Zürich (awp) - Die Aktien des Luxusgüterkonzerns Richemont haben am Freitag nach Vorlage von Geschäftszahlen zum Höhenflug angesetzt und gewinnen in einem schwachen Gesamtmarkt kräftig an Wert. Wie bereits Mitte September vorgewarnt, musste die Richemont-Gruppe zwar für das erste Halbjahr 2016/17 (per Ende September) einen Gewinneinbruch kommunizieren. Das Management um Verwaltungsratspräsident Johann Rupert machte jedoch mit Blick auf die Geschäftsentwicklung im Oktober in der wichtigen Markt-Region Festlandchina/Hongkong/Macau positive Signale aus. Viele Akteure sähen sich nun gezwungen, offene Short-Positionen einzudecken, meinte ein Händler.

Die Richemont-Aktien starteten stark in den Handel und kletterten sogleich um mehr als 6% in die Höhe. In der Folge bauten die Titel die Avancen gar noch aus und liegen nun gegen 13.20 Uhr mit 8,6% auf 68,50 CHF im Plus. Damit macht das Papier weiter verlorenen Boden gut: Bis Ende Juni - also bis zum Zeitpunkt des Brexit-Votum - rutschte der Kurs auf das Jahrestief von 53,50 CHF ab, ehe er sich bis Mitte Oktober auf über 65 CHF erholte.

Im Sog von Richemont klettern Swatch Group am Berichtstag mit 2,9% auf 296,70 CHF ebenfalls stark in die Höhe. Hier seien die noch offenen Short-Positionen noch zahlreicher, so der Händler weiter. Der Gesamtmarkt (SMI) gibt dagegen um 0,41% nach.

OPTIMISTISCHE MARKTEINSCHÄTZUNG

"Ich bin für den Luxusgütermarkt auf lange Sicht sehr positiv gestimmt, insbesondere mit Blick auf den chinesischen Markt", erklärte Johann Rupert anlässlich einer Analystenkonferenz. Der Markt in Festlandchina entwickle sich seit einiger Zeit gut. "Und im Monat Oktober hat sich das Geschäft in Festlandchina, Hong Kong und Macau zusammen für die Richemont-Gruppe positiv entwickelt", so der Richemont-Chef weiter.

Die Aussagen zum Oktober-Geschäft habe den Aktien kräftigen Schub verliehen, auch wenn Richemont diesmal auf die Angabe prozentualer Entwicklungen verzichtet habe, so der Händler weiter. Am Markt mache sich Zuversicht breit, dass der Nachfragerückgang im Luxusgütersektor auf ein Ende zuschreite und damit auch die Aktien von Richemont und Swatch Boden fänden.

Mit den Oktober-Aussagen habe Richemont den Markt positiv überrascht, heisst es auch in einem Kurzkommentar von Kepler Cheuvreux. Schliesslich habe man am Markt im Vorfeld des Zahlenpublikation mit einem Umsatzrückgang von um die 4,5% im Oktober gerechnet.

Den Ergebnisrückgang im ersten Halbjahr hatten die Marktteilnehmer in etwa so erwartet, so der allgemeine Tenor. Gar von insgesamt besseren Resultaten spricht Analyst Andreas von Arx von Baader Helvea. Zudem habe Richemont weitere Klarheit über die Effekte der Einmalkosten auf die Profitabilität gegeben. Die reinen Zahlen wertet auch Morgan Stanley als "ermutigend".

Für die ZKB und die Bank Vontobel sind die H1-Zahlen in etwa im Rahmen der jüngsten Gewinnwarnung von Mitte September ausgefallen. Der über Erwarten starke Rückfall des Reingewinns sei auf die Verluste im Finanzergebnis zurückzuführen, so der ZKB-Analyst. Bernstein hebt derweil das robuste Schmuckgeschäft als positiven Faktor hervor, während es für das Uhrengeschäft weiter eher "schmerzhaft" zugehe.

NEUE STRUKTUR BIETET CHANCEN

Zu Reden gibt am Markt auch die Neuorganisation sowie die Abgänge im Top-Management. Sowohl CEO Richard Lepeu (Ruhestand) als auch CFO Gary Saage (familiäre Gründe) werden im Verlauf des nächsten Jahres abtreten. Johann Rupert wird die Gruppe weiterhin als Executive Chairman führen, während bestehende Manager mit zusätzlichen Aufgaben (Leiter 'Watchmaking, Marketing and Digital', Head of Operations oder Chief Transformation Officer) betraut werden.

Baader Helvea-Analyst von Arx wertet die Anpassungen im Management als Zeichen dafür, dass Verwaltungsratspräsident und Hauptaktionär Rupert das Geschäft an die neuen Realitäten anpasse. Auch Morgan Stanley lobt die Neuaufsetzung der operativen Führung. Insgesamt sei die neue Struktur positiv, zudem sichere sich Richemont durch ein Beratergremium, in das viele altgediente Richemont-Manager eintreten, die nötige Kontinuität.

Für die ZKB ist indes vor allem der Rücktritt des Finanzchefs eine negative Überraschung. Denn Gary Saage sei "einer der besten CFOs der Schweiz", so Analyst Patrick Schwendimann.

mk/cf