Der Bundestag sucht nach einer Möglichkeit, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu EZB-Staatsanleihenkäufen umzusetzen, ohne dabei die Unabhängigkeit der Notenbank oder den Euro zu beschädigen.

In einer Bundestagsdebatte betonten Redner von Union, SPD, FDP und Grünen, dass dies bei der Debatte über die von Karlsruhe geforderten Prüfungen von Anleihekäufen an oberster Stelle stehen müsse. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, die Notenbank sei nur gegenüber dem Europäischen Parlament auskunftspflichtig und werde sich von ihrem Kurs durch den Richterspruch nicht abbringen lassen.

Nach den Beratungen des Finanz-, Haushalts- und Europaausschusses am Mittwoch über das Urteil zeichnet sich nach Reuters-Informationen aus Parlamentskreisen deshalb ab, dass das Parlament wohl eher den Kontakt zur Bundesbank als Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) als zur EZB direkt suchen wolle. Auch die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschefin Katja Leikert und die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner sprachen sich gegenüber Reuters für diesen Weg aus.

Bundestagsjuristen fordern nach Reuters-Informationen ein neues Gesetz, mit dem das Parlament von der Bundesbank entsprechende Auskunft über EZB-Aktivitäten einfordern soll. Allerdings wurde im Parlament darauf verwiesen, dass man einen Austausch mit der Bundesbank auch ohne Gesetz vereinbaren könne, um auch deren Unabhängigkeit zu wahren. Der von der FDP ins Spiel gebrachte Unterausschuss zur Prüfung der Anleihekäufe wurde in Union und SPD skeptisch beurteilt.

Lagarde sagte am Donnerstag, die EZB werde weiterhin alles unternehmen, um ihr Mandat zur Sicherung der Preisstabilität zu erfüllen: "Unbeirrt werden wir das weiterhin machen." EZB-Vize Luis de Guindos unterstrich, dass für die EZB der Europäische Gerichtshof zuständig sei. Die Kritik der Verfassungsrichter an der Verhältnismäßigkeit der EZB-Entscheidungen zu den Anleihenkäufen wies er zurück. Die Notenbank prüfe bei jeder geldpolitischen Entscheidung stets auch ihre Nebenwirkungen und wäge die Verhältnismäßigkeit ab, sagte er. Laut Irlands Notenbankchef Gabriel Makhlouf wird das Urteil die EZB nicht daran hindern, "ihre unglaublich wichtige Arbeit insbesondere in diesen Krisenzeiten fortzusetzen".

In der Bundestagsdebatte war erkennbar, dass die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD auch keine neue Front zur EZB aufmachen wollten. "Wir gehen fest davon aus, dass eine solche Abwägung stattgefunden hat", sagte der CDU/CSU-Fraktionsvize Andreas Jung mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, verwies darauf, dass der frühere EZB-Präsident Mario Draghi bereits zweimal vor Ausschüssen des Bundestages aufgetreten sei, ein informeller Kontakt also nichts Neues sei. "Ich bin mir ganz sicher, dass die EZB ebenso wie die Bundesbank über alle diese Daten und Fakten (zum Anleihenprogramm) verfügt und auch transparent machen wird."

Das Karlsruher Urteil werde aber mittel- und langfristige Folgen für die Euro-Zone habe, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Die EU-Regierungen müssten entscheiden, ob sie eine Risikoteilung im Euro etwa über Eurobonds wollten oder eine "Stärkung der Politik der fiskalischen Eigenverantwortung", in der notfalls auch private Gläubiger haften müssten. Die FDP sei für den zweiten Weg. Die Grünen-Politikerin Brantner sprach dagegen von einer "Lebenslüge" der Regierung, dass es eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik und gleichzeitig eine unabhängige Zentralbank mit einem limitierten Mandat geben könne.

Der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg forderte eine rasche Entscheidung des Bundestages, weil das Verfassungsgericht der Bundesbank ohne eine Umsetzung der Vorgaben durch Bundesregierung und Bundestag nur drei Monate Zeit gegeben hatte, um weiter an den Anleiheaufkäufen der EZB teilzunehmen.