NEUBIBERG (dpa-AFX) - Die Folgen der Coronavirus-Pandemie machen dem Chiphersteller Infineon zu schaffen. Dennoch ist es dem Dax-Unternehmen aus Neubiberg bei München unter Konzernchef Reinhard Ploss bislang gelungen, halbwegs glimpflich durch die Krise zu kommen und auf Kurs zu bleiben. Hoffnung für die Zukunft macht der im Frühjahr abgeschlossene milliardenschwere Zukauf des US-Halbleiterherstellers Cypress Semiconductor. Was bei Infineon los ist, wie Analysten die weiteren Perspektiven bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Belastungen gibt es vor allem im Geschäft mit der Autoindustrie, mit der Infineon den Löwenanteil des Umsatzes macht. Hier hatte es wegen einer schon damals trägen Autokonjunktur aber auch schon vor der Viruskrise gehakt, ehe die Pandemie hinzukam. Obwohl Infineon im dritten Geschäftsquartal (Ende Juni) besser abschnitt als von Marktexperten erwartet und beim Ausblick sogar leicht optimistischer wurde, hatte Ploss verdeutlicht, dass die Krise noch nicht vorbei sei.

Kräftigen Rückenwind liefern soll dem Konzern derweil der im April nach einer längeren Hängepartie übernommene US-Halbleiterkonzern Cypress Semiconductor. Mit einem Volumen von 9 Milliarden Euro ist es der größte Zukauf in der Unternehmensgeschichte von Infineon. Die frühere Siemens-Tochter erhofft sich eine Menge von den Kaliforniern, die das Portfolio deutlich erweitern und mit denen an Bord Infineon perspektivisch wieder zum dauerhaft hohen Wachstum der Vergangenheit zurückkehren möchte. Weitere größere Akquisitionen sind laut Ploss erst einmal nicht geplant.

Unabhängig davon werde das Geschäftsmodell von Infineon durch die laufende Integration des US-Unternehmens gestärkt, hatte er im Sommer betont. Seit Mitte April wird Cypress in der Bilanz konsolidiert, die Geschäftsbereiche der Kalifornier wurden auf verschiedene Segmente Infineons aufgeteilt.

Im dritten Geschäftsquartal hatten die Neubiberger aber trotz der Konsolidierung der Cypress-Geschäfte in der Automotive-Sparte Umsatzeinbußen im Vergleich zum Vorjahr und zum Vorquartal hinnehmen müssen. Allerdings sah Ploss damals im besonders hart von der Krise getroffenen Automarkt konkrete Anzeichen einer Erholung.

Dagegen konnte Infineon in der zweitgrößten Sparte PSS (Power & Sensor Systems) klar zulegen. In der PSS-Sparte ist unter anderem das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets gebündelt. Auch im Industriegeschäft (IPC) und im Geschäft mit Sicherheitslösungen (CSS) verzeichnete der Konzern im Jahres- und Quartalsvergleich Zuwächse, die in der CSS-Sparte besonders stark ausfielen.

Im Hinblick auf die längerfristige Entwicklung von Infineon hatte sich der Manager ohnehin unverändert optimistisch gegeben. Zumal die strukturellen Wachstumstreiber des Unternehmens - etwa Big Data, Sicherheit und Mobilität - aus seiner Sicht nicht nur intakt sind, sondern teils sogar noch verstärkt würden.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Seit der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal Anfang August haben sich 14 Analysten näher mit Infineon befasst. Dabei überwiegen die positiven Einschätzungen eindeutig. Gleich acht Marktexperten empfehlen den Kauf der Titel, fünfmal lautet der Rat, die Anteilsscheine zu halten und die weiteren Entwicklungen im Unternehmen genau im Blick zu behalten. Mit Achal Sultania von der Credit Suisse spricht sich lediglich ein Analyst für den Verkauf der Aktie aus. Er hat mit 19,20 Euro auch das niedrigste Kursziel auf dem Zettel.

Deutlich optimistischer gestimmt gibt sich dagegen die Schweizer Großbank UBS, die mit exakt 29 Euro den höchsten Wert aufruft. Ihr Analyst David Mulholland begründet seine Zuversicht für die Berichtssaison der europäischen Hardwarebranche und insbesondere für Halbleiterunternehmen auch mit den Signalen von STMicro und Dialog, nach denen mit weiteren positiven Überraschungen gerechnet werde. Das zurückliegende Quartal dürfte nach Ansicht von Mulholland sogar nur der Auftakt einer starken zyklischen Erholung sein.

Zuversichtlich ist auch Andrew Gardiner von der britischen Investmentbank Barclays. Der europäische Technologie-Hardware-Sektor habe die Corona-Krise bislang gut gemeistert, urteilt der Analyst. Die Geschäftsentwicklungen der Unternehmen im zurückliegenden Quartal dürften vor allem dank einer Erholung der Absatzbranchen Automobil und Mobilfunk gut ausgefallen sein, so Gardiner.

Ähnlich sieht das DZ-Bank-Experte Harald Schnitzler, der davon ausgeht, dass die die Autosparte von Infineon die Talsohle hinter sich habe. Die steigende Nachfrage nach Elektroantrieben und Fahrassistenzsystemen, die einen höheren Halbleiteranteil benötigten, ermögliche überproportionales Wachstum.

Derweil erwartet Analystin Tammy Qiu von der Privatbank Berenberg, dass die Branche von einer allmählich stärkeren Nachfrage nach Halbleitern für die Autoindustrie und den Mobilfunkstandard 5G profitieren sollte. Dagegen verweist die Investmentbank Oddo darauf, dass das Segment der Automobilhalbleiter sich zwar einerseits schneller als erwartet erhole. Doch andererseits seien die Aussagen von Infineon zur Nachfrage aus diesem Bereich vergleichsweise zurückhaltend gewesen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Auch die Infineon-Papiere haben den Corona-Crash im Frühjahr deutlich zu spüren bekommen. Kostete die Aktie Mitte Februar noch rund 23 Euro, ging es anschließend in den Keller. Am 19. März waren die Titel zwischenzeitlich nur noch etwas mehr als 10 Euro wert. Damit hatten sie innerhalb von nur etwas mehr als einem Monat über die Hälfte eingebüßt.

Danach setzte jedoch eine ebenso kontinuierliche wie steile Erholung ein, bis auf ein Hoch seit dem Jahr 2002 von 28,33 Euro Mitte Oktober. Seitdem ging es für die Aktie aber wieder ein Stückchen bergab auf zuletzt rund 26 Euro.

Im laufenden Jahr haben die Titel trotz aller Turbulenzen an den Finanzmärkten über ein Fünftel gewonnen. Auf längere Sicht sieht es noch bedeutend besser aus: So haben die Papiere ihren Wert seit Ende 2013 in etwa verdreieinhalbfacht. Wer zum Tiefstkurs während der Weltfinanzkrise 2009 zugriff, kann sich über rund 6800 Prozent Kursgewinn freuen.

In Sachen Börsenwert liegt Infineon im deutschen Leitindex Dax mit rund 34,5 Milliarden Euro im Mittelfeld. Damit ist der Konzern etwas mehr wert als Konkurrent STMicro, der es auf etwas mehr als 26 Milliarden Euro bringt./eas/nas/fba