ESSEN (awp international) - Thyssenkrupp ist einer Lösung für seine problembehaftete Stahlsparte einen grossen Schritt nähergekommen. Nach monatelangem Streit haben sich der Industriekonzern und die Arbeitnehmervertreter über die tariflichen Rahmenbedingungen der Fusion des Stahlgeschäfts mit dem Wettbewerber Tata Steel geeinigt. Vereinbart wurden weitreichende Standort- und Beschäftigungssicherungen für die nächsten acht Jahre sowie Investitionen, wie Unternehmen und IG Metall am Donnerstagabend mitteilten. Gleichzeitig deutete Thyssenkrupp einen möglichen Abschied vom Stahlgeschäft an - eventuell durch einen Börsengang. Vorbörslich stieg der Thyssenkrupp-Kurs leicht an.

"Mit dem heute erzielten Ergebnis haben wir eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, unsere strategische Zielsetzung zu erreichen und gleichzeitigen Interessen unserer Beschäftigten gerecht zu werden", sagte Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. Wesentlicher Bestandteil der Einigung ist eine Beschäftigungssicherung bis zum 30. September 2026. An dem Abbau der bis zu 2000 Stellen im Zuge der Fusion hält Thyssenkrupp dabei fest. Dieser soll jedoch sozialverträglich umgesetzt werden.

Thyssenkrupp will sich auf lange Sicht von dem volatilen Geschäft lösen. Trotz jüngster Preiserholung sieht der Konzern weiter strukturelle Probleme im Stahlgeschäft, das noch immer von Überkapazitäten geprägt ist. Thyssenkrupp und Tata erhoffen sich durch die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten hohe Einsparungen - früheren Angaben zufolge 400 bis 600 Millionen Euro jährlich. An dem Gemeinschaftsunternehmen sollen Thyssenkrupp und Tata je 50 Prozent besitzen.

Allerdings könnte es in den kommenden Jahren zu einer Verschiebung der Eigentümerstruktur kommen - und Thyssenkrupp seinen Anteil sukzessive reduzieren. "Mindesten sechs Jahre" will der Konzern zwar an dem Joint Venture beteiligt bleiben. Gleichzeitig betonte Thyssenkrupp, dass währenddessen eine Veränderung der Struktur nicht ausgeschlossen sei. Dabei nannte Thyssenkrupp auch einen Börsengang als eine Option.

Nach Abschluss der derzeit laufenden wirtschaftlichen Prüfung des Vorhabens soll der Vertrag über das neue Gemeinschaftsunternehmen möglichst Anfang kommenden Jahres unterzeichnet werden. Der Vollzug wird nach Freigabe der Kartellbehörden Ende 2018 angestrebt.

Für die Mehrheit der Standorte sei eine Sicherung bis 2026 vorgesehen, hiess es nach den Verhandlungen mit den Arbeitnehmern. Allerdings sei innerhalb dieser Vereinbarung die "Anpassung einzelner Anlagen und Aggregate weiterhin möglich". Für einzelne Betriebsteile in Bochum, Eichen und Hüttenheim wurde den Angaben zufolge eine Wirtschaftlichkeitsprüfung Ende 2020 über eine mögliche Fortführung vereinbart. Unabhängig davon gelte für diese Bereiche eine Standortsicherung bis Ende 2021. Zudem soll der Erhalt der Montanmitbestimmung in Deutschland in den Tarifvertrag aufgenommen werden.

Thyssenkrupp will dabei auch weiter in die deutschen Stahlstandorte investieren - rund 400 Millionen Euro jährlich will der Konzern dafür bereitstellen und damit das derzeitige Niveau halten.

Die IG Metall will im Januar das Ergebnis an den Stahlstandorten zur Abstimmung stellen. Die Tarifkommission der Gewerkschaft hat dabei empfohlen, das Verhandlungsergebnis anzunehmen.

Die Einigung zwischen Thyssenkrupp und der IG Metall kam noch vor einer von Arbeitnehmerseite gesetzten Frist an diesem Freitag zustande. Hintergrund waren die sei Wochen bislang ergebnislos verlaufenden Verhandlungen über die umstrittene Fusion des Stahlgeschäfts mit der indischen Tata Steel. Die Arbeitnehmervertreter befürchten bei einer Fusion der bisherigen Konkurrenten den Abbau von deutlich mehr als den vom Unternehmen angekündigten 2000 Jobs. Zudem sorgen sie sich um Werksschliessungen und kritisieren die von Thyssenkrupp anvisierte Verlegung des Sitzes der Stahlsparte in die Niederlande.

Das Management unter Heinrich Hiesinger steht unter Druck - nicht nur von Seiten der Gewerkschaften, sondern auch der Anteilseigner. Besonders Grossaktionär Cevian geht der Umbau nicht schnell genug, dessen Chef Lars Förberg hatte jüngst in einem Zeitungsbericht sogar eine Zerschlagung des Konzerns ins Spiel gebracht - die von Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner umgehend zurückgewiesen wurde.

Die Stahlfusion soll Hiesinger nun die Luft verschaffen, den Konzern eher auf die Industriesparte mit Geschäften wie Aufzüge oder Autokomponenten zu konzentrieren, die mittlerweile ohnehin den Löwenanteil des Geschäfts des Konzerns ausmacht./nas/das/jha/