PALO ALTO (dpa-AFX) - Der Druck auf Tesla und Firmenchef Elon Musk nimmt weiter zu. Der Elektroautobauer hat seine Investoren nach holprigem Jahresstart vergangene Woche mit einer schwachen Bilanz zum zweiten Quartal geschockt. Die Aktie rauschte abwärts, Analysten wenden sich von dem Papier ab. Die neuesten Entwicklungen bei dem Unternehmen, was die Experten im Detail sagen und wie es nun um die Aktie steht.

DAS IST LOS BEI TESLA:

Hohe Kosten für Produktion und Auslieferung des Hoffnungsträgers Model 3 haben den Elektroautobauer im zweiten Quartal überraschend tief in die roten Zahlen gedrückt. Im Jahresvergleich fiel der Verlust zwar deutlich geringer aus, aber ein Minus von 408 Millionen US-Dollar hat die Erwartungen sämtlicher Analysten dennoch weit verfehlt. Auch der Umsatz lag unter den Prognosen der Experten.

Immerhin: Dem Elektroautobauer ist im zweiten Quartal ein Auslieferungsrekord gelungen. 95 200 Autos wurden in den zurückliegenden drei Monaten an die Kundschaft gebracht. Das Auslieferungsziel fürs Gesamtjahr von bis zu 400 000 Wagen bestätigte Tesla. Allerdings erscheint dieser Wert weiterhin sehr ambitioniert, denn im ersten halben Jahr hatte das Unternehmen davon mit 160 000 Fahrzeugen noch lange nicht die Hälfte erreicht. Bei den lukrativeren Tesla-Modellen S und X ging der Absatz außerdem zurück, alles scheint vom neueren Model 3 abzuhängen.

Tesla kurbelt das Geschäft mit seinem ersten günstigeren Elektroauto kräftig an, was das Unternehmen allerdings viel Geld kostet. Schon im Mai kündigte Tesla deshalb eine Kapitalerhöhung an, die Experten lange erwartet hatten. Um Geld zu sparen, wurden im laufenden Jahr außerdem zahlreiche Tesla-Filialen geschlossen und der Verkauf der Autos komplett ins Internet verlagert. Im Zuge dessen hat Tesla auch die Preise erhöht, vor allem für besser ausgestattete Fahrzeugvarianten der bestehenden Modelle.

Das Model 3, eine elektrische Mittelklasse-Limousine, ist außerhalb der USA alles andere als reibungslos gestartet. Zu Jahresbeginn gab es logistische Schwierigkeiten bei den ersten Lieferungen des Model 3 nach Europa und China, wo phasenweise tausende Autos im Zoll festhingen. Gerade China ist für Teslas Erfolg entscheidend, weil das Land den größten Automarkt der Welt hat und Elektromobilität massiv vorantreibt. Tesla-Chef Elon Musk sprach rund um das Model 3 mehrfach von einer "Produktionshölle" und räumte ein, dass die Firma zwischenzeitlich kurz vor der Pleite stand.

Musk peilt nun fürs laufende Quartal eine schwarze Null an, im Schlussquartal sogar einen Gewinn. Anschließend könnte es aber wieder "hart" werden, wie Musk zugab. Denn der Tech-Milliardär bereitet schon den nächsten Streich vor, das neue Model Y, ein Kompakt-SUV auf Basis des Model 3. Mit einem Jedermann-Stadtgeländewagen will Tesla endgültig im Massenmarkt Fuß fassen. Das Model Y soll 2020 kommen, bisherige Produktionsstarts bei Tesla waren schwierig und teuer. Tesla ist zudem schon mit seiner bestehenden Produktpalette immens im Stress.

Obendrein werden Tesla-Anleger von diversen personellen Veränderungen verunsichert. Der langjährige Technik-Chef JB Straubel werde sich auf eine Beraterposition zurückziehen, gab Tesla im Zuge der jüngsten Quartalszahlen bekannt. In den vergangenen Monaten hatten schon mehrere ranghohe Manager das Unternehmen verlassen. So auch der deutsche Autoexperte Peter Hochholdinger, der sich bei Audi einen Namen machte und bei Tesla als Schlüsselfigur galt, um die Abläufe auf neue Beine zu stellen.

Top-Manager Musk steht außerdem selbst enorm unter Druck. Er bezeichnete sich in der Vergangenheit schon als manisch-depressiv, kiffte vor laufender Kamera, wurde bei Twitter ausfällig und blaffte Analysten in Telefonkonferenzen an. Und Musk tanzt auf mehreren Hochzeiten, der umtriebige Manager leitet zusätzlich zu Tesla noch das Weltraumunternehmen SpaceX und die Tunnelbohr-Firma Boring Company. Immerhin konnte er den mit der US-Börsenaufsicht schwelenden Streit wegen vermeintlich kursbeeinflussender Tweets im April nach langem Hin und Her beilegen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

So enttäuschend niedriger Umsatz und hoher Verlust im zweiten Quartal auch waren, Analysten stören sich vor allem an der Bruttomarge bei Tesla, die ebenfalls hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Das stelle in Frage, ob Tesla bei zunehmender Nachfrage profitabel Autos herstellen könne, schrieb Analyst David Tamberrino von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Zumal die billigeren Fahrzeugmodelle in einfacheren Ausführungen gefragt seien, an denen der Autobauer ohnehin weniger verdiene.

Entsprechend zeigt sich auch Colin Langan von der Schweizer Großbank UBS enttäuscht, dass selbst aus rekordhohen Auslieferungen noch immer kein Profit geschlagen werden konnte. Er geht nun weiterhin davon aus, dass Tesla auch mittelfristig nicht profitabel sein wird. Allgemein lässt die Geduld der Experten spürbar nach: Ryan Brinkman von der US-Bank JPMorgan beklagt das wiederholte Verschieben von Firmenzielen. Schließlich habe Tesla schon Ende 2018 angekündigt, ab sofort in den nachfolgenden Quartalen profitabel sein zu wollen.

Analyst Frank Schwope von der NordLB legt sogar noch einen drauf und nimmt den Tesla-Chef persönlich ins Visier: "Allzu oft verspricht Elon Musk eine glänzende Zukunft und kaschiert damit, dass er die Gegenwart nicht im Griff hat." Der Experte rechnet nach dem enttäuschenden zweiten Quartal auch im Gesamtjahr mit roten Zahlen. Der jüngste Auslieferungsrekord durch das Hochfahren der Produktion des Model 3 überrasche ihn nicht, "eher wäre das Verfehlen eines neuen Rekordes eine Überraschung gewesen", schrieb Schwope.

Musk rechnet im Restjahr mit noch höherer Nachfrage, was ihm Joseph Spak vom Analysehaus RBC aber nicht abnimmt. Der Analyst glaubt auch nicht, dass der Umsatz anziehen wird. Erst im dritten Quartal 2020 könne aus seiner Sicht vielleicht wieder das Umsatzniveau vom nun abgelaufenen zweiten Quartal 2019 erreicht werden, was mit dem Start des Model Y zusammenhänge. Bis dahin sieht Spak eine Pause beim Wachstum von Tesla, entsprechend sei die Aktie aktuell viel zu gut bewertet.

Der Blick auf die fünf im dpa-AFX-Analyser erfassten Studien, die seit den jüngsten Quartalszahlen veröffentlicht wurden, zeigt entsprechend ein ernüchterndes Bild: Alle Analysten raten dazu, die Tesla-Aktie zu verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 182 Dollar und sieht damit für das Papier ein Abwärtspotenzial von über einem Fünftel.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Den Anlegern gefielen die Quartalszahlen ebenso wenig wie den Analysten, die Tesla-Aktie brach vergangene Woche ein und steht nun wieder bei rund 235 Dollar. Seit Jahresbeginn hat das Papier damit fast ein Drittel an Wert verloren. Vom Zwischentief im Juni bei zeitweise unter 180 Dollar hat sich die Aktie aber dennoch wieder deutlich abgesetzt. Ohnehin hat sich Tesla an der Börse langfristig gesehen prächtig entwickelt, zum Börsengang vor ziemlich genau 9 Jahren kostete die Aktie noch 17 Dollar.

Aktuell kommt Tesla auf einen Börsenwert von gut 40 Milliarden Dollar. Damit ist der Elektroautobauer auf Augenhöhe mit Konkurrenten wie Ford und BMW. General Motors kommt dagegen auf etwa 58 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung, Branchenriese Volkswagen bringt beim Börsenwert sogar beinahe das Doppelte von Tesla auf die Waage. Allerdings spielen die Wettbewerber mit deutlich höheren Absatzzahlen eigentlich in einer völlig anderen Liga als Elektro-Pionier Tesla./niw/zb/men