Zürich/Mumbai (Reuters) - Mit dem größten Bereichsverkauf in der Firmengeschichte drückt Holcim-Chef Jan Jenisch beim Umbau des Zementriesen aufs Tempo.

Der Schweizer Weltmarktführer gibt das Indien-Geschäft für 6,4 Milliarden Franken an den Mischkonzern Adani Group ab, wie Holcim in der Nacht auf Montag mitteilte. Das Konglomerat des reichsten Inders, Gautam Adani, steigt nach einem Bieterkampf mit anderen Interessenten damit zum zweitgrößten Zementhersteller in dem bevölkerungsreichen Land auf. Holcim will den Erlös in weitere Zukäufe außerhalb des Zements stecken und den Anteil des klimaschädlichen Geschäfts weiter reduzieren.

"Im Moment prüfen und verhandeln wir etwa zehn Transaktionen", sagte Holcim-Chef Jan Jenisch. Dabei seien auch größere Deals. "Wir sind bereit für eine weitere Firestone", betonte Jenisch mit Blick auf die für 3,4 Milliarden Dollar gekaufte US-Bedachungsfirma. Über die vergangenen 15 Monate habe der Konzern über fünf Milliarden Franken für Zukäufe ausgegeben. Wachstum habe bei Holcim Vorrang. Komme der 2015 aus dem Zusammenschluss mit der französischen Lafarge entstandene Konzern bei den Zukäufen nicht zum Zug, solle das Geld an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

Holcim hat sich jüngst bereits aus einer ganzen Reihe von Schwellenländern verabschiedet, darunter Brasilien und Indonesien. Mit dem Verkauf der Beteiligungen an Ambuja Cements und ACC steigen die Schweizer nach 17 Jahren wieder aus dem indischen Markt aus. Mit der größten Übernahme in Indien seit 2018 kann Adani eigenen Angaben zufolge sein Hafen-, Logistik-, Energie- und Immobiliengeschäft ergänzen. "Damit können wir ein einzigartig integriertes und differenziertes Geschäftsmodell aufbauen und uns für eine erhebliche Kapazitätserweiterung rüsten", hieß es in einer Mitteilung. Die Transaktion dürfte in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen werden. "Holcim setzt die Transformation von einem zementlastigen Baustoffhersteller in Richtung eines Anbieters von innovativen und nachhaltigeren Baulösungen konsequent um", erklärte ZKB-Analyst Martin Hüsler.

"WIR WERDEN IMMER ZEMENT HERSTELLEN"

Rund 13 Prozent des Konzernumsatzes von 26,8 Milliarden Franken entfielen 2021 auf das Indien-Geschäft, wo Holcim 10.700 Mitarbeiter beschäftigt. Dieser Bereich ist aber auch für rund 26 Prozent des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes verantwortlich, den Jenisch über die Zeit deutlich senken will. Mit dem Verkauf komme Holcim auf einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck, betonte der Manager.

Der mit sehr hohem Energieaufwand hergestellte Baustoff Zement hat den Makel, für rund fünf bis sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich zu sein. Entsprechend versuchen Holcim oder auch der Rivale HeidelbergCement mit neuen Beton-Technologien, Recycling oder Kohlenstoff-Abscheidung klimafreundlicher zu werden. Dennoch fassen die Anleger die Aktien nur mit spitzen Fingern an. Über die vergangenen fünf Jahre hat Holcim deutlich schlechter abgeschnitten als der europäische Bausektor insgesamt.

Mit dem Umbau will der bisher vor allem in den Bereichen Zement, Transportbeton und Zuschlagstoffe tätige Konzern den Anteil an umweltfreundlichen Geschäften steigern und so auch an Attraktivität für die Investoren gewinnen. Bis 2025 soll der Anteil von Geschäften wie Bedachungen, Isolationen, Bodenbelägen und Mörtel auf 30 Prozent des Konzernumsatzes steigen von zuletzt 13 Prozent. Einen kompletten Ausstieg plant Jenisch aber nicht. "Wir werden immer Zement herstellen, aber wir werden Zement dekarbonisieren", sagte er.