Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)--Für GE mutet der Verkauf des Jet-Leasings nicht so einfach an wie andere Verkäufe der vergangenen Jahre. Zuletzt berichtete das Wall Street Journal, dass die weltweite Nummer 1 und die Nummer 2 der Flugzeug-Leasinggesellschaften kurz vor einer Fusion stehen. Demnach stehe GE kurz davor, sein Flugzeug-Leasinggeschäft mit der irischen Aercap für mehr als 30 Milliarden US-Dollar zusammenzuschließen. Das zusammengelegte Unternehmen würde etwa 1.900 Flugzeuge besitzen und damit fast das Vierfache des nächstgrößten Anbieters. Viele Analysten hatten in der Tat erwartet, dass Corona eine Konsolidierung in diesem Luftfahrtbereich auslösen würde, aber so fundamental an der Spitze hatten sie das nicht vorhergesehen. Wenn der Deal zustande kommt und die Kartellbehörden ihn genehmigen, dürften weitere Fusionen folgen.


   Triumph für Aercap Chef Kelly 

Es wäre ein großer Triumph für Aercap-Chef Aengus Kelly, der seit langem auf Wachstum setzt. Größe ist auf dem Jet-Leasing-Markt von entscheidender Bedeutung, da sie es einfacher macht, Flugzeuge zwischen verschiedenen Kunden zu verschieben. Außerdem erlaubt sie einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten und Preissetzungsmacht beim Kauf von Boeing oder Airbus. Kelly will unbedingt Krisen zur Expansion nutzen und da bietet die aktuelle Pandemie wahrlich günstige Chancen. So musste die GE-Leasingsparte Gecas im vergangenen Jahr einen operativen Verlust von 786 Millionen Dollar hinnehmen.

Was GE-Chef Larry Culp betrifft, so kann er einen weiteren Aspekt des Erbes seiner glücklosen Vorgänger Jeff Immelt und John Flannery abwickeln und dem Konglomerat seinen eigenen Stempel aufdrücken. Ob es ein strategischer Gewinn ist, ist allerdings eher fraglich.


  Triebwerksgeschäft macht enormen Teil des GE-Umsatzes aus 

Das Engagement von GE in der Luftfahrt ist auch ohne Gecas enorm. Im Jahr 2019 machten Triebwerke 34 Prozent des Gesamtumsatzes aus, verglichen mit nur 13 Prozent im Jahr 2011. Triebwerkshersteller finden sich während der Corona-Krise im Auge des Sturms wieder, da die Ausmusterung älterer Flugzeuge die lukrativen Wartungseinnahmen nach unten drückt. Das Portfolio von Gecas wurde im vierten Quartal um 500 Millionen Dollar abgewertet, was zum Teil auf ein überproportionales Engagement bei Regionaljets sowie auf die Art der älteren Flugzeuge zurückzuführen ist, die der Konzern ausmustert.

Aus diesem Grund birgt der Deal auch Risiken für Kelly in sich. In seiner vorerst letzten Telefonkonferenz klang er nicht sehr optimistisch, was diese Art von Jets angeht, die er nun möglicherweise in seine jüngere Flotte einbauen muss, um einen Ausgleich für die Größe zu schaffen.


   GE dürften guten Kaufpreis bekommen 

Das Timing der Transaktion dürfte Culp auch mehr begünstigen, als man angesichts des Branchenhintergrunds vermuten könnte. Untersuchungen von Professor David Yu von der New York University zeigen, dass es bis zu 24 Monate dauern kann, bis die Buchwerte von Jets einen Abschwung vollständig widerspiegeln. Details des Fusionsplans sind noch nicht bekannt, aber wenn die jüngste Erholung der Aktien von Leasinggebern ein guter Anhaltspunkt ist, dürfte Culp einen anständigen Preis erhalten, wenn auch nicht den vor der Pandemie realistischen.

Die eigentliche Frage ist, ob er sich überhaupt von Gecas trennen sollte. GE hat bereits einen großen Teil seines alten Imperiums verkauft, einschließlich des größten Teils des einst riesigen Finanzierungsgeschäfts. Die gigantische Größe und Komplexität von Gecas machen es zu einem offensichtlichen nächsten Ziel. Aus demselben Grund ist der geplante Deal jedoch nicht vergleichbar mit ähnlichen Transaktionen zur Abspaltung von GEs ehemaligen Transport- sowie Öl- und Gas-Sparten. Das waren isolierte Geschäfte ohne Größenvorteile in ihren jeweiligen Branchen.


   Leasinggeschäft beflügelt Triebwerksgeschäft 

Gecas ist nicht nur wegen seiner Größe anders, sondern auch da GE weiterhin stark auf das Geschäft mit Düsentriebwerken angewiesen sein wird. Dieses bezieht einen wichtigen Wettbewerbsvorteil aus seiner Verbindung mit dem eigenen Leasinggeschäft. Durch große Vorbestellungen für Jets mit GE-Triebwerken und das Leasing von Ersatzteilen kann Gecas die Verkäufe glätten und Anreize für Boeing sowie Airbus schaffen, sich für diese Triebwerke zu entscheiden.

Der immaterielle Wert dieser Verbindung ist schwer zu schätzen. Irgendwann werden sich die Investoren mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine weitere Zerschlagung von GE überhaupt noch Sinn ergibt.

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March 09, 2021 05:07 ET (10:07 GMT)