Bonn (Reuters) - Erbsensuppe mit Wiener Würstchen für alle, der Vorstandschef umarmt den Aufsichtsratschef und kaum jemand trägt eine Gesichtsmaske: Als erster Dax-Konzern wagte die Deutsche Telekom wieder eine Hauptversammlung in Präsenz, und vieles war so wie 2019 vor dem Ausbruch der Corona-Krise.

Mit dem Aktionärstreffen endete die Ära von Aufsichtsrat Ulrich Lehner nach 14 Jahren und 352 Sitzungen des Gremiums und seiner Ausschüsse, auf denen er laut Telekom-Chef Timotheus Höttges nicht ein einziges Mal fehlte. "Da werden viele Erinnerungen wach", sagte der 75-jährige frühere Henkel-Chef. Den Staffelstab soll Deutsche-Post-Chef Frank Appel übernehmen, der zunächst beide Posten parallel ausüben will, was Aktionärsvertreter kritisierten. Der 60-Jährige versicherte: "Ich glaube, dass ich genügend Zeit haben werde."

Appel verwies darauf, dass er im Sommer bereits Aufgaben bei der Post abgibt, um Zeit zu gewinnen. Dadurch falle ein halber bis ein ganzer Tag pro Woche weg, sagte Appel. Zugleich sprach er seine Erfahrung im Umgang mit Staatsbeteiligungen an. Der Bund nimmt bei beiden Bonner Konzernen eine Schlüsselposition ein. "Verfügbare Kandidaten dieses Kalibers sind rar", sagte der ehemalige Henkel-Chef Lehner. Angesichts seines altersbedingten Rückzugs wollte Lehner vorerst keine Nostalgie aufkommen lassen, wie er im Gespräch mit Reuters betonte: "Alles andere kommt nach dieser Hauptversammlung." Aber er vermisse seine Frau, die mal hören solle, wie er von allen gelobt werde. Den von ihm geliebten Gong, mit dem er auch die Redezeit der Aktionäre eingrenzte, durfte er - in magentafarben - nach Hause mitnehmen.

Einige der Aktionäre, die aus der ganzen Bundesrepublik angereist waren, feierten zwar mit Applaus die Präsenzveranstaltung, trauerten aber auch der Vergangenheit nach. "Es hat alles nachgelassen", sagte der 77-jährige Erich aus Nürnberg mit Blick auf die kulinarische Versorgung, die erst nach 12 Uhr warme Würstchen vorsah. Er wollte sich nach dem Mittagessen dann auch lieber die ehemalige Hauptstadt anschauen und Mitbringsel für die Enkel kaufen. Die gebürtige Bonnerin Monika, die an jeder Hauptversammlung der Telekom seit dem Börsengang 1996 teilnahm, war froh, wieder vor Ort dabei sein zu können: "Sonst sind die Informationen leider schleppend." Enttäuschend sei, dass sich beim Aktienkurs nichts ändere. Beim ersten Gang auf das Parkett lag der offizielle Ausgabekurs bei umgerechnet 14,57 Euro, bei späteren Platzierungen kostete die Aktie deutlich mehr. Am Donnerstag legte das Papier 0,6 Prozent auf 17,70 Euro zu.

FOKUS AUF FUNKTURMGESCHÄFT

Viele Fragen gab es auf der Hauptversammlung zum Funkturmgeschäft. "Das Interesse an unseren Funktürmen ist derzeit gewaltig", sagte Höttges. Die Anlagen seien wegen ihrer Langfristigkeit hochattraktiv. Trotzdem will sich der 59-Jährige, dessen Vertrag vorzeitig bis 2026 verlängert wurde, nicht drängen lassen: "Wir schauen uns das momentan in Ruhe an. Wie immer gilt, mit wem wir uns am Ende des Tages zusammentun, wir machen keine schlechten Deals." Insidern zufolge hat der Telekomkonzern den milliardenschweren Verkaufsprozess für die Funkturm-Tochter inzwischen auf den Weg gebracht. Unter den Interessenten soll sich der europäische Branchenprimus Cellnex befinden, außerdem wohl auch die Vodafone-Tochter Vantage Towers.

Im vergangenen Jahr steigerte der Konzern das bereinigte Betriebsergebnis nach Leasingaufwendungen (Ebitda AL) um 6,6 Prozent auf 37,3 Milliarden Euro. Die US-Tochter T-Mobile trägt inzwischen rund die Hälfte zum Gewinn bei. Allerdings halten die Bonner, die mehr als 215.000 Mitarbeiter beschäftigen, weiterhin nicht die Kontrollmehrheit am US-Geschäft, was Höttges "in Kürze" ändern will. Die Dividende soll für das abgelaufene Geschäftsjahr um vier Cent auf 64 Cent je Aktie steigen. Ingo Speich vom Sparkassen-Fondshaus Deka warf der Telekom vor, "knausrig mit der Beteiligung ihrer Aktionäre am Geschäftserfolg umzugehen" und bekam für diese Aussage einigen Applaus. Höttges versprach. Man werde nun zunehmend die Früchte der Investitionen in den USA ernten - und das werde sich in steigenden Dividenden widerspiegeln.