NEW YORK (dpa-AFX) - Die Kauflust im Internet hat Amazon-Gründer Jeff Bezos zum reichsten Menschen der Welt gemacht. Daran ändert auch seine kostspielige Scheidung nichts. Die Aktionäre des weltgrößten Online-Händlers aus den USA haben ebenfalls keinen Grund zur Klage: Seit dem Kurseinbruch der Aktie im Herbst geht es wieder deutlich bergauf. Zuletzt sorgte das Unternehmen mit einem Rekordgewinn für Freude und motivierte auch Starinvestor Warren Buffett zum Einstieg. Was bei Amazon los ist, was Experten sagen und wie die Aktie zuletzt gelaufen ist.

DAS IST LOS BEI AMAZON:

Amazon-Aktien im Wert von mehr als 37 Milliarden US-Dollar - so viel war Jeff Bezos die Trennung von seiner Frau wert. Für Otto Normalverbraucher mag sich das wie das kostspielige Ende eines Rosenkriegs anhören. Doch damit ist der Erfinder und Chef des Online-Giganten noch gut bedient. Denn Anspruch hätte MacKenzie Bezos auf die Hälfte des seit der Hochzeit gemeinsam erworbenen Vermögens - das im Fall der Bezos' überwiegend aus der Beteiligung an Amazon besteht.

Sie gab sich allerdings mit 25 Prozent der Amazon-Aktien des gemeinsamen Vermögens zufrieden und verzichtete zudem auf die dazugehörigen Stimmrechte. Damit bleibt Jeff Bezos nicht nur der reichste Mensch der Welt mit einem geschätzten Privatvermögen von deutlich über 100 Milliarden Dollar, sondern auch der mit Abstand einflussreichste Anteilseigner von Amazon: Trotz seines auf 12 Prozent gesunkenen Anteils verfügt er weiterhin über rund 16 Prozent der Stimmrechte.

Das dürfte ganz im Sinn der anderen Aktionäre sein. Bisher sind sie gut gefahren unter der Führung von Bezos. Denn Amazon ist schon lange nicht mehr nur der Online-Händler für Bücher, als der er vor 25 Jahren gegründet wurde. Wie ein Krake mit seinen unzähligen Fangarmen greift der Internetriese nach immer neuen Geschäftsfeldern. Allein entsprechende Ankündigungen versetzen inzwischen ganze Branchen in Aufruhr. So war es vor fast zwei Jahren, als Amazon die Übernahme der weltgrößten Bio-Supermarktkette Whole Foods ankündigte und damit für einen Paukenschlag im US-Lebensmittelsektor sorgte.

Mit dem Premium-Lieferservice Amazon Prime, der auch einen Zugang zu online verfügbaren Spielfilmen und Serien beinhaltet, jagt das Unternehmen nicht nur dem führenden Videostreamingdienst Netflix Abonnenten ab. Gemeinsam nehmen beide auch das Geschäftsmodell der etablierten Medienkonzerne in die Zange, deren Sendungen vor allem bei jungen Zuschauern immer weniger ankommen. Wie ernst die Branche die Herausforderung nimmt, zeigen die jüngsten Bemühungen unter anderem des Unterhaltungsriesen Walt Disney, eigene Angebote in diesem Bereich deutlich auszubauen.

Dazu verdient Amazon als Marktführer im ebenso sensiblen wie gewinnträchtigen Geschäft mit online verfügbarem Datenspeicherplatz und im Geschäft mit Online-Werbung nicht schlecht. Das belegen die jüngst veröffentlichten Geschäftszahlen, denen zufolge das Unternehmen den Gewinn zum Jahresstart mehr als verdoppelte: Mit 3,6 Milliarden Dollar lag er so hoch wie noch nie in einem Quartal. Das Umsatzwachstum ging allerdings zum vierten Mal in Folge zurück. Hier will Amazon gegensteuern, auch mit kürzeren Lieferzeiten für Prime-Kunden

Die Geschäftsentwicklung überzeugte offenbar auch Börsen-Guru Warren Buffett, dessen Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway erstmals Amazon-Aktien kaufte. Buffett hatte das Unternehmen schon häufiger in höchsten Tönen gelobt und sagte, er sei "ein Idiot gewesen", nicht früher eingestiegen zu sein. Lange Zeit hatte sich Buffett skeptisch gegenüber der Technologiebranche gezeigt, war von dieser Haltung aber vor drei Jahren mit dem Kauf von Apple-Aktien abgewichen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Im vergangenen Herbst hatten auch die erfolgsverwöhnten Amazon-Aktionäre keinen Grund zur Freude: Nach einem Rekordhoch von 2050,50 US-Dollar Anfang September sank die Aktie bis Weihnachten auf 1307 Dollar und büßte mehr als ein Drittel ihres Wertes ein. Amazon litt ebenso wie andere Technologiegrößen unter negativen Nachrichten von Apple, für die die Anleger die gesamte Branche in Sippenhaft nahmen. Hinzu kamen globale Konjunktursorgen. Aus den teils sehr hohen Bewertungen von Tech-Unternehmen wurde in der Folge schlicht ein wenig Luft abgelassen.

Wegen des Kurseinbruchs musste der iPhone-Hersteller nicht nur seinen Status als größes Börsenunternehmen der Welt zwischenzeitlich an Amazon abtreten. Auch über den Titel als einziges Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von einer Billion Dollar, den Apple Anfang August erreicht hatte, konnte sich Apple nicht lange freuen: Nur gut einen Monat später hatte Amazon nachgezogen und mit seinem Börsenwert ebenfalls diese prestigeträchtige Marke geknackt.

Viel besser als Apple war es dem Online-Händler in der anschließenden Technologiebaisse nicht ergangen: Auch er konnte weder seinen Billionen-Dollar-Status noch den Titel des weltgrößten Börsenunternehmens behaupten - den hat aktuell der Softwaregigant Microsoft inne, der jüngst zumindest kurzzeitig die Billionen-Marke ebenfalls geknackt hatte. Doch anders als Apple, dessen Abhängigkeit vom iPhone inzwischen viele Experten kritisieren, kann Amazon ein breit diversifiziertes Geschääftsportfolio vorweisen.

Das honoriert der Markt: Seit dem Weihnachtstief hat sich die Amazon-Aktie um 45 Prozent erholt. Zum Rekordhoch fehlen ihr noch gut sieben bis acht Prozent, während es bei Apple über zehn Prozent sind. Bei der Marktkapitalisierung liegt das Imperium von Jeff Bezos mit aktuell 936 Milliarden Dollar hinter Microsoft und Apple auf dem dritten Platz. Besonders viel Grund zur Freude haben Anleger der ersten Stunde: Beim Sprung auf das Börsenparkett 1997 war das Unternehmen gerade einmal 54 Millionen Dollar wert.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Geht es nach den Börsenauguren, dann gibt es für die Amazon-Aktie nur eine Richtung: Weiter bergauf. Unter den zahlreichen Analysten, deren Anlageempfehlungen die US-Nachrichtenagentur Bloomberg auflistet, raten fast alle zum Kauf. Auch angesichts der zuletzt ausgerufenen Kursziele, die durch die Bank über 2000 Dollar liegen, scheint eine neue historische Bestmarke nur eine Frage der Zeit zu sein. Gleiches gilt für ein erneutes, diesmal vielleicht längeres Gastspiel im derzeit verwaisten Billionen-Dollar-Club.

Amazon habe mit der Profitabilität im ersten Quartal positiv überrascht, und die Aktie biete das beste Chance-Risiko-Profil in der Internetbranche, schrieb etwa Heath Terry von der US-Investmentbank Goldman Sachs unlängst. Das Unternehmen habe früh auf die Cloud gesetzt, den Wandel des traditionellen Einzelhandels eingeläutet und Marktanteile im Werbegeschäft gewonnen, was vom Markt immer noch unterschäzt werde. Terry eerhöhte sein Kursziel für die Aktie auf 2400 Dollar.

Andere Experten hoben insbesondere die geplante Lieferzeithalbierung für Prime-Kunden auf einen Tag positiv hervor. Mit diesem aggressiven Schritt setze Amazon künftig wieder stärker auf Wachstum als auf die kurzfristige Profitabilität, lobte Stephen Yu von der Schweizer Credit Suisse, dessen Kursziel bei 2200 Dollar liegt. Und Douglas Anmuth von JPMorgan sieht sich in seinem Vertrauen in die Fähigkeit des Unternehmens bestärkt, die Umsätze zu stabilisieren und auch wieder zu steigern./gl/mf/mis