Von Dan Gallagher

REDMOND, WASHINGTON (Dow Jones)--Microsoft hat gerade die größte Wette aller Zeiten auf sein eigenes Cloud-Geschäft abgeschlossen. Und auf seine Fähigkeit, den Laden eines anderen in Ordnung zu bringen. Der Tech-Gigant kündigte am Dienstagmorgen die überraschende Übernahme von Activision Blizzard für fast 69 Milliarden US-Dollar netto in bar an. Das ist doppelt so teuer wie die Übernahme von Linkedin im Jahr 2016. Und wie die geplante Übernahme von Zynga durch Take-Two Interactive Software, die letzte Woche angekündigt wurde, ist dieser Deal äußerst opportunistisch: Ein angeschlagener Spieleverlag wird zu einem Preis aufgekauft, der bereits feststand, bevor dessen Schlamassel begann. Der Preis von 95 US-Dollar pro Aktie für Activision liegt 45 Prozent über dem letzten Schlusskurs der Aktie, aber nur vier Prozent über dem Stand von Mitte Juli letzten Jahres, bevor der Staat Kalifornien das Unternehmen wegen angeblicher Geschlechterdiskriminierung verklagte.

Diese Klage war nur der Anfang der Probleme von Activision. In einem Artikel des Wall Street Journal wurde wenig später berichtet, dass die toxische interne Kultur des Unternehmens nicht nur die Geschäftseinheit von Blizzard betraf, gegen die sich die Klage in Kalifornien ursprünglich richtete. Erschwerend kommt hinzu, dass Activisions jüngste "Call of Duty"-Veröffentlichung nicht gut abschneidet: Die Kritikerwertungen bei der Markteinführung waren unterdurchschnittlich und nachfolgende Daten deuteten auf schwache Verkaufszahlen hin.

In einer Notiz am Dienstagmorgen prognostizierte Jefferies-Analyst Andrew Uerkwitz einen "sehr seltenen Aussetzer" von Activision in Bezug auf die Ergebnisse des vierten Quartals, die am 3. Februar veröffentlicht werden sollen. Er nannte vor allem Probleme bei Spielen durch Bugs und interne Streitigkeiten im Unternehmen. "Wir vermuten, dass sich viele Spieler entschieden haben, eine Pause von Call of Duty einzulegen", fügte Uerkwitz hinzu. Die Verquickung von Problemen hat sich negativ auf den Marktwert von Activision ausgewirkt und bietet somit eine seltene Gelegenheit für Microsoft, "unsere neuen Formen des Vertriebs und der Monetarisierung voranzutreiben", wie es Phil Spencer, der Spielechef des Unternehmens, am Dienstag während einer Telefonkonferenz formulierte.


   Microsoft entwickelt Cloud-Gaming-Service 

Microsoft betreibt ein abonnementbasiertes Spielgeschäft namens Game Pass und entwickelt einen Cloud-Gaming-Service. Ersteres läuft gut mit bislang mehr als 25 Millionen Abonnenten, während letzteres noch in der Entwicklung steckt. Aber beide sind letztendlich auf die Art von erstklassigen Spielinhalten angewiesen, die unabhängige Verlage nur zögerlich auf eine solche Plattform stellen, weil sie damit ihre eigenen Geschäftsmodelle gefährden. Mit Spielen wie "Call of Duty", von dem jedes Jahr mehr als 20 Millionen Einheiten verkauft werden, könnte Microsoft glänzen, vorausgesetzt, die Reputation hat nicht schon dauerhaft gelitten. Der Deal verlangt auch, dass Microsoft in der Lage ist, die Kultur von Activision so weit zu verbessern, dass die notwendigen Talente für die Produktion von Blockbuster-Spielen an Bord bleiben und mit Blockbuster-Budgets arbeiten können.

Wie das Wall Street Journal am Wochenende berichtete, hat der Spielehersteller bereits mehr als drei Dutzend Mitarbeiter im Rahmen seiner internen Aufräumarbeiten vor die Tür gesetzt. Doch es bleibt noch viel zu tun, auch wenn der umstrittene Activision-CEO Bobby Kotick nach Abschluss der Übernahme voraussichtlich seinen Hut nehmen wird. Mit einem Nettobarvermögen von fast 84 Milliarden US-Dollar gehört Microsoft zu den wenigen Unternehmen, die über die Mittel verfügen, eine so große Wette einzugehen und trotzdem an ihren Aktienrückkäufen und anderen Cash-Return-Zielen festhalten können. Es wird jedoch einiges an Fingerspitzengefühl erfordern, damit die selbst zugefügten Wunden von Activision keine Schmerzen beim künftigen Eigentümer verursachen.

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January 19, 2022 03:42 ET (08:42 GMT)