Der Stimmenrekorder und der Flugdatenschreiber wurden am Donnerstag der französischen Behörde zur Aufklärung von Flugunfällen BEA ausgehändigt. "Zuerst werden wir versuchen, die Daten auszulesen", sagte ein Sprecher. Eine erste Analyse könne bis zu mehreren Tagen dauern. Das hänge davon ab, in welchem Zustand die Black Box sei. Mittlerweile sind weltweit alle Maschinen des Unglücksmodells am Boden, wie aus den Daten der Internetseite FlightRadar24 hervorgeht. Zuletzt hatte auch die US-Flugaufsicht FAA ein Flugverbot für 737 MAX-Maschinen erlassen, nachdem Europa und viele Länder rund um den Globus diesen Schritt gegangen waren. Das letzte Flugzeug dieses Typs landete am Mittwochabend sicher im kanadischen Halifax.

Nach Ansicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr war das Flugverbot aus Sicherheitsgründen notwendig. "Wenn es Zweifel gibt, und die gibt es ... kann das Grounding nur die einzig richtige Entscheidung sein", sagte er in Frankfurt. Die Behörden hätten hierbei verantwortungsvoll gehandelt. Die Lufthansa selbst hat zwar viele Boeing-Flugzeuge in der Flotte, den neuen Flugzeugtyp der 737 aber nicht.

Am Sonntag war eine Maschine in Äthiopien aus bislang ungeklärten Gründen abgestürzt, 157 Menschen kamen ums Leben. Es war bereits das zweite Unglück mit einer relativ neuen 737 MAX. Im November war ein Flugzeug in Indonesien ebenfalls kurz nach dem Start abgestürzt, dabei starben 189 Menschen. Hinweise beim Absturz in Äthiopien deuteten auf Ähnlichkeiten hin, "die genauere Untersuchungen erfordern, ob es möglicherweise eine gemeinsame Ursache gibt", erklärte die US-Flugaufsicht. Bei Experten gibt es den Verdacht, dass ein Fehler in der Kontrollsoftware, die bei einem steilen Aufstieg den Abriss des Luftstroms verhindern soll, die Ursache sein könnte. Boeing hatte bereits Nachbesserungen an der Software angekündigt. Das werde aber mehrere Monate dauern, sagte FAA-Chef Dan Elwell am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.

FLUGVERBOT VERURSACHT JEDEN TAG KOSTEN

Weltweit warten Fluglinien, Behörden und nicht zuletzt der US-Flugzeughersteller auf Aufklärung und Informationen, ob und wann die 737 MAX-Maschinen wieder fliegen dürfen. Denn jeder Tag, an dem die Flugzeuge nicht eingesetzt werden können, verursacht bei den Airlines Kosten, weil sie Ersatzflugzeuge einsetzen und Piloten und Flugbegleiter umdisponieren müssen. Hinzu kommen Zahlungen an Leasingfirmen, die anfallen, auch wenn die Flugzeuge nicht fliegen, ebenso wie Kosten, um die Maschinen auf den Flugplätzen zu parken. Das alles könnte sich Schätzungen zufolge auf 150.000 Dollar pro Flugzeug und Tag summieren. Unter Druck gerät aber vor allem der Boeing-Konzern, der weiter von der Sicherheit der 737 MAX überzeugt ist. Der Mittelstreckenflieger ist die neueste Modell-Generation des Verkaufschlagers 737 und ist bei Airlines sehr beliebt. Mehr als 5000 Bestellungen hat Boeing eingesammelt, aber knapp vierhundert sind erst in Betrieb.

Die Auslieferungen sind nun praktisch gestoppt. "Welche Fluglinie will schon ein Flugzeug geliefert bekommen, das sie nicht nutzen kann", sagte ein Flugzeugfinanzierer, der nicht genannt werden wollte. Die Produktion in dem Werk bei Seattle geht aber weiter, weil ein Anhalten zu viele Verwerfungen in der Zulieferkette verursachen würde, wie Experten erwarten. Boeing produziert 52 Flugzeuge im Monat, der Löwenanteil davon wohl das betroffene Modell. Eine genaue Zahl will Boeing nicht nennen. Die fertig produzierten Flugzeuge müssen nun erst einmal bei Boeing gelagert werden. Analysten schätzen, dass das Flugverbot den US-Konzert jeden Monat 1,8 bis 2,5 Milliarden Dollar an Umsatz kosten könnte, auch wenn der sich vermutlich nur verschiebt. Unmittelbarer ist der Wertverlust an der Börse: Seit dem zweiten Absturz haben die Aktien von Boeing mehr als zehn Prozent verloren, das entspricht einem Unternehmenswert von rund 26 Milliarden Dollar. Am Donnerstag lagen die Aktien leicht im Minus.

Die Probleme des Hoffnungsträgers, der innerhalb weniger Monate sooft bestellt wurde wie kein anderes Boeing-Modell vorher, könnten den Flugzeugbauer vor allem langfristig belasten. Die Airline Norwegian Air fordert von Boeing Schadenersatz für die Kosten, die das sogenannte "Grounding" verursacht. Mehrere Fluglinien - etwa die von dem Absturz in Indonesien betroffene Lion Air oder die indonesische Airline Garuda - denken darüber nach, die Boeing-Maschinen abzubestellen. Das Konkurrenzmodell des Erzrivalen Airbus ist der A320neo. Doch ein Umschwenken auf Airbus-Flugzeuge sei nicht so einfach, gibt Robert Stallard, Analyst bei Vertical Research Partners, zu bedenken. Airbus sei bei der Produktion auf Jahre hinaus ausgelastet.

Die Ratingagentur Moody's sieht bisher keine Notwendigkeit, die Einschätzung der Kreditwürdigkeit von Boeing zu ändern. Der Flugzeugbauer werde "die kurzfristigen Herausforderungen meistern".