Zürich (awp) - ABB wird von juristischen Auseinandersetzungen aus der Vergangenheit eingeholt. Der Elektrotechnikkonzern muss wegen Bestechungsgeldern hohe Rückstellungen bilden. Abschliessen kann ABB das Kapitel Stromnetze - eine letzte Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen wurde verkauft.

Für das im Jahr 2015 in Südafrika vergebene "Kusile-Projekt" stellt ABB rund 325 Millionen US-Dollar zurück, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Bei dem Fall geht es um den Bau des Kohlekraftwerks Kusile durch die Elektrizitätsgesellschaft Eskom, bei welchem ABB ein Auftragnehmer war.

Bestechungsgelder bei Kraftwerksbau

Letzten Sommer hatten die südafrikanischen Justizbehörden zwei frühere Angestellte des ABB-Konzerns und ihre Ehefrauen festgenommen. Sie wurden der Korruption, des Betrugs und der Geldwäscherei angeklagt.

Die vier Angeklagten sollen die Eskom durch die Annahme von Bestechungsgeldern über 8,6 Millionen Rand (rund 490'000 Franken) geschädigt haben. Sie hätten einen überteuerten Unterauftrag an ein Unternehmen vergeben, das dazu nicht qualifiziert war, so die Staatsanwaltschaft.

Ende 2020 hatte ABB eine Einigung mit der Eskom erzielt. Der Konzern zahlte damals rund 104 Millionen Dollar an Eskom, wobei sich alle Parteien gegenseitig von sämtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Vertrag freistellten.

Mit den zuständigen Behörden hingegen führt ABB immer noch Gespräche über "die noch offenen Angelegenheiten" im Fall Kusile. Immerhin: ABB erwartet auf Grundlage dieser Gespräche keine zusätzlichen Rückstellungen.

Aber die Belastungen werden sich im dritten Quartal 2022 im Ergebnis niederschlagen, erklärte ABB. Analysten weisen darauf hin, dass die Rückstellung rund ein Drittel des Betriebsgewinns von ABB in den Monaten Juli bis September ausmachen.

Stromnetze endgültig verkauft

Auf dem Haben-Seite kann der Konzern die endgültige Trennung von der Stromnetzsparte verbuchen. Die restliche Beteiligung von 19,9 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen Hitachi Energy ist an den japanischen Partner gegangen.

Denn Hitachi hat eine Ende 2018 vereinbarte Kaufoption ausgeübt. Für den restlichen Teil des Joint Ventures kassiert ABB 1,68 Milliarden US-Dollar. Der Mittelzufluss für ABB liege bei rund 1,43 Milliarden. Die Transaktion soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Die Erfolgsrechnung kann ABB damit aber nicht aufpolieren: Man erwarte "keine wesentlichen Gewinne oder Verluste" aus dem Verkauf, hiess es weiter. Die Vereinbarung sei aber früher als erwartet und "zu günstigen Konditionen" zustande gekommen.

Gleichzeitig verschaffe man sich zusätzliche Flexibilität mit Blick auf die Kapitalallokation, erklärte ABB. Damit meinen Unternehmen oft mögliche Übernahmen, den Rückkauf eigener Aktien oder die Höhe der Dividende.

Verkäufe an der Börse

An der Börse kamen die Nachrichten nicht gut an: ABB-Aktien notieren kurz vor dem Mittag in einem freundlichen Gesamtmarkt 0,2 Prozent tiefer.

Der Fall ist laut Analysten exemplarisch dafür, wie hoch die finanziellen Strafen für kriminelle Handlungen einzelner Mitarbeiter ausfallen können. Für eine halbe Million Dollar an Bestechungsgelder, die zwei ABB-Mitarbeitende angenommen hätten, müsse ABB nun insgesamt 430 Millionen an Strafen zahlen. Dazu kämen die Prozesskosten und der Reputationsschaden.

ra/tp