- von Alexander Hübner und Tom Sims

Die Allianz will im nächsten Jahr wieder an die Gewinne vor der Corona-Krise anknüpfen.

"Ich hoffe, dass wir 2021 wieder einigermaßen zurück sind, wo wir ursprünglich hinwollten", sagte Vorstandschef Oliver Bäte der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Voraussetzung dafür sei aber, dass es nicht zu einer zweiten Corona-Welle mit weltweiten Ausgangsbeschränkungen und Marktverwerfungen komme. Die weltweite Rezession mit mehr Pleiten und die "finanzielle Repression" mit Dauerniedrigzinsen träfen die Allianz als großen Kapitalanleger in den nächsten Jahren verstärkt. Der Versicherer stemme sich aber mit aller Kraft dagegen. "Bei der Marge bleiben wir nicht stehen. Bei der Allianz gibt es noch viel zu verbessern. Uns gehen die Ideen nicht aus."

Der Konzern hatte sein Ziel eines operativen Ergebnisses von 11,5 bis 12,5 Milliarden Euro Ende April zurückgenommen und erwartet 2020 den ersten Gewinnrückgang seit neun Jahren. Allein in der Schaden- und Unfall-Sparte summieren sich die Belastungen bisher auf eine Milliarde Euro. Bei den Kapitalanlagen sei die Allianz gut abgesichert, sagte Bäte. Eine neue Prognose stellte er für Anfang August in Aussicht. "Das Ergebnis wird merklich beeinflusst sein, aber es ist nicht so, dass sich jemand Sorgen machen muss", umschrieb er die revidierten Erwartungen. Analysten gehen von einem operativen Ergebnis von knapp 10,5 Milliarden Euro aus. Operativ werde die Coronakrise in diesem Jahr verarbeitet sein, "ein bisschen noch in 2021", sagte Bäte.

Selbst in der Lebensversicherung habe man es geschafft, den in der Krise fehlenden persönlichen Kontakt zwischen Beratern und Kunden zu ersetzen. "Sie werden überrascht sein, wie gut sich das Geschäft entwickelt", sagte Bäte. Die Allianz habe 90 Prozent der Arbeit im März binnen weniger Tage ins Home Office verlegt. Alle Dienstreisen wurden abgesagt. Aus den Erfahrungen habe man gelernt. Auch er werde künftig teilweise von zuhause arbeiten, sagte Bäte. "Ich bin manchmal erheblich produktiver." Das sei bei vielen Mitarbeitern ähnlich. Er gehe davon aus, dass sich die Büroflächen auf längere Sicht um ein Drittel reduzieren ließen. Von den Reisekosten ließen sich dauerhaft 50 Prozent einsparen. "Wir brauchen die ganzen Reisen nicht mehr."

Getroffen hat die Pandemie den Versicherer vor allem in der Industrieversicherung und durch den Ausfall von Veranstaltungen. Umstritten ist, ob die Allianz und deren Konkurrenten auch für die staatlich verordnete Schließung von Restaurants und Hotels zahlen müssen. In Deutschland habe man sich auf einen Kompromiss eingelassen, um jahrelange Prozesse zu vermeiden. 75 Prozent der Allianz-Kunden hätten die Einigung akzeptiert. "Da ging es ja um die Existenz." Die Kunden seien oft verunsichert, was versichert ist und was nicht, sagte Bäte. Es sei nicht auszuschließen, dass sie von Maklern falsch beraten worden seien.

CORONA "WIE EIN WELTWEITER METEORITEN-EINSCHLAG"

Der Allianz-Chef sagte, einige Regierungen versuchten, die Folgen der Corona-Krise von den Verbrauchern auf die Versicherer abzuwälzen. Das werde Gerichte wohl noch jahrelang beschäftigen. Er warnte: "Wenn diese Sachen zu häufig vorkommen, verschwindet der Versicherungsschutz vollständig." Die Anbieter zögen sich dann aus dem Markt zurück - wie in den 1980er Jahren in den USA aus der Haftpflichtversicherung.

"Einen systematischen Lockdown kann man nicht versichern", sagte der Allianz-Chef. Das Risiko - vergleichbar mit einem weltweiten Meteoriten-Einschlag - sei nicht kalkulierbar. Eine staatlich mitfinanzierte Pandemie-Versicherung, für die der Branchenverband GDV ein Konzept vorgelegt hatte (Bäte: "eine Art Sparkonto für schlechte Zeiten"), ist offenbar Zukunftsmusik: "Wir warten, was die öffentliche Hand dazu sagt." Dort stehe das Thema aber offenbar nicht im Vordergrund. Man müsse eine solche Versicherung ohnehin zumindest europaweit angehen, forderte der Allianz-Chef.

Größeren Übernahmen erteilte Bäte erneut eine Absage. Zwar gerieten einige Versicherer durch die Verwerfungen in der Krise in Schieflage. Zugleich seien selbst schlecht laufende Firmen an der Börse immer noch sehr teuer, findet der Allianz-Chef. Dafür viel Geld auszugeben, "haben wir in der Situation wirklich nicht vor".