Wien (Reuters) - Der österreichische Öl- und Gaskonzern OMV bekommt nächstes Jahr eine neue Führung. Der wegen angeblicher Bespitzelung von Umweltaktivisten in den Fokus geratene Vorstandschef Rainer Seele will seinen Ende Juni 2022 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, wie das teilstaatliche Unternehmen am Montag mitteilte. Seele habe Aufsichtsratschef Mark Garrett mitgeteilt, er wolle seine Verlängerungsoption um ein weiteres Jahr nicht in Anspruch nehmen.

Ursprünglich wurde erwartet, dass der Aufsichtsrat im Juni über die Vertragsverlängerung entscheidet. Der 60-jährige gebürtige Deutsche, der seit Mitte 2015 an der OMV-Spitze steht, hat die Entscheidung nun vorweg genommen. Ein Firmensprecher sagte, Seele habe den Entschluss aus persönlichen Gründen getroffen. Der Aufsichtsrat muss nun einen Nachfolger suchen.

Die Grünen, die in einer Koalition mit der konservativen ÖVP regieren, begrüßten den Schritt. "Der angekündigte Rückzug von OMV-CEO Rainer Seele ist eine längst fällige und richtige Entscheidung", sagte Lukas Hammer, Klima- und Energiesprecher der Grünen. Viel zu lange habe der Konzern unter Seele die Klimakrise ignoriert und weiter angeheizt. "Mehr denn je braucht es nun eine strategische Neuausrichtung und einen klaren Weg Richtung Klimaneutralität 2040". Die aktuell im Raum stehenden Vorwürfe der Bespitzelung müssten rasch und lückenlos aufgedeckt werden.

Die Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Fridays for Future Austria werfen der OMV vor, Umweltaktivisten überwachen zu lassen. Sie forderten daher den Rücktritt von Seele. Die Umweltschützer wandten sich auch an die Politik. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat in einem Brief an Seele eine Beantwortung der Fragen rund um die erhoben Anschuldigen eingefordert. Die OMV wies die Vorwürfe zurück und lud die Organisationen zu einem Gespräch ein. Greenpeace bezeichnete den Rückzug ebenfalls als einen "längst überfälligen Schritt". Nun müsse die OMV "zu einem zukunftsfähigen und transparenten Konzern umgebaut werden", sagte Geschäftsführer Alexander Egit.

Unter Seeles Führung hat die OMV maßgeblich die Weichen in Richtung Chemie gestellt. Der frühere Wintershall-Chef und studierte Chemiker schlug damit einen anderen Weg ein als viele seiner größeren Konkurrenten, die als Alternative zum Öl auf erneuerbare Energien setzen. Der milliardenschwere Kauf von Mehrheitsanteilen am Petrochemiekonzern Borealis - die bisher größte Übernahme eines österreichischen Unternehmens - brachte ihm neben Lob auch Kritik ein. Der Zukauf mache strategisch Sinn, sei aber mit einem Kaufpreis von über vier Milliarden Euro vom Zeitpunkt her herausfordernd, sagten Analysten. Die Corona-Krise sorgte bei der OMV im vergangenen Geschäftsjahr für einen herben Gewinneinbruch. Das Geschäft mit der Suche und Förderung von Öl und Gas litt unter dem massiven Preisverfall bei den Rohstoffen. Seele, der zu den am besten bezahlten Managern in Österreich zählt, verpasste der OMV einen Sparkurs und trennte sich unter anderem von Geschäftsanteilen, um den Deal zu finanzieren. Am Donnerstag will die OMV die Ergebnisse für das erste Quartal veröffentlichen.

Seele, der auch Präsident der Russischen Außenhandelskammer ist und gute Verbindungen zum russischen Energieriesen Gazprom hat, setzte sich auch stets für die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 ein. Die OMV ist neben anderen Firmen an der Finanzierung beteiligt. Trotz Sanktionsdrohungen der USA rechnet der OMV-Chef mit der Fertigstellung der Röhre.