Zürich (awp) - Die Grossbank Credit Suisse publiziert am Mittwoch, 27. Juli, das Ergebnis zum zweiten Quartal 2022. Insgesamt haben sechs Analysten zum AWP-Konsens beigetragen.

Q2 2022E
(in Mio Fr.)                AWP-Konsens    Q2 2021A 

Geschäftsertrag                 4123         5103       
Geschäftsaufwand                4272         4315       
Reinergebnis                    -254          253       
Ergebnis vor Steuern            -327          813       
- Wealth Management               72          770       
- Swiss Bank                     381          445       
- Investment Bank               -286          -16       
- Asset Management                31          120      

FOKUS: Die Credit Suisse hatte im Juni angekündigt, dass sie im zweiten Quartal in die roten Zahlen rutschen und damit den dritten Quartalsverlust in Folge erleiden wird. Ins Minus gezogen wird das Gesamtergebnis laut den Angaben von einen Verlust der Investment Bank. Die Division dürfte in den vergangenen Monaten stark unter dem schwierigen Finanzmarkt-Umfeld gelitten haben. Ausserdem hat die CS im Rahmen ihrer Restrukturierung der Investment Bank diverse Geschäfte reduziert oder ganz aufgegeben.

Der Rückgang der verwalteten Vermögen (AuM) und eine steigende Risikoaversion der Bankkundinnen und -kunden im Rahmen der Markteinbrüche dürften die Erträge aber auch in der wichtigsten Division Vermögensverwaltung sowie im Asset Management deutlich verringert haben. Auf dem Ergebnis der Bank wird zudem wohl, wie auch schon im Vorquartal, eine tiefere Bewertung der Beteiligung an der Fonds-Plattform Allfunds lasten.

Insgesamt sieht die CS das Jahr 2022 als "Übergangsjahr" im Rahmen der neuen Strategie an, wie CS-CEO Thomas Gottstein im Juni vor Investoren betont hatte. Die Resultate der Restrukturierungen dürften dabei wohl erst im Übergang ins Jahr 2023 sichtbar werden, erklärte er damals. Dank zentralisierten Funktionen und organisatorischen Massnahmen sollen aber bereits im laufenden Jahr Einsparungen in Höhe von 200 Millionen im laufenden Jahr sowie von weiteren 200 Millionen im kommenden Jahr erzielt werden.

Aufgrund der anhaltend schwachen Ertragslage könnten bei der Grossbank aber auch weitere Kosteneinsparungen zum Thema werden. So schrieb die "SonntagsZeitung", dass ein grosses "Sparpaket" bereits in der Diskussion sei - eine Ankündigung an der Quartalszahlenvorlage sei aber nicht sicher. Die Investoren werden zudem auf Hinweise auf das zweite Halbjahr und auf das Ergebnis im Gesamtjahr achten - im April war die CS noch von einem Gewinn für 2022 ausgegangen. Auch die Kapitalsituation der Bank könnte aufgrund der anhaltenden Verluste mittelfristig zu einem Thema werden.

ZIELE: Die Credit Suisse-Führung hatte im November 2021 mit einer neuen Gruppenstrategie und einer neuen Organisations-Struktur auch neue Ziele formuliert.

- Die Rendite auf dem materiellen Eigenkapital soll für die Gruppe bis 2024 mehr als 10 Prozent betragen. Angestrebt wird zudem ein bereinigtes Aufwand-Ertrags-Verhältnis von rund 70 Prozent (2021: 84,1%). In allen vier Divisionen sollen "Wachstumsinvestitionen" in Höhe von 1-1,5 Mrd pro Jahr getätigt werden.

- Die Bank will bis 2024 jährliche strukturelle Kosteneinsparungen von 1 bis 1,5 Milliarden erreichen, dies durch Vereinfachungen, Zusammenlegungen von Funktionen und Automatisierungen. Damit sollen die Investitionen in das Wachstum finanziert werden.

- Für die Investmentbank ist eine Reduktion des Kapitals um über 3 Milliarden Dollar bis 2022 vorgesehen, dies infolge des Ausstiegs aus dem "Prime Services"-Geschäft. Dagegen werde in Geschäftsbereiche investiert, die Wettbewerbsvorteile ausweisen, oder beratungsorientiert und weniger kapitalintensiv sind, hiess es.

- Die Wealth Management-Division soll mit einer Zuteilung von rund 3 Mrd. Fr. bis 2024 gestärkt werden. Das Kundengeschäftsvolumen soll bis 2024 auf etwa 1,6 Billionen Fr. und die verwalteten Vermögen auf rund 1,1 Billionen Fr. gesteigert werden. Zudem sollen höhere wiederkehrende Erträge von mehr als 1 Mrd Fr. erzielt werden. Dazu kommen zusätzliche "Wachstumsinvestitionen" wie die Einstellung von rund 500 zusätzlichen Kundenberaterinnen und -beratern und die Zunahme von Investitionen in Technologie um rund 60 Prozent bis 2024.

- Die Einheiten Wealth Management, Swiss Bank und Asset Management sollen 2022 zwei Mal so viel Kapital zugeteilt erhalten wie die Investment Bank (heute 1,5x).

- Die Quote des harten Kernkapitals (CET1) soll bis 2024 mehr als 14 Prozent betragen, die Leverage Ratio des harten Kernkapitals (CET1) wird bei rund 4,5 Prozent angepeilt.

- 2022 sollen die Aktionäre eine Reingewinn-Ausschüttung von rund 25 Prozent erhalten - entsprechende Markt- und Wirtschaftsbedingungen vorausgesetzt.

PRO MEMORIA:

GEWINNWARNUNG: Anfang Juni hatte die CS einen weiteren Verlust für das zweite Quartal angekündigt. Die Marktbedingungen seien im zweiten Quartal 2022 weiterhin schwierig, schrieb die Bank damals mit Verweis auf die Ukraine-Invasion Russlands und auf die Straffungen der Geldpolitik als Reaktion auf die steigende Inflation. Diese Faktoren hätten zu einer erhöhten Marktvolatilität, schwachen Kundenbewegungen und einem anhaltenden Risikoabbau der Kunden vor allem in Asien geführt. Die Investment Bank dürfte derweil rote Zahlen schreiben, dies unter anderem wegen einem tiefen Niveau der Kapitalmarktemissionen und der Ausweitung der Kredit-Spreads. Zudem wird das Ergebnis von den Wertschwankungen der Allfunds-Beteiligung negativ beeinflusst werden.

VERWALTUNGSRAT: Die Credit Suisse-Aktionäre gewährten an der Generalversammlung im April dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung Entlastung für 2021, sie verweigerten aber die nachträgliche Entlastung für das Geschäftsjahr 2020. Von der Entlastung 2021 ausgenommen sind zudem die Vorkommnisse um die mit Greensill Capital geführten "Lieferketten-Finanzierungsfonds".

GESCHÄFTSLEITUNG: Die CS-Geschäftsleitung ist in den vergangenen Monaten weiter umgebildet worden. Per Anfang Juli hat der neue Rechtschef Markus Diethelm, früherer UBS-Chefjurist, sein Amt angetreten. Die Region Asien-Pazifik (APAC) wird von Edwin Low geleitet, nachdem Helman Sitohang per Anfang Juni abgegeben hatte. Weiterhin offen ist das Amt des Finanzchefs. Der langjährige CFO David Mathers, der auch die Credit Suisse International (CSI) leitet, hatte Ende April ebenfalls seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er will aber seine Aufgaben solange fortführen, bis die geeigneten Nachfolger für beide Funktionen gefunden worden sind.?

GREENSILL: Das Debakel um die "Greensill-Fonds" hat die CS auch im zweiten Quartal beschäftigt. Die Fonds haben nun die Rückstellungen für geschätzten Liquidationskosten in den Jahren 2021 bis 2026 laut jüngsten Angaben vom Juli auf 291 Millionen Dollar erhöht. Der Anstieg wird mit der viel längeren Laufzeit begründet, die von den Rückstellungen abgedeckt würden. Zudem traf das CS Asset Management mit dem Fondsschuldner Bluestone Resources eine Einigung, bei dem Bluestone regelmässige Zahlungen leisten will. Die mit der insolventen Greensill Capital geführten "Lieferketten-Finanzierungs-Fonds" (Supply Chain Finance Funds SCFF) waren im März 2021 geschlossen worden. Von den Fondsvermögen von ursprünglich rund 10 Milliarden Dollar hat die CS bisher 7,3 Milliarden Dollar einsammeln können. An die Investoren in die vier Greensill-Fonds sind daraus 6,75 Milliarden Dollar ausgezahlt worden.

BULGARIEN-CONNECTION: Das Bundesstrafgericht hat im Juni im Geldwäscherei-Prozess gegen die Credit Suisse um ein kriminelles bulgarisches Netzwerk eine Geldstrafe von 2 Millionen Franken ausgesprochen. Das Gericht stellte Mängel innerhalb der Bank im Zeitraum von Juli 2007 bis Dezember 2008 fest. Dies sowohl hinsichtlich der Führung der Kundenbeziehungen mit der kriminellen Organisation als auch hinsichtlich der Überwachung der Umsetzung der Regeln zur Geldwäschereibekämpfung. Handlungen vor dem 27. Juni 2007 seien verjährt. Die Bundesanwaltschaft hatte der CS und weiteren Mitangeklagten vorgeworfen, zwischen 2004 und 2008 Gelder für die in den Kokainhandel verwickelte Bande gewaschen zu haben. Die Credit Suisse kündigte nach dem Urteil an, in Berufung zu gehen.

LESCAUDRON: Die Aktivitäten des früheren CS-Kundenberaters Patrice Lescaudron belasten die Grossbank auch weiterhin. Lescaudron hatte bei seinen internationalen Kunden, darunter dem ehemaligen georgischen Regierungschef Bidzina Ivanishvili, hohe Verluste verursacht. Ein Gericht auf den Bermudas hat die Grossbank Ende März in eine Prozess des früheren georgischen Regierungschef Bidzina Ivanishvili gegen die CS zu einer Zahlung von 607 Millionen Dollar verurteilt, wie neuen Gerichtsdokumenten zu entnehmen ist. Die Grossbank hatte umgehend angekündigt, das Urteil anzufechten. Zudem führt die Genfer Staatsanwaltschaft eine Untersuchung gegen die CS wegen des Verdachts auf Geldwäscherei. Es soll dabei um von Lescaudron ausgeführte Transaktionen in Höhe in den Jahren 2008 bis 2014 gehen, welche die CS durchgelassen habe. Bei der Credit Suisse stellt man sich auf den Standpunkt, dass Lescaudron alleine gehandelt und seine Machenschaften geheim gehalten habe. Lescaudron war 2015 bei der CS entlassen 2018 in Genf zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

MOSAMBIK: Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hat laut einem Medienbericht eine Untersuchung gegen CS-Mitarbeitende eingeleitet. Die Behörde will demnach wissen, wer im Mosambik-Fall bei der bankinternen Geldwäschereiaufsicht versagt hat. Eine EFD-Sprecherin wollte zu dem Bericht keine Stellung abgeben, da er sich auf ein laufendes Verfahren bezieht. Beim Mosambik-Streitfall geht es um milliardenschwere Kredite an das afrikanische Land, die mit Korruptionsvorwürfen behaftet sind. 2013 hatten britische CS-Tochtergesellschaften Kredite von einer Milliarde Dollar an zwei mosambikanische Staatsgesellschaften arrangiert. Dabei sollen Gelder in der Höhe von mehreren hundert Millionen "zweckentfremdet" worden sein.

ÜBERNAHMEGERÜCHTE: Für massive Schwankungen des Aktienkurses sorgte Anfang Juni der Bericht eines Newsportals über ein angebliches Kaufinteresse des US-Instituts State Street an der Schweizer Grossbank. Der CS-Aktienkurs stieg in der Folge zwischenzeitlich klar an. Die Credit Suisse kommentierte das Gerücht zwar nicht direkt, CEO Thomas Gottstein schmettert tags darauf an einer Investorenkonferenz eine Bitte um einen Kommentar zu den Gerüchten allerdings als "dumme Frage" ab.

AKTIENKURS: Die CS-Aktien sind im laufenden Jahr mit einem Minus von rund 40 Prozent erneut schwächste Aktien im Schweizer Leitindex SMI. Im Juni waren die Aktien mit einem Kurs von 4,99 Fr. sogar kurzzeitig unter die Marke von 5 Franken abgesackt. Auch weitere Finanztitel wie Partners Group oder Julius Bär stehen im laufenden Jahr allerdings stark unter Druck, die Aktien der direkten Konkurrentin UBS halten sich mit einem knappen Minus von 2 Prozent aber deutlich besser. Bereits im insgesamt guten Börsenjahr 2021 hatten die CS-Titel mit einem Minus von 22 Prozent die rote Laterne im SMI getragen.

Homepage: www.credit-suisse.com

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