Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Die Chip-Knappheit lehrt Airbus und Boeing das Fürchten. Sie zeigt ihnen, was es zu vermeiden gilt. Zuletzt bat Airbus die Zulieferer von Teilen für seine leistungsstarke A320-Familie von Schmalrumpfflugzeugen, sich auf eine feste monatliche Produktionsrate von 64 bis zum zweiten Quartal 2023 vorzubereiten. Das rangiert nahe an der Zahl von 67, die der Flugzeugbauer vor der Pandemie anvisiert hatte. Das Unternehmen will außerdem bereit sein, die Produktion bis zum ersten Quartal 2024 auf 70 zu erhöhen, und zieht sogar eine Rate von 75 bis 2025 in Betracht. Einem kürzlich erschienenen Bericht zufolge will Boeing in den USA die Produktion seiner 737 Max im Herbst 2022 auf 42 Jets pro Monat erhöhen.

Investoren sollten ihrem Enthusiasmus jedoch nicht freien Lauf lassen. Während die Verbraucher hungrig nach mit Chips gefüllten Autos und Elektronik sind, wollen die Airlines in nächster Zeit wahrscheinlich nicht viele Flugzeuge, abgesehen von opportunistischen Käufen zu reduzierten Preisen. In der Tat haben sich die Produktionsziele für 2021 für die A320, die beliebteste Flugzeugfamilie der Welt, nicht geändert und traten bei 45 pro Monat bis zum vergangenen Quartal auf der Stelle. Das ist weniger als Airbus noch vor sieben Monaten erwartet hatte. Hinzu kommt, dass die Zukunft der größeren Flieger wegen der potenziell dauerhaften Beeinträchtigung des Geschäftsreiseverkehrs durch die Pandemie noch ungewiss ist. Die geplante Produktion für die A350 wurde erst im Herbst 2022 von derzeit fünf auf sechs pro Monat angehoben. Der weniger populäre A330neo bleibt bei zwei Maschinen stehen.


   Mehr Planungssicherheit für Zulieferer 

Dennoch bedeutet der neue Zeitplan eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den von Marktteilnehmern eingepreisten Produktionsraten. Noch wichtiger ist, dass er den Airbus-Zulieferern ein klares Signal gibt, dass die zukünftigen Verkäufe höher ausfallen werden, jetzt, da die Impfraten ein Enddatum für die Covid-19-Krise zu implizieren scheinen. Dies ist wichtig, damit sie ihre Kapazitäten erhöhen können, ohne ihr Überleben aufs Spiel zu setzen, und bietet eine Lektion darüber, welche Rolle die Steuerung der Nachfrage bei der Beseitigung von Engpässen spielen kann.

Airbus dürfte im Jahr 2023 828 Verkehrsflugzeuge ausliefern und damit einen Umsatz von 44 Milliarden Euro erzielen, so die von Visible Alpha zusammengestellte Durchschnittsprognose. Die aktuellen Hochstufungen weisen auf eine Produktion von bis zu 940 Fliegern hin, was den Umsatz um etwa 6 Milliarden Euro steigern sollte. Bei Anwendung typischer Aufschläge würde dies allein im Jahr 2023 einen zusätzlichen Betriebsgewinn von 800 Millionen Euro bedeuten - etwa 40 Prozent des durchschnittlichen Jahresgewinns des Herstellers vor der Pandemie. Die Aktie schoss zuletzt um rund 9 Prozent nach oben.


   Aktien von Zulieferern legen zu 

Auch die Aktien von Zulieferern wie Safran, Hexcel, Raytheon und Spirit Aerosystems, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind, legten zu. Sie erhalten nun erste verwertbare Informationen für die Planung von Investitionsausgaben. Selbst wenn die Nachfrage nach Jets letztendlich hinter den Zielsetzungen von Airbus zurückbliebe, ist die Priorität des Unternehmens bei Ankündigung dieser Pläne, gerade die Lieferengpässe zu vermeiden, die in der Luftfahrt auch schon vor Covid-19 vorherrschten. Eine Rücknahme der zuletzt gemachten Zusagen wäre erst der letzte Ausweg, wenn bedacht wird, wie schwierig es ist, die Produktion bei jedem einzelnen Glied in der langen Kette kleinerer Zulieferer zu steuern und umzugestalten. Das große und komplexe Ökosystem der Luftfahrt braucht eine größere Transparenz fast so sehr wie einen höheren Umsatz. Endlich bekommt es sie.

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May 28, 2021 04:16 ET (08:16 GMT)