FARNBOROUGH (awp international) - Nach der Luftfahrtmesse im englischen Farnborough zeichnet sich ein Ende des Auftragsbooms für die grossen Flugzeugbauer ab. Auf der Airshow liess der europäische Hersteller Airbus seinen US-Rivalen Boeing zwar bei den Neubestellungen hinter sich und liegt damit im bisherigen Jahresverlauf wieder vorn. Airbus-Verkaufschef John Leahy räumte am Donnerstag jedoch ein, dass sein Ziel von 650 bis 700 Neubestellungen für 2016 ehrgeizig sei. Während Airbus und Boeing bei der Produktion der Mittelstreckenjets kaum hinterherkommen, werden die Sorgen um den Riesenflieger A380 immer grösser.

Die Airbus-Aktie reagierte mit leichten Kursverlusten auf die Nachrichten. Nachdem das Papier seit Messebeginn merklich an Wert gewonnen hatte, verlor es am Donnerstag zuletzt 0,17 Prozent an Wert. Für die Anteilsscheine von Boeing ging es um 0,52 Prozent nach oben.

Auf der Messe bei London sammelte Airbus seit Montag neue Bestellungen und Vorverträge für 279 Verkehrsflugzeuge ein - mit einem Listenpreis-Wert von rund 35 Milliarden US-Dollar. Davon sind 197 Bestellungen bereits fix. Boeing kam auf Verträge für 140 Maschinen im Wert von 22,4 Milliarden Dollar, davon 20 Festaufträge.

Damit blieben beide Hersteller deutlich hinter den Messen der Vorjahre zurück. Auf der Luftfahrtschau in Le Bourget bei Paris 2015 hatten sich die Kaufvereinbarungen bei Airbus noch auf über 400 Jets summiert, in Farnborough vor zwei Jahren waren es fast 500 Maschinen. Auch Boeing schnitt diesmal schlechter ab. Rechnet man alle verbindlichen Bestellungen seit Jahresbeginn zusammen, liegt Airbus nun mit 380 georderten Flugzeugen vor Boeing mit 321 Maschinen. "Die Bestellungen gehen immer mal hoch und runter", beschwichtigte Airbus-Manager Leahy.

Der Grossteil der Messeaufträge galt den Mittelstreckenjets in den spritsparenden Neuauflagen - wie der Boeing 737-MAX und dem Airbus A320neo. Boeing fand zudem Interessenten für 32 Langstreckenjets wie den "Dreamliner", Airbus wurde 10 Exemplare der Grossraumjets A350 und A330 los.

Unsicher ist die Zukunft des weltgrössten Passagierjets A380. Wegen ausbleibender Bestellungen will Airbus die Produktion ab 2018 mehr als halbieren - auf nur noch 12 Maschinen pro Jahr. "Ich bin bereit zu wetten, dass die A380 in ein paar Jahren wieder stärker gefragt ist", zeigte sich Leahy optimistisch. Airbus-Chef Fabrice Brégier kündigte weitere Einsparungen an, um die Verluste bei geringen Produktionszahlen in Grenzen zu halten.

Konkurrent Boeing bekam bei seinem ebenfalls kaum gefragten Jumbo-Jet 747-8 etwas Rückenwind, da der russische Logistikkonzern Volga-Dnepr einen Vertrag über 20 Frachtjets der Reihe unterzeichnete. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern, der an diesem Freitag sein 100-jähriges Bestehen feiert, punktete zudem im Rüstungsgeschäft: Grossbritannien will 50 Apache-Hubschrauber kaufen und zurrte den Kauf von neun Aufklärungsflugzeugen fest.

Dünn fielen die Aufträge bei den Regionaljet-Herstellern aus. Der kanadische Anbieter Bombardier meldete bis zuletzt keinen einzigen Verkauf seiner neuen C-Serie. Das Flugzeug, dessen erstes Exemplar gerade bei der Lufthansa -Tochter Swiss an den Start geht, soll den kleinsten Airbus-Modellen Konkurrenz machen. Der brasilianische Flugzeugbauer Embraer gab auf der Messe Fest- und Vorverträge für 15 Maschinen bekannt - darunter 11 Exemplare des neuen E2-Jets, der in Farnborough erstmals auf einer grossen Messe zu sehen ist. Der japanische Hersteller Mitsubishi gewann einen schwedischen Flugzeugfinanzierer als Interessenten für 20 Exemplare des Mitsubishi Regional Jet.

Derweil hofft Airbus, die gestoppten Auslieferungen beim Verkaufsschlager A320neo schnell wieder aufzunehmen. Die Hitzeprobleme mit dem Triebwerk des Herstellers Pratt & Whitney seien gelöst, sagte Brégier. Die 25 bereits gebauten Flugzeuge, denen noch die Turbinen fehlen, sollen zügig fertiggestellt werden. Das Getriebefan-Triebwerk, das massgeblich für den reduzierten Kerosindurst der A320neo-Modelle verantwortlich sind, musste wegen Hitzeproblemen jeweils vor jedem Start im Leerlauf gelüftet werden. Airbus hatte die Auslieferungen daher ausgesetzt. Angesichts von rund 4700 Bestellungen für die Versionen A319neo, A320neo und A321neo muss sich der Hersteller ranhalten, um die Nachfrage zu befriedigen.

An dem Getriebefan, der in ähnlicher Form auch bei den neuen Fliegern von Bombardier, Embraer und Mitsubishi zum Einsatz kommt, baut auch der Münchner Triebwerkshersteller MTU mit. Das Unternehmen verbuchte in Farnborough Bestellungen und Vorverträge im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar./stw/stb/he