Zürich (awp) - Der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller Nestlé veröffentlicht am Donnerstag, 18. August, das Geschäftsergebnis für das erste Semester 2016. Insgesamt 14 Analysten haben zum AWP-Konsens beigetragen.

H1 2016
(in Mio CHF)         AWP-Konsens    H1 2015

Umsatz                 43'253       42'843        
EBIT                    6'565        6'435        
Reingewinn              4'598        4'517         

(in %)
Organisches Wachstum      3,7          4,5          
Mengenwachstum (RIG)      3,1          1,7          

FOKUS: Nestlé hat in den letzten drei Jahren sein mittelfristiges Wachstumsziel (5-6% org. Wachstum) verfehlt und dürfte es auch dieses Jahr nicht schaffen. Erwartet wird vom Konzern selber ein Wachstum vergleichbar dem Vorjahr (4,2%, siehe Rubrik ZIELE). Dafür müsste es sich von den 3,9% im ersten Quartal noch etwas beschleunigen, was Nestlé auch so erwartet. Vorerst gehen Analysten aber im zweiten Quartal nochmals von einer Verlangsamung aus: Sie schätzen für das gesamte erste Semester im Durchschnitt 3,7%, was rund 3,5% im zweiten Quartal entspräche.

Der Grund für die erwartete Verlangsamung im Quartalsvergleich ist vor allem ein Rückgang der Preiskomponente innerhalb des organischen Wachstums aufgrund tiefer Rohstoffpreise (v.a. Milch) und anhaltender Deflation in gewissen europäischen Märkten. Bei der Mengenkomponente RIG (als zweitem Bestandteil des organischen Wachstums) wird hingegen eher eine leichte Beschleunigung erwartet, zumal sich Nestlé laut eigenen Angaben vermehrt auf den RIG konzentrieren will.

Aufgrund der eher schwachen Performance der letzten Jahre waren viele Analysten relativ kritisch mit dem Management, was sich phasenweise auch im Aktienkurs widerspiegelte. Nestlé ist auf die Bedenken zuletzt eingegangen und hat u.a. weitere deutliche Kostensenkungen versprochen. Zudem wurde der angekündigte Wechsel an der Spitze des Konzerns (siehe PRO MEMORIA) sehr gut aufgenommen, so dass die Aktie sich derzeit auf bzw. nahe dem Allzeit-Hoch bewegt.

Da Nestlé Ende Mai einen Investoren-Tag abgehalten hat und die erwähnten Einsparungen angekündigt hat, ist nicht allzu viel Überraschendes oder Neues zu erwarten. Nestlé geht laut den Angaben von Ende Mai von strukturellen Einsparungen von über 200 Basispunkten bis 2019/20 aus. Nicht alle Kosteneinsparungen würden allerdings in die Verbesserung der Marge fliessen, hiess es.

Möglicherweise werden die Einsparungen, die bei vielen Beobachtern als wichtig angesehen werden, nochmals für ein gewisses Interesse sorgen. Ansonsten dürfte aber wie üblich die Entwicklung in den einzelnen Ländern/Regionen sowie der Produktkategorien im Vordergrund stehen. Neue Ziele oder strategische Initiativen sind hingegen angesichts der Tatsache, dass bald ein neuer Chef kommen wird, in den nächsten Quartalen nicht zu erwarten.

ZIELE: Nestlé rechnet für 2016 (zuletzt bestätigt im April) mit einem vergleichbaren organischen Wachstum wie 2015 (4,2%). Weiter wird wie üblich eine Verbesserung der Margen und des nachhaltigen Gewinns je Aktie bei konstanten Wechselkursen und der Kapitaleffizienz angestrebt. Das langfristige Wachstumsziel wurde wie bereits erwähnt in den letzten Jahren nicht erreicht und war in den letzten Quartalen jeweils auch nicht in den Nestlé-Statements erwähnt. Zuletzt sagte CEO Bulcke im Juni in einem Interview dazu: "Ich werde zurzeit so oft nach dem Nestlé- Modell gefragt. Die 5-6% sind unsere Ambition, aber doch nicht das Ziel für jedes einzelne Jahr unabhängig von der Weltkonjunktur. Wir haben aber die Innovationskraft und die weltweite Präsenz, um diese Ambition aufrechtzuerhalten."

Ob auch unter dem künftigen CEO (siehe PRO MEMORIA) das "Nestlé-Modell" gelten wird, liess VRP Peter Brabeck kürzlich in einem Interview offen. "Das ist nicht die Vorgabe des VR-Präsidenten, sondern die Vorgabe, die sich der Konzernchef selber setzt", sagte er. Er selbst habe sich die 5-6% als früherer Nestlé-Chef als Ziel vorgenommen. Sein Nachfolger Paul Bulcke habe sich ebenfalls dafür entschieden. "Ob das der neue CEO auch so sieht oder ob er sich andere Messgrössen vornimmt, wird man sehen."

PRO MEMORIA:

VR-PRÄSIDIUM/CEO-POSTEN: Nestlé hat Ende Juni überraschend bereits die Weichen für die Zeit nach VR-Präsident Peter Brabeck gestellt. Dieser tritt an der nächsten Generalversammlung im April 2017 nicht mehr zur Wiederwahl an. An seiner Stelle soll der derzeitige CEO Paul Bulcke zum VR-Präsidenten gewählt werden. Neuer CEO wird derweil per Anfang 2017 Ulf Mark Schneider, der vom deutschen Unternehmen Fresenius kommt; zudem wird Schneider an der kommenden GV zur Wahl in den Verwaltungsrat vorgeschlagen. Bulke wird Ende 2016 von seiner gegenwärtigen Position als CEO zurücktreten. Dies geschehe, damit er sich auf seine zukünftige Rolle als aktiver, nicht exekutiver Verwaltungsratspräsident vorbereiten könne und um eine "minimale Abkühlungsphase" zu respektieren, schrieb Nestlé dazu im Juni.

Nestlé hat mit Schneider erstmals seit sehr, sehr langer Zeit (1920er Jahre) einen externen Kandidaten an die Spitze des Konzerns berufen. Ob einer der internen Kandidaten für den CEO-Posten - Wan Ling Martello (früher CFO, jetzt Chefin Zone AOA), Laurent Freixe (Chef Zone Americas) sowie Chris Johnson (Chef Nestlé Business Excellence) - deswegen abspringen wird, muss sich zeigen. Als Verlust würde in Investorenkreisen sicher vor allem ein Abgang der Asien-Chefin gesehen.

MERGER & ACQUISITIONS: Nestlé hat in den letzten Monaten keine grösseren Firmentransaktionen mehr bekannt gegeben. Übernahmen sind aber natürlich immer ein Thema. Man sei offen für ergänzende Akquisitionen, ist jeweils die Sprachweise beim Management. Man werde aber vorsichtig und diszipliniert sein in Bezug auf Firmenübernahmen, wobei Zukäufen sowohl strategisch wie auch kulturell oder finanziell zu Nestlé passen müssten, sagte jüngst Finanzchef CFO Francois-Xavier Roger.

AKTIENRÜCKKAUF: Ein Aktienrückkaufprogramm über 8 Mrd CHF war Anfang Dezember 2015 abgeschlossen worden. Verschiedene Analysten hatten daher zum diesjährigen 150-Jahr-Jubiläum ein neues Rückkaufprogramm erwartet. Der Verwaltungsrat hat sich aber dagegen entschieden. Zuletzt begründete Konzernchef Bulcke dies am Investoren-Seminar Ende Mai. Letztere sollen die Ausnahme und nicht die Regel sein, so der Konzernchef. Und der Finanzchef ergänzte diesbezüglich: "Im Moment haben wir nicht zu viel Cash, sonst würden wir ihn an die Aktionäre zurückführen."

AKTIENKURS: Der Nestlé-Aktienkurs hat sich im laufenden Jahr im Vergleich mit dem Gesamtmarkt deutlich besser entwickelt. Anfang Woche hat das Papier dabei die Grenze von 80 CHF erstmals (kurzfristig) überschritten und notiert somit auf einem Allzeit-Hoch. Beim aktuellen Stand (79,50 am Dienstag 13 Uhr) legt das Papier gegenüber Ende 2015 gut 6,5% zu (SMI -6,5%/SPI -1,5%).

dm/uh