ASCHHEIM (dpa-AFX) - Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun hat in den ersten Jahresmonaten bei der Banktochter des mittlerweile insolventen Konzerns einen Kredit in Höhe von 35 Millionen Euro in Anspruch genommen. Das Darlehen sei aufgenommen worden, "um eine Verwertung von Aktien durch eine (dritte) Bank zu vermeiden", teilte eine Anwältin von Braun am Donnerstag auf Anfrage mit. Zuvor hatte die "Financial Times" ("FT") über den Millionenkredit Brauns aus dem eigenen Hause berichtet.

Braun war mit seiner MB Beteiligungsgesellschaft lange Zeit der größte Einzelaktionär des Wirecard-Konzerns. Nachdem der Konzern wegen eines fehlenden Testats durch den Wirtschaftsprüfer EY am 18. Juni keinen Jahresabschluss für das Jahr 2019 vorlegen konnte und damit einen der größten Bilanzskandale in Deutschland auslöste, trat Braun am 19. Juni von seinem Vorstandsvorsitz zurück, später kündigte der Konzern seinen Anstellungsvertrag außerordentlich.

Nach seinem Rücktritt verkaufte Braun mit dem Kurssturz nach und nach den größten Teil seiner Aktien, laut Stimmrechtsmitteilungen auch, um Kreditverpflichtungen bei Banken nachzukommen, bei denen solche Aktien als Sicherheit hinterlegt waren. Den in Frage stehenden Kredit bei der konzerneigenen Wirecard Bank nahm Braun im Januar in Anspruch, im März zahlte er ihn den Angaben seiner Anwältin zufolge zurück. Demnach war der Kredit mit einem Zinssatz von 12,55 Prozent versehen - Braun zahlte für den Zeitraum von zweieinhalb Monaten 963 909,72 Euro Zinsen. Aktien der Wirecard AG selbst seien für den Kredit bei der Tochter nicht hinterlegt worden.

Der "FT" zufolge hatte es mit dem Aufsichtsrat Knatsch um den Kredit gegeben, weil das Aufsichtsgremium erst im Nachhinein von dem gewährten Darlehen erfahren haben soll - dabei beruft sich die Zeitung auf direkt mit der Angelegenheit Beteiligte. Braun bestreitet über seine Anwältin, dass der Kredit wegen eines Streits mit den Kontrolleuren zurückgezahlt wurde. "Das Darlehen wurde wie vereinbart und ohne, dass wie auch immer gearteter Druck ausgeübt wurde, im März 2020 zurückgeführt", hieß es in einer Stellungnahme.

Braun habe nicht argumentiert, dass der Aufsichtsrat der Wirecard AG nicht für die Darlehensvergabe zuständig sei. "Dr. Braun war lediglich Antragsteller; er war an der Beschlussfassung über die Gewährung des Kredits nicht beteiligt. Er geht davon aus, dass die formalen Voraussetzungen für die Kreditbewilligung eingehalten wurden."

Zur Zeit des Kredits stand das Wirecard-Management bereits stark unter Druck. Die Sorgen von Anlegern an der Börse hätten Aktienverkäufe des Konzernchefs zu der Zeit womöglich neu angefacht. Seit Oktober lief eine Sonderprüfung der Bücher für die Jahre 2016 bis 2018 durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG, nachdem die "FT" verstärkt seit Januar 2019 mit einer Artikelserie Vorwürfe um die Bilanzierungspraxis beim Dax-Konzern aufgeworfen hatte.

Weil sich 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten in Luft aufgelöst haben, meldete Wirecard am 25. Juni schließlich Insolvenz an. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen mehrere ehemalige und aktive Manager inklusive des Ex-Vorstandschefs Markus Braun wegen des Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation./men/ssc/he