CHARENTON-LE-PONT (dpa-AFX) - Mit seinen Marken-Sonnenbrillen ist der kürzlich fusionierte Brillenkonzern EssilorLuxottica bekannt geworden. Während das Geschäft 2019 rundlief, war das Jahr durch einen handfesten Führungsstreit geprägt, der aber mittlerweile gelöst ist. Jetzt will der Konzern weiter kräftig investieren und auch intern besser zusammenwachsen. Was bei EssilorLuxottica los ist, wie Analysten die weiteren Perspektiven sehen und wie sich die Aktie nach dem Zusammenschluss entwickelt hat.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Bekannte und trendige Namen wie Ray-Ban und Oakley, aber auch Luxusmarken wie Prada, Chanel und Armani gehören zum Portfolio des Konzerns, dessen Wachstum zuletzt von Linsen und optischen Instrumenten, Sonnenbrillen und dem Online-Handel angetrieben wurde. Über alle Regionen und Sparten hinweg legte der Konzern im dritten Jahresviertel zu. Die Zahlen für das Gesamtjahr 2019 will EssilorLuxottica am 6. März vorlegen.

Von ihrer Zusammenarbeit versprechen sich der französische Brillenglas-Hersteller Essilor und der italienische Brillengestell-Produzent Luxottica geringere Kosten und zusätzliches Umsatzpotenzial. Sie haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2023 soll der fusionierte Konzern jährlich ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebit) von 420 bis 600 Millionen Euro erzielen.

Um weiter zu wachsen, stehen bei EssilorLuxottica auch Zukäufe auf der Agenda. So sieht sich das Unternehmen bei der angepeilten Übernahme des niederländischen Optik-Einzelhändlers GrandVision, zu dem auch die Kette Apollo-Optik gehört, auf Kurs. EssilorLuxottica hat sich mit den Niederländern bereits auf einen Kaufpreis von 7,3 Milliarden Euro geeinigt. Das Unternehmen will insgesamt 76,72 Prozent an GrandVision übernehmen, eventuell sogar etwas mehr.

Getrübt wurde das eigentlich gut verlaufene Geschäftsjahr 2019 vom monatelangen Führungsstreit an der Konzernspitze, der nach dem Zusammenschluss ausgebrochen war und die Aktionäre nach seinem Publikwerden stark verunsichert hatte. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, statt der vereinbarten Fusion unter Gleichen die Macht für sich zu beanspruchen. Als Luxottica-Gründer Leonardo Del Vecchio seinen Vertrauten Francesco Milleri an die Spitze des fusionierten Konzerns hieven wollte, eskalierte die Situation. Während Milleri Luxottica leitet, führt sein Pendant Laurent Vacherot Essilor.

Um die Wogen zu glätten, einigten sich beide Seiten im vergangenen Mai auf eine Zwischenlösung. Beide genannten Manager wurden mit mehr Vollmachten ausgestattet, sollen die Verzahnung beider Unternehmen vorantreiben sowie eine neue Konzernstrategie entwickeln und umsetzen. Zudem sucht EssilorLuxottica weiter nach einem gemeinsamen Konzernchef. Milleri und Vacherot hatten zuvor klargemacht, dass sie für den Führungsposten nicht zur Verfügung stehen. Derzeit wird das Unternehmen von Del Vecchio und Co-Chef Hubert Sagnières geführt.

Der ausgerufene Neustart erhielt kurz vor Jahresende allerdings einen unerfreulichen Dämpfer. Kurz vor Silvester musste EssilorLuxottica einräumen, dass es in einem seiner Werke in Thailand Gelder zweckentfremdet worden sein sollen. Den entstandenen Schaden schätzt das Management auf 190 Millionen Euro. Mögliche Versicherungsleistungen sind dabei aber nicht eingerechnet,

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Marktbeobachter fällen ein weitgehend positives Urteil über die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten von EssilorLuxottica am Kapitalmarkt. Insgesamt acht Experten sind im dpa-AFX-Analyser erfasst, davon rät je die Hälfte zum Kauf und zum Halten der Papiere. Einen Verkauf empfiehlt niemand. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 136 Euro.

Mit einem Kursziel von 150 Euro attestiert Bernstein-Analyst Luca Solca dem französisch-italienischen Unternehmen das größte Aufwärtspotenzial. Er verweist dabei unter anderem auf den jüngsten Kapitalmarkttag, der reich an Informationen gewesen sei. Aus seiner Sicht dürften daraufhin spürbare Gewinnmitnahmen nur eine vorübergehende Erscheinung gewesen sein. Ähnlich zuversichtlich gibt sich Analystin Julie Zhang von der Schweizer Großbank UBS, die ein Kursziel von 145 Euro auf dem Zettel hat. Sie hält den Optikkonzern weiterhin für langfristig attraktiv - trotz kurzfristigen Gegenwinds.

Dagegen zeigte sich das Analysehaus Jefferies Ende Dezember mit Verweis auf den Betrugsverdacht in einem thailändischen Werk skeptischer. Analyst James Grzinic geht dennoch davon aus, dass die weitere Verschmelzung der Firmenkulturen von Essilor und Luxottica das Risiko solcher Vorfälle künftig mindern dürfte.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit der Fusion im Oktober 2018 haben die Papiere eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Lag der Kurs kurz nach dem Zusammenschluss noch bei etwas mehr als 130 Euro, ging es für EssilorLuxottica danach sukzessive nach unten. Nach einem Gewinnrückgang wegen des starken Euro im Geschäftsjahr 2018 sackte die Aktie im Frühjahr 2019 auf unter 100 Euro ab. Noch ein kleines Stückchen tiefer ging es im Mai, als der Führungsstreit an der Unternehmensspitze publik geworden war.

Nachdem der Zwist für beendet erklärt wurde, setzte mit Ausnahme kleinerer Rücksetzer wieder ein kontinuierlicher Aufwärtstrend für die Aktie ein. Auch deshalb, weil EssilorLuxottica für die ersten drei Quartale 2019 starke Zahlen vorlegte und sich für die kommenden Jahre weiter anziehende Geschäfte ausrechnet. Bis zum Jahresende kletterten die Anteilsscheine auf ihr bisheriges Hoch von 142,70 Euro. Derzeit notieren sie rund sieben Euro darunter.

Im zurückliegenden Jahr verzeichnete die Aktie ein Kursplus von rund 23 Prozent und legte damit in etwa so viel zu wie der EuroStoxx 50. Im Vergleich zum Spitzenreiter ASML mutet der Kursanstieg des Brillenspezialisten aber eher bescheiden an. Der niederländische Chipindustrie-Ausrüster hat seinen Wert im Eurozonen-Leitindex 2019 fast verdoppelt. Als bester deutscher Titel dort kommt Adidas auf eine Steigerung von fast 60 Prozent.

Mit einer Marktkapitalisierung von fast 62 Milliarden Euro liegt EssilorLuxottica im Mittelfeld der wertvollsten Konzerne Europas. Auf das mit Abstand teuerste börsennotierte Unternehmen, den Luxusgüterkonzern LVMH, fehlen über 150 Millionen Euro. Und auch die Distanz bis zum wertvollsten deutschen Konzern SAP (rund 151 Millionen Euro) ist enorm. Größter Anteilseigner bei EssilorLuxottica ist Leonardo Del Vecchio, der mit seiner Delfin-Holding rund 32 Prozent am Unternehmen hält./eas/stw/zb