W O H N KO S T E N REPORT2021

FÜR DEUTSCHLAND

Eine deutschlandweite Analyse von Mieten und Wohnnutzerkosten vom Institut der deutschen Wirtschaft

INKL. SONDERTEIL: Zuwanderung: Wie geht es nach der Pandemie weiter?

6. Auflage

ACCENTRO WOHNKOSTENREPORT 2021

Eine deutschlandweite Analyse von Mieten und Wohnnutzerkosten

IW-Gutachten im Auftrag der ACCENTRO Real Estate AG von Prof. Dr. Michael Voigtländer & Pekka Sagner

ACCENTRO REAL ESTATE AG

Kantstraße 44/45

10625 Berlin

Telefon: 030 887181-0 mail@accentro.ag www.accentro.ag

INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

Postfach 10 19 42

50459 Köln

Prof. Dr. Michael Voigtländer Telefon: 0221 4981-741 voigtlaender@iwkoeln.de

Pekka Sagner

Telefon: 0221 4981-881 sagner@iwkoeln.de

Köln, 9. Juni 2021

INHALT

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Selbstnutzerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.1 Methodische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2 Ergebnisse für Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.3 Ergebnisse in den Top-7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.4 Ergebnisse in den Landkreisen und

kreisfreien Städten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.5 Zinssensitivität in den Kreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.6 Entwicklung und Niveau der Annuität . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Zuwanderung: Wie geht es nach der Pandemie weiter? . . 22

4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zusammenfassung

Der Selbstnutzerkostenansatz erlaubt einen Vergleich der Mietkosten und der regelmäßig anfallenden Kosten, die ein Wohneigentümer aufbringen muss. Dieser Ansatz wird genutzt, um die relative Vorteilhaftigkeit von Wohn- eigentum gegenüber Mieten zu bestimmen, aber auch, um mögliche Über- oder Unterbewertungen im Markt zu identifizieren.

Im Jahr 2020 haben sich die Zinsen für Hypothekendar- lehen erneut deutlich verringert, gleichzeitig sind die Zinsen für eine alternative Anlage gesunken. Beide Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Selbstnut- zerkosten im vergangenen Jahr zurückgegangen sind. Die deutlich gesunkenen Hypothekenzinsen haben dafür gesorgt, dass vielerorts auch die Annuität, die Summe aus Zins und Tilgung, die bei der Finanzierung eines Immobiliendarlehens aufzubringen ist, nicht gestiegen ist. Die Entwicklung dieser für den Selbstnutzerkosten- ansatz entscheidenden Parameter kann damit auch zur Erklärung beitragen, warum die Preise für Wohnim- mobilien 2020 erneut angestiegen sind. Der Preisanstieg im vergangenen Jahr, trotz der mit der Corona-Pandemie verbundenen Unsicherheiten, kommt aus Sicht des Selbstnutzerkostenansatzes daher nicht überraschend, da er die nach wie vor bestehende Unterbewertung der Wohnimmobilien spiegelt.

Die Pandemie hat 2020 dazu geführt, dass die Wande- rungen nach Deutschland zurückgegangen sind, was die Bevölkerungsentwicklung insgesamt gebremst hat. Mittelfristig wird mit einem erneuten Anstieg der Wande- rungszahlen gerechnet und insbesondere die Großstädte bleiben weiterhin sowohl für die Binnen- als auch für die Außenwanderer relevante Zielregionen. Eine dauerhafte Kehrtwende bei der Bevölkerungsentwicklung in den Großstädten wird daher mittelfristig nicht erwartet.

1. Einleitung

Der ACCENTRO-Wohnkostenreport 2021 erscheint in die- sem Jahr in der sechsten Auflage. Kern des Reports ist der Vergleich der Wohnkosten, die selbst nutzende Wohnei- gentümer tragen, mit den Mietkosten. Der Vergleich der Kosten dieser beiden Wohnoptionen ist nicht nur aus Sicht der Individuen von großem Interesse, sondern erlaubt auch Rückschlüsse auf den Wohnungsmarkt als Ganzes. Bereits zum zweiten Mal erscheint der ACCENTRO-Wohnkostenreport nun während der anhal- tenden Corona-Pandemie, die in Deutschland und der Welt deutliche Spuren hinterlässt. Zum Halbjahr 2021, zu dem dieser Report erscheint, hat das Impftempo in Deutschland spürbar an Fahrt aufgenommen, was noch in diesem Jahr weitgehende Öffnungen in Gastronomie, Einzelhandel und Erleichterungen bei Reisen erwarten lässt. Die Hoffnungen auf ein baldiges Überwinden der Pandemie sind groß.

Im Wohnkostenreport des vergangenen Jahres wurden zu Beginn potenzielle Auswirkungen der Corona-Pande- mie auf die Wohnimmobilienmärkte diskutiert. Auf Basis der Ergebnisse jenes Reports wurde erwartet, dass die Corona-Pandemie keine abrupten Preisverfälle am Markt für Wohnimmobilien mit sich bringen würde (vgl. Sagner/Voigtländer, 2020). Preisverfälle im Wohneigen- tumsmarkt haben 2020 nochmals kräftig angezogen. Dies passt mit dem Befund zusammen, dass auch die Selbstnutzerkosten im vergangenen Jahr nochmals zurückgegangen sind und die Vorteilhaftigkeit des Wohn- eigentums im Vergleich zum Mieten gestiegen ist. Grund hierfür ist neben einem erneuten, deutlichen Zinsrück- gang für Hypothekendarlehen auch ein Rückgang des Opportunitätszinses, denn die wirtschaftlichen Turbu- lenzen des zurückliegenden Jahres haben sich ebenso auf Unternehmensseite niedergeschlagen.

Im diesjährigen Report wird ein Blick in die Post-Pande-mie-Zeit gewagt. Insbesondere werden die Auswirkun- gen auf die internationale Migration und die Implikatio- nen für die deutschen Städte diskutiert. Die Zuwanderung aus dem Ausland hat im vergangenen Jahrzehnt eine wesentliche Rolle beim deutschen Immobilienboom ge- spielt. Auf Basis vorläufiger Zahlen des Statistischen Bun- desamts ist die Zuwanderung nach Deutschland 2020 deutlich gesunken und damit auch die Bevölkerung weni- ger stark gewachsen als in den Vorjahren. Die große Wan- derungswelle der vergangenen Jahre scheint sich all- mählich zu verlaufen. Doch insbesondere für die deutschen Großstädte sehen die Bevölkerungsprogno- sen der nächsten Jahre weiter ein deutliches Wachstum. Dafür gibt es gute Gründe und eine Kehrtwende bei der Bevölkerungsentwicklung der Großstädte ist mittelfristig nicht zu erwarten.

Der Report ist im Weiteren wie folgt aufgebaut: Zunächst wird die Methodik, die dem Selbstnutzerkostenansatz zugrunde liegt, erläutert und anhand eines Beispiels illustriert. Danach werden die Ergebnisse für den bun- desdeutschen Durchschnitt und die sieben größten deut- schen Städte im Zeitverlauf vorgestellt, anschließend die Ergebnisse für die deutschen Landkreise. Darauf werden Ergebnisse einer Annuitätenrechnung vorgestellt, die die Ergebnisse des Selbstnutzerkostenansatzes einordnen. Schließlich werden die Implikationen der Corona-Pande- mie auf die Zuwanderung nach Deutschland und Wande- rungsbewegungen innerhalb Deutschlands erörtert so- wie ein Ausblick auf die mittelfristige Entwicklung nach der Pandemie gegeben.

2. Selbstnutzerkosten

2.1 Methodische Hinweise

Mieten und Kosten eines Eigentümers vergleichbar machen

Um die Kosten von Mietern und selbst nutzenden Wohn- eigentümern vergleichbar zu machen, bedarf es einiger Annahmen aufseiten der selbst nutzenden Wohneigen- tümer. Die Kosten der Mieter gehen direkt aus der Miet- höhe hervor. Im Folgenden sollen die Kosten für die Überlassung beziehungsweise die Nutzung des Wohn- raums verglichen werden. Deshalb wird auf Seite der Mieter die Nettokaltmiete als Referenzgröße verwendet. Selbst nutzende Wohneigentümer müssen im Gegensatz zu Mietern verschiedene Einzelposten in ihrer Kostenkal- kulation berücksichtigen. Der Ansatz der Selbstnutzer- kosten basiert dabei auf Arbeiten von Poterba (1984) und Himmelberg et al. (2005). Bei den Selbstnutzerkosten werden regelmäßig anfallende Kosten der Eigentümer berücksichtigt, zum Beispiel jene Kosten, die mit der Fremdfinanzierung eines Immobiliendarlehens verbun- den sind. Hierbei ist es wichtig, zwischen den Kosten der Finanzierung, also den Zinszahlungen, und dem Tilgungs- anteil zu unterscheiden. Tilgungszahlungen sind nicht Teil der Selbstnutzerkosten, da diese vermögensbildend sind. Dieser Vermögensaufbau findet bei Mietern nicht statt. Die Komponenten der Selbstnutzerkosten lassen sich in verschiedene Teile gliedern und mathematisch- formal wie folgt darstellen:

SNKk,t= Pk,t  ∙ (b ∙ iF,t) + Pk,t∙ (s + a) - Pk,t∆Pk

+Pk,t∙ (1 - τt ) ∙ (1 - b) ∙ iA,t

+ Pk,t ∙ (mk,t+ gk,t+ n + e) ∙ (1 - τt ) ∙ iA,t +Pk,t∙  (mk,t+ gk,t+ n + e) ∙ iF,t

Die Selbstnutzerkosten SNK werden auf Ebene der 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte k jeweils im Jahr t bestimmt. Zentral in der Bestimmung der Selbst- nutzerkosten ist der Kaufpreis der Eigentumsimmobilie P in Euro je Quadratmeter Wohnfläche im jeweiligen Kreis und Jahr. Dieser wird zu einem Anteil b fremdfinanziert, für den Fremdkapitalzinsen in Höhe von iF anfallen. Je höher der Kaufpreis, der Fremdkapitalanteil und die Hypothekenzinsen, desto höher liegen die Selbstnutzer- kosten. Wohneigentümer müssen, im Gegensatz zu Mie- tern, mit Kosten für Instandhaltung s sowie Abschreibun- gen a kalkulieren, die den Wert der Immobilie mit dem

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Gutachten für die ACCENTRO Real Estate AG

Wohnkostenreport 2021

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Zeitverlauf sinken lassen würden, wenn nicht im entspre- chenden Rahmen investiert würde. Dieser Kostenpunkt ist also auf einer Opportunitätsbasis zu betrachten. Ent- weder die Investition erfolgt tatsächlich, was den Immo- bilienwert konstant halten würde, oder die Investition erfolgt nicht und der Immobilienwert würde sinken. So oder so sind dies Kosten, die anfallen. Demgegenüber steht die Wertentwicklung ΔPk der Immobilie. Eine positive Wertentwicklung senkt die Selbstnutzerkosten. Der Eigenkapitalanteil bei der Immobilienfinanzierung 1 - b hätte anstelle der Investition in die Immobilie anderwei- tig am Kapitalmarkt investiert werden können. Für diese anderweitige Investition unterstellen wir, dass sie mit dem Zinssatz iA verzinst ist. Die Zinserträge aus dieser Investition wären mit dem Steuersatz τ zu versteuern. Darüber hinaus fallen beim Immobilienerwerb Neben- kosten an. Diese setzen sich aus den Maklerkosten m, der Grunderwerbsteuer g sowie den Kosten für Notar n und

Bei diesen Preisen entsprechen sich das Ausstattungs- niveau und die Lage der jeweiligen Immobilien. Um die Selbstnutzerkosten den Mieten gegenüberzustellen, nutzen wir Daten von vdpResearch (2021).

Diese Daten beinhalten Erstverkaufspreise beziehungs- weise Wiederverkaufspreise von durchgehend sanierten Altbauwohnungen in guter Lage und Ausstattung sowie Neuvertragsmieten für vergleichbare Wohnungen. In die Berechnung der Selbstnutzerkosten fließen außerdem Wertsteigerungen ein. Für diese langfristig erwarteten Wertsteigerungen nutzen wir Daten von F + B (2021). Die- se erlauben es, einen langfristigeren Zeithorizont von 2005 bis 2020 zu betrachten. Hierzu wird die mittlere jährliche Wertentwicklung je Landkreis oder kreisfreie Stadt bestimmt. Die betrachtete Zeitperiode enthält sowohl die 2000er-Jahre, in denen das Immobilienpreis- niveau in Teilen des Landes sogar rückläufig war, als auch

Variablen und Datenquellen

Tabelle 2.1

Variable

Erläuterung

Quelle

Pkt

Kaufpreis in Euro je Quadratmeter Wohnfläche

vdpResearch (2021)

b

Fremdfinanzierungsanteil

Dr. Klein (2021)

iF,t

Hypothekenzinssatz

Deutsche Bundesbank (2021a)

iA,t

Umlaufrenditen, Inhaberschuldverschreibungen

Deutsche Bundesbank (2021b)

τt

Steuersatz

BMF (2019)

ΔPk

Kaufpreisänderungen

F + B (2020)

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.

Berechnung der Selbstnutzerkosten anhand eines Beispiels

die Eintragung ins Grundbuch e zusammen. Die Erwerbs- nebenkosten hätten, wie der Eigenkapitalanteil auch, alternativ investiert werden können. Dieser Ertrag müss- te ebenfalls versteuert werden. Je höher der unterstellte Zins auf diese alternative Investition, desto höher die Selbstnutzerkosten. Schließlich wird dem Umstand Rech- nung getragen, dass den Erwerbsnebenkosten kein ent- sprechender Gegenwert in Form von Immobilienvermö- gen gegenübersteht. Um diese Kosten zu berücksichtigen, werden vollständig flexible Finanzierungsmärkte unter- stellt und es wird angenommen, dass auch der Eigenkapi- talanteil finanziert wird und auf diesen Anteil der Fremd- kapitalzins anfällt. Dies stellt eine Ergänzung im Vergleich zu den Berechnungen in den Vorjahren dar.

Datenquellen

Die Selbstnutzerkosten werden im Folgenden für die 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte be- stimmt. Hierfür sind regionale Immobilienpreise vonnö- ten. Es werden Immobilienpreise aus zwei verschiedenen Datenquellen genutzt. Um einen direkten Vergleich zwischen Selbstnutzerkosten und Mieten zu erlauben, müssen die jeweiligen Kaufpreise und Mieten sich auf vergleichbare Objekte beziehen. Tatsächlich verkaufte und angemietete Wohnimmobilien unterscheiden sich zwischen Regionen und über die Zeit mitunter deutlich. Um zu garantieren, dass die Objekte vergleichbar sind, wird auf hedonische Preise zurückgegriffen.

das vergangene Boomjahrzent. Um den starken Preisstei- gerungsraten der vergangenen Jahre nicht zu viel Gewicht zu verleihen, wird die Preissteigerungsrate auf maximal drei Prozent pro Jahr begrenzt.

Für die Höhe des Eigenkapitalanteils wird auf verschie- dene Veröffentlichungen des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein zurückgegriffen, der diese Werte wiederum aus Immobilienfinanzierungen von Europace übernimmt. Je höher der durchschnittliche Eigenkapitaleinsatz, des- to geringer die Selbstnutzerkosten. Im jeweiligen Jahr unterstellen wir in allen Landkreisen und kreisfreien Städten einen einheitlichen Durchschnittswert. Es sollte berücksichtigt werden, dass deutlich geringere Eigenka- pitalanteile ebenfalls mit Zinsaufschlägen verbunden sind. Auch im Falle der Zinsen werden Durchschnittswer- te unterstellt, die sich regional nicht unterscheiden. Die in den Berechnungen unterstellten Zinssätze stammen aus Erhebungen der Deutschen Bundesbank.

Als Hypothekenzins wird der durchschnittliche Effektiv- zinssatz der deutschen Banken für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung von über zehn Jahren herangezogen (Deutsche Bundesbank, 2021b). Als Opportunitätszins zur Investition werden die durchschnittlichen Umlaufrenditen inländischer Inha- berschuldverschreibungen genutzt (Deutsche Bundes- bank, 2021a). Diese Renditen müssten versteuert wer- den, wobei hierfür die mittlere Steuerquote nach Abgrenzung der Finanzstatistik unterstellt wird (BMF, 2020).

Die Höhe der Erwerbsnebenkosten variiert zwischen den Bundesländern. Die Grunderwerbsteuer liegt je nach Bundesland zwischen 3,5 Prozent, in Sachsen und Bay- ern, und 6,5 Prozent, beispielsweise in Brandenburg und Schleswig-Holstein. Neben der Grunderwerbsteuer vari- iert auch die Maklerprovision für Käufer regional deutlich. Bis zur Einführung des »Gesetzes über die Ver- teilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kauf- verträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser« (vgl. BGBl. I 2020 S. 1245) am 23.12.2020 gab es Regio- nen, in denen es üblich war, dass Käufer die volle Höhe der Maklerprovisionen von bis zu 7,14 Prozent des Kauf- preises aufbringen mussten. Dies war beispielsweise in Berlin und Brandenburg der Fall. In anderen Bundeslän- dern war es indes üblich, dass die Provisionssätze zwi- schen Käufern und Verkäufern geteilt werden, so zum Beispiel in Bayern. Mit der Einführung des Gesetzes sind die Provisionssätze für Käufer mitunter deutlich gesun- ken (vgl. Sagner/Voigtländer, 2021). Da in diesem Jahr le- diglich Jahreswerte bis einschließlich 2020 berechnet wurden, fließen diese Änderungen noch nicht in die Be- stimmung der Selbstnutzerkosten ein. Für die Eintragung in das Grundbuch und die Notarkosten werden bundes- weit einheitliche Werte unterstellt.

Im Folgenden wird die Bestimmung der Selbstnutzerkos- ten anhand eines Musterbeispiels illustriert. Als zentrale Größe der Selbstnutzerkosten sei zunächst ein Kaufpreis je Quadratmeter Wohnfläche von 4.000 Euro unterstellt. Die Erwerbsnebenkosten setzen sich zusammen aus dem regional variierenden Grunderwerbsteuersatz, im Bei- spiel in Höhe von sechs Prozent, dem ebenfalls regional verschiedenen Maklerprovisionssatz für Käufer, hier 3,57 Prozent, und den Kosten für den Grundbucheintrag und den Notar, gemeinsam in Höhe von 1,525 Prozent. Insgesamt fallen im Beispiel also Erwerbsnebenkosten von rund elf Prozent oder 444 Euro je Quadratmeter an. Der angenommene Fremdkapitalanteil liegt bei 85 Pro- zent. Der Zins auf den Fremdkapitalanteil liegt bei 1,2 Prozent pro Jahr. Für die verbleibenden 15 Prozent des Kaufpreises, die als Eigenkapital eingebracht wer- den, entstehen Opportunitätskosten von 1,75 Prozent. Dieser Wert entspricht den mittleren Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen, die im Corona -Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 0,75 Prozent- punkte gefallen sind. Diese Zinserträge wären zu versteuern. In den Berechnungen wird die mittlere Steu- erquote nach Abgrenzung der Finanzstatistik im Jahr 2019 unterstellt und für das Jahr 2020 übernommen. Diese lag bei 23,2 Prozent. Außerdem seien als langfristi- ge Preissteigerungen 2,5 Prozent pro Jahr unterstellt. Als Instandhaltungskosten seien zudem 1,0 Prozent und als Abschreibungssatz 2,0 Prozent pro Jahr unterstellt. Unter diesen Annahmen ergeben sich die Selbstnutzerkosten rechnerisch wie folgt:

SNKMusterstadt

= 4000 ∙ (0,85 ∙ 0,012) + 4000 ∙ (0,01 + 0,02 ) -  4000 ∙ 0,025 + 4000  ∙ (1 - 0,232)  (1 - 0,85) ∙ 0,0175 + 4000 ∙ (0,0357 + 0,06 + 0,01525)  ∙ (1 - 0,232) ∙ 0,0175 + 4000 ∙ (0,0357 + 0,06 + 0,01525) ∙ 0,012

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Gutachten für die ACCENTRO Real Estate AG

Wohnkostenreport 2021

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Für eine Wohnung von 100 Quadratmetern Größe ent- spräche dies Selbstnutzerkosten von 8.015 Euro pro Jahr oder 6,68 Euro je Quadratmeter und Monat. Läge die mo- natliche Miethöhe bei 9 Euro je Quadratmeter, so ergäbe sich somit ein Selbstnutzerkostenvorteil von 26 Prozent.

Abgrenzung der Selbstnutzerkosten

zur Annuitätenrechnung

2.2

Ergebnisse für Deutschland

Entwicklung der Selbstnutzerkosten und Mieten 1)

Bundesdeutscher bevölkerungsgewichteter 2) Durchschnitt, in Euro je Quadratmeter Wohnfläche pro Monat

Abbildung 2.1

12

Selbstnutzerkosten

Neuvertragsmieten

Bestandsmieten

10

8

6

Wie bereits erwähnt, bleibt der Tilgungsanteil bei der Finanzierung bei den Selbstnutzerkosten unberücksich- tigt, da dieser vermögensbildend ist. Die Zinszahlungen sind Kosten, die für die Bereitstellung des Fremdkapitals von den Banken erhoben werden. Der Tilgungsanteil hin- gegen fließt nicht den Banken zu, diesem steht ein direk- ter Gegenwert in Form der erworbenen Immobilie gegen- über. Bei der klassischen Annuitätenrechnung werden diese beiden Komponenten zusammengefügt. Die Sum- me der beiden ergibt schließlich den Betrag, der monat- lich an den Fremdkapitalgeber überwiesen werden muss. Der Höhe der Annuität kommt damit Relevanz zu, wenn es für einen Haushalt darum geht, eine Immobilien- finanzierung in Relation zum Haushaltseinkommen zu beurteilen.

Die grundsätzliche Idee des Selbstnutzerkostenansatzes ist eine andere. Dieser basiert auf der Prämisse, dass die Kosten des Wohnens zur Miete und im selbst genutzten Eigentum sich in der langen Frist entsprechen sollten. Relevant sind also nur die Kostenkomponenten. Bei der klassischen Annuitätenrechnung werden als Kosten le- diglich die Fremdkapitalzinsen berücksichtigt. Bei den Selbstnutzerkosten finden auch Opportunitätskosten Be- rücksichtigung. Opportunitätskosten sind diejenigen Kosten, die dadurch entstehen, dass Kapital in der Immo- bilie gebunden wird. Es wird also berücksichtigt, welche Renditen möglich wären, wenn das Kapital in alternative Anlageprodukte mit einem ähnlichen Risikoprofil inves- tiert würde. Außerdem bleiben bei der Annuitätenrech- nungen Kosten für Sanierung und Abschreibungen sowie Wertsteigerungen der Immobilie unberücksichtigt.

Der Annuitätenrechnung kommt dennoch ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu. Potenzielle Immobilienkäufer sollten deshalb nicht nur auf einen der beiden Ansätze allein setzen. Deswegen werden im Folgenden auch Ergebnisse einer klassischen Annuitätenrechnung prä- sentiert.

Der bundesdeutsche Durchschnitt der Selbstnutzerkos- ten ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen, wie Abbildung 2.1 zeigt. Die Selbstnutzerkosten lagen im Jahr 2020 bei durchschnittlich 4,32 Euro pro Quadratme- ter und Monat, die Neuvertragsmieten für vergleichbare Wohnungen indes lagen bei 9,89 Euro. Daraus ergibt sich ein Kostenvorteil von 56 Prozent. Die Selbstnutzerkosten sind in den vergangenen zehn Jahren nur zwischen 2015 und 2014 stärker zurückgegangen als 2020. Zwischen 2015 und 2018 hatten die Selbstnutzerkosten eine Trendwende zu verzeichnen. Das Zinsniveau blieb in die- ser Periode quasi konstant, während die Kaufpreise wei- ter anzogen. Aber bereits zwischen 2019 und 2018 wa- ren die Selbstnutzerkosten gesunken, denn die Effektivzinsen der deutschen Banken für Wohnungsbau- kredite mit einer anfänglichen Zinsbindung von über zehn Jahren waren von 1,96 auf 1,54 Prozent gesunken - ein Rückgang um 22 Prozent. Die Selbstnutzerkosten wa- ren im selben Zeitraum aufgrund dessen um 9,0 Prozent gesunken. Im Jahr 2020 sind die Zinsen erneut gefallen, auf 1,22 Prozent, ein Rückgang im Vergleich zu 2019 von 21 Prozent und damit ähnlich stark wie im Vorjahr. Die Selbstnutzerkosten sind jedoch trotz des ähnlich hohen Zinsrückgangs mit minus 17 Prozent um einiges stärker gesunken als im Jahr zuvor. Der Grund für den starken Rückgang der Selbstnutzerkosten ist die Entwicklung des Opportunitätszinses. Die Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen sind im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr deutlich gefallen - von 2,54 auf 1,75 Prozent, was einem Rückgang von 31 Pro- zent entspricht. Das bedeutet, dass Wohneigentum relativ zu dieser alternativen Investition rentabler geworden ist. Ein Rückgang des Opportunitätszinses senkt die Selbstnutzerkosten. Das Corona-Jahr 2020 und die damit verbundenen Unsicherheiten auf Unternehmensseite schlagen sich damit auch in der Entwicklung der Vorteil- haftigkeit des Wohneigentums nieder.

4

2

0

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

2020

1)Bestandsmieten (F + B, 2021) beziehen sich auf eine Wohnung durchschnittlichen Ausstattungs- niveaus und Zustands. Neuvertragsmieten (vdpResearch, 2021) und Verkaufspreise basieren auf Transaktionsdaten und beziehen sich auf Erstverkaufspreise, beziehungsweise Wiederverkaufs- preise von durchgehend sanierten Bestandswohnungen in guter Lage und guter Ausstattung.

  1. Bevölkerungsdaten für 2020 lagen noch nicht vor, für 2020 wurden die Bevölkerungsgewichte von 2019 genutzt. Um dem Zensusbruch im Jahr 2011 Rechnung zu tragen, wurde die Rückrechnung für 2010 gemäß BBSR (2018) angewandt.
    Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft.
    2.3 Ergebnisse in den Top-7-Städten

Auch in den Top-7, den sieben größten deutschen Städ- ten, sind die Selbstnutzerkosten im Vergleich zum Vor- jahr gesunken. Aufgrund ihrer großen Einwohnerzahl be- einflussen diese das bundesdeutsche Ergebnis ohnehin stark. Bei der Berechnung der Selbstnutzerkosten wird unterstellt, dass das Zinsniveau sowohl für Hypotheken- darlehen als auch für alternative Anlagen identisch ist. Verändern sich die Selbstnutzerkosten in einem Kreis zwischen zwei Perioden stärker beziehungsweise schwä- cher als in einem anderen, so ist dies auf Veränderungen im Verhältnis von Mieten zu Kaufpreisen zurückzuführen. Ein Querschnittsvergleich in einem Jahr misst damit auch immer das Verhältnis von Kaufpreisen zu Mieten.

Im Vergleich der sieben größten deutschen Städte war der Selbstnutzerkostenvorteil im Jahr 2020 in Berlin mit recht deutlichem Abstand am geringsten und lag bei 41 Prozent. Dies war auch in den Vorjahren bereits der Fall, im vergangenen Jahr hat zudem der inzwischen für nichtig erklärte Mietendecke dazu geführt, dass die durchschnittlichen Neuvertragsmieten, in unserem Fall für durchgehend sanierte Wohnungen, auf dem Vorjah- resniveau verharrt sind, während die Kaufpreise weiter anstiegen. Doch auch in Berlin sind die Selbstnutzerkos- ten 2020 gesunken, aus oben beschriebenen Gründen. Der Vorteil für Selbstnutzer ist in den Rheinmetropolen Köln und Düsseldorf mit 65 und 64 Prozent am größten.

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Gutachten für die ACCENTRO Real Estate AG

Wohnkostenreport 2021

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Accentro Real Estate AG published this content on 09 June 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 18 June 2021 10:52:00 UTC.