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Deutsche Finanzinstitute investieren kaum in junge Fintechs.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es gibt Investoren, die ein Start-up gleichsam adeln, wenn sie dort Kapital hineinstecken. Warren Buffett gehört natürlich dazu oder Bill Gates, aber auch Peter Thiel, deutschstämmiger Milliardär und Tech-Visionär, der als Paypal-Gründer und erster Investor mit Facebook ein Vermögen machte. Als kürzlich bekannt wurde, dass Thiel in das deutsche Fintech-Start-up Kreditech investiert, ging auf der Facebook-Seite von Gründer Sebastian Diemer sogleich ein warmer Regen an Glückwünschen nieder. Dass die Firma wegen hochverzinslicher Kurzzeitkredite seit geraumer Zeit auch in der Kritik steht, ging an dem Tag dann eher unter.

Denn auf einen Ritterschlag von einem wie Thiel hoffen viele Fintechs. So nennt sich jene Armada an Start-ups, die seit zwei, drei Jahren weltweit ins Geldgeschäft drängen und den etablierten Banken Konkurrenz machen wollen. Vaamo, Fidor oder Moneymeets heißen sie und wollen das Bankgeschäft für die Kunden vereinfachen, mit Apps für die Kontoführung, aber auch mit neuen Ideen für bessere digitale Abläufe innerhalb einer Bank. Inzwischen gibt es weltweit mehr als 12 000 solcher Fintechs, sie sitzen in London, im Silicon Valley, manchmal auch in Berlin.

Die meisten von ihnen werden so schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind, so ist das bei Start-ups. Aber am Ende könnten auch ein, zwei große Spieler übrig bleiben, die wie Facebook oder Google die Gesetze der Branche neu schreiben.

Kein Wunder daher, dass Wagniskapitalgeber derzeit wie noch nie in die agile Szene investieren, gefolgt von Medienunternehmen und großen Banken. Das meiste Kapital fließt nach London oder Palo Alto, immerhin gut 80 Millionen Euro kamen zuletzt aber auch in Deutschland an.

Die einen beobachten die Sonnenfinsternis vom Frankfurter Finanzviertel aus, die anderen halten Ausschau nach viel versprechenden Fintech-Start-ups. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters )

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Aus welchen Quellen das Kapital für deutsche Fintechs genau stammt, hat nun die Unternehmensberatung Barkow Consulting aufgeschlüsselt. Die Studie, die der SZ vorliegt, kommt gleich zu mehreren interessanten Ergebnissen. Der erste Befund: Zwar haben bereits einige große US-Fintech-Investoren in Deutschland Geld ausgegeben und das Kapital stammt außerdem aus 19 verschiedenen Ländern. Aber: Bislang hat nach bekannter Datenlage keiner der größten zwölf US-Fintech-Investoren in Deutschland zugegriffen.

"Die deutschen Institute haben großen Nachholbedarf und wenig Zeit zu verlieren."

Der zweite Befund ist wohl der wichtigste: Anders als die internationale Konkurrenz investieren deutsche Banken noch sehr zögerlich in Fintechs. Gut 150 Investoren und ihre Investments hat Barkow Consulting untersucht sowie mehr als 250 Finanzierungsrunden. Heraus kam: Fast drei Viertel der Geldgeber sind Finanzinvestoren, also vergleichbar mit einem Peter Thiel. Und während immerhin acht Prozent aus der Medienbranche stammen, stellen die Banken nur sieben Prozent der Investments. Insgesamt haben Medienfirmen in 37 Fintechs investiert, während die Banken nur 14 Einstiege vorweisen können. Versicherer? Sind bislang außen vor.

Man könnte einwenden, es sei auch nicht Aufgabe der Banken riskantes Wagniskapital zu verteilen. Doch vergeben sie sich damit wohl auch Chancen, auf die Innovationen der agilen, jungen Unternehmen zuzugreifen. Studienautor Peter Barkow sagt: "Die US-Banken Goldman Sachs und JP Morgan investieren in großem Stil weltweit in Fintechs. Die deutschen Institute hingegen sind sehr zögerlich. Oder besser gesagt: Sie haben großen Nachholbedarf und wenig Zeit zu verlieren".

Kommentar: Einfach zu ängstlich

Deutschlands Banken sind Kritik gewohnt. Mal geht es um ihre skandalgeprägte Vergangenheit, dann wieder um das Gebaren auf den Chefetagen oder gleich das ganze Geschäftsmodell. Relativ neu ist der Vorwurf, dass sie den Megatrend Digitalisierung verschlafen und das Feld komplett einer innovativen Gründerszene überlassen, im Branchenslang Fintechs genannt.

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Immerhin vergeht kaum eine Fachtagung, auf der die Bankmanager nicht beschwören, wie ernst sie die innovative Konkurrenz aus dem Fintech-Lager nehmen. Tatsächlich gehen die Kreditinstitute zunehmend Kooperationen mit digitalen Angreifern ein: die Sparda-Bank Berlin etwa mit der Online-Kreditplattform Zencap, die Deutsche Bank mit Gini. Das Münchner Start-up hat eine flotte App entwickelt, mit der man Daten aus einem Rechnungsdokument einscannen und sich das nervige Abtippen von Iban-Nummern sparen kann. Und natürlich soll in die eigene Digitalisierung investiert werden; von Milliardensummen ist die Rede, wie so oft im Finanzgewerbe. Allein der Marktführer Deutsche Bank will bis 2020 insgesamt eine Milliarde Euro ausgeben. Die Erkenntnis: Noch mögen die Kunden zuweilen einen Fuß in die Filiale setzen, in Zukunft aber Bankgeschäfte fast nur noch online abwickeln.

Reicht das? Eher nicht. Denn im entscheidenden Punkt sind die Banken auffällig hasenfüßig. Sie investieren so gut wie nicht direkt in Fintechs. In kleinen, agilen Start-ups jedoch könnte das Kapital einen viel höheren Wirkungsgrad entfalten als in konzerninternen Projekten, wo Geld allzu oft verbrannt wird. Fintechs sind in der Regel mutiger und innovativer, ihre Gründer dank überschaubarer Strukturen entscheidungsstärker. Banken, die sich in Fintechs einkaufen, können daher auf eine Art Naturaldividende hoffen, indem sie sich diese Schnelligkeit ins Haus holen.

Das allerdings setzt bei den Banken eine gewisse Risikofreude voraus und das Wissen, mit einem Investment auch einmal daneben zu liegen. Fehlender Wagemut ist ein weiterer Kollateralschaden der Finanzkrise, an dem die Banken bis heute leiden. Sie sollten ihn rasch beseitigen, denn allzu viel Zeit haben sie nicht mehr, wollen sie nicht von der digitalen Zukunftstechnologie überholt werden. MEike Schreiber

Während die Deutsche Bank zum Beispiel bewusst von Fintech-Investments absieht und in eigenen Innovationslaboren auf Kooperationen setzt, hat sich die Commerzbank hier immerhin zu einer Art Vorreiter entwickelt. Vergangenes Jahr rief sie nicht nur einen Inkubator, also eine Art Brutkasten für junge Fintechs ins Leben, sondern auch einen Wagniskapitalfonds. Zusammen haben beide Fonds zwar erst in drei Unternehmen investiert. Dass man zu zögerlich ist, will man bei der Commerzbank aber nicht gelten lassen, zumal weitere in Kürze folgen sollen. "Wir sind sehr bereit und willens, aber meine Erfahrung zeigt, dass man bei solchen Trendthemen auch eine gewisse Disziplin an den Tag legen sollte", sagt Stefan Tirtey von Commerz Ventures, dem Wagniskapitalfonds. "Sonst kann das schnell teuer werden".

Weltweit zeichnet sich bei Fintechs eine Blase ab, und auch andere Start-ups kommen international derzeit so leicht wie selten an Wagniskapital. In Deutschland werden die reiferen Start-ups offenbar ebenfalls schon hoch bewertet. Das Problem: Viele Investoren suchen nach Firmen, die noch ganz am Anfang stehen. Weil aber Fintechs häufig von Ex-Bankern gegründet werden, stecken diese zunächst einmal ihr reichlich vorhandenes eigenes Vermögen in die Firmen.

Von einer veritablen Blase jedoch sind Deutschlands Fintech weit entfernt, glauben die meisten Experten. Dafür fehlt schlicht das Kapital. Für die Banken ist es also noch nicht zu spät, einzusteigen.

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