather 3,2 Milliarden Euro auf die Börsenwaage.

Trotz der jüngsten Rally bleibt das um Kapitalmaßnahmen bereinigte Rekordhoch von rund 90 Euro aus den Zeiten der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende herum aber noch in weiter Ferne./mis/tih/he