Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Wird Corona dem Frachtgeschäft einen dauerhaften Aufschwung bescheren? Die Finanzmärkte scheinen weniger optimistisch zu sein als die Flugzeugbauer und Airlines.

Die Dubai Airshow in dieser Woche gab einen Überblick über den aktuellen Stand des Flugzeugbaus. Boeing schloss einen viel beachteten Vertrag mit der indischen Akasa Air über 72 Jets des Typs 737 MAX ab. Das gilt als ein weiteres Zeichen des Vertrauens in das einst angeschlagene Modell.

Außerdem konnte Airbus hunderte von Aufträgen und Vorverträgen verbuchen. Allerdings verkauften sich die Großraumflugzeuge schlecht, was die Befürchtung untermauert, dass die Pandemie die Nachfrage nach Geschäftsreisen dauerhaft verringert hat.


 
Hoffnung ruht auf Frachtflugzeugen 
 

Um die Produktionsraten hoch zu halten, setzen die Flugzeughersteller ihre Hoffnungen auf einen einzigen Lichtblick der Pandemie: Frachtflugzeuge. Airbus teilte diesen Monat mit, man gehe davon aus, dass der Frachtmarkt in den nächsten 20 Jahren 890 Jets benötigt. Das sind 40 mehr, als der Konzern 2019 erwartet hatte. Zum ersten Mal will der europäische Flugzeughersteller zudem auf dem Markt für extragroße Frachtflugzeuge konkurrieren.

Heute nutzen Unternehmen wie Fedex und UPS in der Regel die Boeing-Jets 777F und 747-8F, um große Güter von Kontinent zu Kontinent zu befördern. In Dubai stellte Airbus die Frachtversion seiner A350 vor, für die die Air Lease Corporation sieben Erstaufträge erteilt hat. Boeing wollte Gerüchten zufolge diese Woche eine Frachtvariante seiner kommenden 777X vorstellen, tat dies aber letztlich nicht.


 
Luftfracht wird für Flugzeugbranche immer essentieller 
 

Nach Schätzungen der International Air Transport Association (IATA) wird der Anteil der Luftfracht an den Einnahmen der Fluggesellschaften von 12 Prozent im Jahr 2019 auf 36 Prozent in diesem Jahr emporschießen. Im September lag der Umsatz pro per Flugzeug transportiertem Pfund um 31 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie Daten von Worldacd zeigen. Auch die Containerfrachtraten sind in die Höhe geschossen, da die Weltwirtschaft mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hat.

Doch ebenso wie die Anleger davon überzeugt zu sein scheinen, dass die derzeitige hohe Inflation nur vorübergehend ist, halten sie auch den Frachtboom für eine einmalige Sache. Zwar haben sich die Aktien vieler der weltweit größten Schifffahrtsunternehmen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt, doch ist dies weniger als der Anstieg ihrer Gewinne. Das impliziert dann längerfristig niedrigere Gewinnerwartungen. Zwei Schifffahrtsunternehmen, AP Moller Maersk und CMA CGM, haben derweil angekündigt, dass sie den Luftfrachtbetrieb aufnehmen werden.


 
Immer mehr Passagier- werden in Frachtmaschinen umgerüstet 
 

Im Gegensatz zu den Investoren glauben die Führungskräfte der Luftfahrtbranche, dass der Rückenwind für die Luftfracht anhält. Sie haben sich verpflichtet, ihn zu einem zentralen Faktor bei ihren Flotten- und Netzwerkentscheidungen zu machen. Zahlen von Cirium zeigen, dass die Umrüstung von Passagierflugzeugen in Frachtflugzeuge im Jahr 2021 mit 140 Flugzeugen einen historischen Höchststand erreichen wird, wobei die Zahl der Neubestellungen 330 übersteigt und weiter steigt.

Die Luftfrachtraten sind jedoch nur deshalb gestiegen, weil die Frachtkapazität 9 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegt - eine indirekte Folge davon, dass die Fluggesellschaften weniger Passagiere befördern. Außerdem war der Transport von Fracht auf dem Luftweg früher 12,5-Mal teurer als auf dem Seeweg. Im September war er laut IATA nur noch dreimal so teuer. Die starke Nachfrage ist also zum Teil auf niedrigere Preise im Vergleich zu Containerkonzernen sowie auf Störungen in den Häfen zurückzuführen. Unterdessen zeigen die offiziellen Daten der USA, dass die Ausgaben für Dienstleistungen wegen der Pandemie weiterhin gedämpft sind. Aber die derzeitige abnorme Neigung zum Konsum von Gütern scheint sich abzuschwächen, da sich das soziale Miteinander weiter erholt.


 
Kapazitäten für Luftfracht könnten wieder nach oben schnellen 
 

Die große Hoffnung ist, dass Corona die Verbrauchergewohnheiten dauerhaft auf den Online-Handel verlagert. Vor der Pandemie waren die steigenden Online-Verkäufe für die Luftfracht jedoch kaum von Vorteil, selbst bei zweitägigen Lieferfenstern. Eher die spezialisierten Einzelhändler wie Amazon und Alibaba profitierten davon. Die Wirtschaftlichkeit der Luftfracht wird wahrscheinlich noch schwieriger werden, wenn die Kapazität der Passagierflugzeuge wieder zunimmt und der Platz im Frachtraum erneut den Bedarf der Branche übersteigt. Dies ist ein Fall, in dem die Märkte möglicherweise rationale Erwartungen haben, oder zumindest mehr als diejenigen, die Airbus und Maersk ins Kalkül ziehen.

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November 19, 2021 10:01 ET (15:01 GMT)