Zürich (awp) - Severin Schwan, CEO des Pharmakonzerns Roche, macht sich gewisse Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit von Europa im Gesundheitswesen. "Wir stehen an einer Schwelle, wo insbesondere die Digitalisierung bei der Forschung und Entwicklung von Medikamenten eine ganz wesentliche Rolle spielt", sagte er in einem Interview mit der "Schweiz am Wochenende".

"Unsere Biologen, Chemiker und Mediziner müssen zunehmend auch mit Informatikern zusammenarbeiten, um ein neues Medikament zu entwickeln. Da haben die USA die Nase vorn. Gleichzeitig investiert China massiv in die Nutzung grosser Datenmengen, also Big Data, und künstliche Intelligenz. Europa hat hier einen strukturellen Nachteil."

In Europa gebe es aufgrund der gewachsenen Strukturen eine starke Fragmentierung von relevanten Datensätzen im Gesundheitswesen. Da seien die USA und China weiter. Und das Problem Europas zeige sich exemplarisch an der Schweiz. "Das Land ans sich ist nicht nur klein, sondern auch innerhalb der Grenzen stark fragmentiert." Es brauche deshalb massive Anstrengungen, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Nachholbedarf bei elektronischen Patientendossiers

Schwan bemängelt etwa, dass Patientendaten in der Schweiz oft nur auf Papier festgehalten und noch nicht digitalisiert seien, oder dass es keine einheitlichen Standards gebe. "So können die Daten nicht verarbeitet werden." Am Beispiel des elektronischen Patientendossiers zeige sich, dass die Schweiz eindeutig Nachholbedarf habe. Viele andere Länder hätten dies längst eingeführt.

Schwan äussert sich auch zum Problem der hohen Kosten von einer Million Franken und mehr beispielsweise für eine neue Gentherapie. "In den Verhandlungen mit den Krankenkassen gilt im Grundsatz für die Gentherapien das Gleiche, wie für jedes andere Medikament. Wir müssen demonstrieren, welchen Nutzen ein Medikament für den Patienten und das Gesundheitswesen als Ganzes bringt. Der Nutzen von Gentherapien kann sehr gross sein, weil damit die Heilung eines Patienten möglich ist."

Der Roche-Chef kann sich Modelle vorstellen, mit denen die Kosten über die Jahre aufgeteilt würden. Dazu brauche es verlässliche Partnerschaften zwischen den Herstellern und den Versicherern sowie gewisse politische Rahmenbedingungen, etwa wenn ein Patient die Krankenkasse wechsle.

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