Reiseveranstalter bemühen sich auf Hochtouren, Fluggäste nach Deutschland zurückzuholen oder umzubuchen. In den nächsten zwei Wochen seien insgesamt 60.000 Passagiere von der Einstellung des Flugbetriebs betroffen, sagte Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg am Dienstag in Berlin. "Wir sind derzeit mit anderen Marktteilnehmern im Gespräch, um den Passagieren, die an ihren Flugzielen festsitzen, kurzfristig und unbürokratisch bei der Rückreise zu helfen." Mehrere Airlines boten an, Germania-Kunden mit Sonderkonditionen zu fliegen. Anders als bei der Pleite von Air Berlin im Sommer 2017 will die Bundesregierung dieses Mal nicht eingreifen, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier deutlich machte: "Das ist ein Anwendungsfall von Marktwirtschaft."

Die Germania hatte am Montag beim Amtsgericht in Berlin-Charlottenburg Insolvenz angemeldet und noch in der Nacht zum Dienstag den Flugbetrieb eingestellt. "Leider ist es uns schlussendlich nicht gelungen, unsere Finanzierungsbemühungen zur Deckung eines kurzzeitigen Liquiditätsbedarfs erfolgreich zum Abschluss zu bringen", erklärte Firmenchef Karsten Balke. Insolvenzverwalter Wienberg äußerte sich skeptisch zu den Aussichten, den Betrieb wieder aufzunehmen. Schließlich habe Germania mit dem "Grounding" und ohne Finanzierung bereits die Betriebsgenehmigung verloren. Bei Air Berlin hatte der Bund mit einem 150-Millionen-Euro-Kredit geholfen, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Altmaier sagte, das Problem bei Germania sei von einer "sehr viel begrenzteren Dimension".

"RUINÖSER WETTBEWERB" IN DER LUFTFAHRT

Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den "ruinösen Wettbewerb" in der Luftfahrt. "Wie Easyjet, Ryanair und Eurowings hat auch Germania versucht, von der Air-Berlin-Insolvenz zu profitieren", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. Angesichts eines schwachen Finanzpolsters habe sich Germania aber übernommen und sei mit dem neuen Geschäftsmodell gescheitert. Die Gesellschaft hatte auch den täglichen Flug-Pendelverkehr für Airbus-Mitarbeiter von Hamburg zum Firmensitz nach Toulouse organisiert. Am Dienstag fielen die Flüge aus. Der Flugzeugbauer sucht nun kurzfristig Ersatz.

Von der Insolvenz betroffen sind knapp 1700 Mitarbeiter bei Germania und zwei deutschen Tochterfirmen. Die schweizerische Germania Flug AG ist außen vor, ebenso wie die Tochter Eagle in Bulgarien. Einen Tarifvertrag gibt es nicht, so dass die Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und Verdi wenig mehr tun können, als ihre Mitglieder zu beraten. Der irische Billigflieger Ryanair bot Mitarbeitern der Pleite-Airline per Video auf Twitter Jobs an. "Ich hoffe, dass viele Germania-Mitarbeiter in den nächsten Wochen zu Ryanair stoßen werden", sagte Vorstand Peter Bellew.

TUI BERUHIGT: "NIEMAND MUSS SICH SORGEN MACHEN"

Während Pauschalreisende über den Veranstalter gegen eine Pleite der Fluggesellschaft abgesichert sind, verfallen die Tickets von Fluggästen, die direkt bei Germania gebucht haben. Der Reiseveranstalter TUI teilte mit, er werde Gäste nach und nach auf andere Flugverbindungen umbuchen. "Niemand muss sich Sorgen machen, dass er nicht in den Urlaub fliegen kann oder im Reiseziel festsitzt", erklärte Touristikchef Stefan Baumert. Alltours erklärte, bei Flügen ab Mittwoch werde eine Ersatzbeförderung organisiert.

TUI bot an, Umbucher mit Germania-Tickets zum halben Preis zu befördern. Auch die Lufthansa stellte Sonderkonditionen für Germania-Fluggäste in Aussicht. Bis Ende Februar können die Betroffenen innerhalb Europas mit Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines für 50 Euro buchen. Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings räumt Germania-Kunden 50 Prozent Rabatt an.

"Den Kunden von Germania droht nun immenser Schaden", sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Nun räche sich, dass es immer noch keine Insolvenzversicherung für Fluggesellschaften gebe. Das Bundesjustizministerium will sich für eine europäische Lösung einsetzen. "Die erneute Insolvenz einer Airline zeigt, dass wir auch für Flugreisende, die nicht pauschal gebucht haben, eine Insolvenzabsicherung brauchen", sagte Staatssekretär Gerd Billen dem "Handelsblatt" Die Fluggesellschaften lehnen das aber ab. Notleidende Firmen könnten sich dagegen gar nicht mehr versichern, argumentierte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BDL, Matthias von Randow, in der Zeitung.

Seit der Pleite der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin sind mehrere kleine Airlines vom Markt verschwunden. Die steigenden Kosten für Treibstoff belasten, während das Überangebot an Flügen in Europa auf die Preise drückt. Die 1986 gegründete Germania hatte zuletzt 37 Flugzeuge im Einsatz. Von 18 Abflughäfen aus bot das Unternehmen Verbindungen zu mehr als 60 Zielen innerhalb Europas, nach Nordafrika, in den Nahen und Mittleren Osten an. Die Airline mit dem grün-weißen Logo schrieb 2018 rote Zahlen. Germania sei seit 2008 aggressiv gewachsen - von 500.000 Sitzplätzen Kapazität im Jahr auf sechs Millionen, sagte Branchenexperte Daniel Röska von Bernstein Research. Die Lufthansa habe die stärksten Überschneidungen und könne deshalb am meisten von den wechselnden Kundenströmen profitieren.