HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental hat in der Corona-Krise wie erwartet einen deutlichen Dämpfer einstecken müssen. Weil die meisten Autofabriken rund um die Welt wochenlang stillstanden und die Autobauer ihre Abrufe bei den Zulieferern stoppten, sackte der Umsatz kräftig ab. Im operativen Geschäft fuhr der Dax-Konzern einen hohen Verlust ein, wie Conti am Montagabend in Hannover mitteilte. De Aussichten für das restliche Jahr kann das Management nach wie vor nur schwer einschätzen. An der Börse sorgten die Zahlen am Dienstag hingegen für etwas Erleichterung, weil Experten teils mit noch Schlimmerem gerechnet hatten.

Conti-Chef Elmar Degenhart hatte bereits rote Zahlen für das zweite Quartal angekündigt und dabei vom wohl schwersten Vierteljahr der Autoindustrie seit Jahrzehnten gesprochen. So schmolz der Umsatz aus Basis vorläufiger Zahlen auf 6,62 Milliarden Euro zusammen. Bereinigt um Zu- und Verkäufe sowie Wechselkurseffekte betrug der Rückgang damit 39,8 Prozent, hieß es vom Konzern.

Vor Zinsen und Steuern sowie um Sondereffekte bereinigt lag die operative Marge bei minus 9,6 Prozent vom Umsatz. Heißt: Je 100 Euro Umsatz machte Conti im laufenden Betrieb rund 9,60 Euro Verlust. Insgesamt dürfte Conti damit rechnerisch einen operativen Verlust im oberen dreistelligen Millionenbereich eingefahren haben. Ein Jahr zuvor hatte Conti noch 868 Millionen Euro verdient.

Die Conti-Aktie legte nach dem Handelsstart am Dienstag stärker als der Dax um 1,7 Prozent auf 89,64 Euro zu. Bei der operativen Marge hatten die Experten zuvor im Schnitt mit einem noch schwächeren Abschneiden gerechnet, auch beim Umsatz waren viele Analysten vorher noch skeptischer. Im Gegenzug flossen allerdings im laufenden Betrieb unerwartet viele finanzielle Mittel ab. Zuletzt hatte sich die Aktie bereits von ihrem Corona-Crash wieder deutlich erholt. Im März war das Papier bis auf nahezu 53 Euro gefallen. Bevor die Pandemie die Aktienmärkte mit voller Wucht erfasst hatte, kostete die Aktie noch um die 110 Euro.

Analyst Sascha Gommel von der US-Investmentbank Jefferies wertete in einer ersten Reaktion als positive Überraschung, dass Conti vergleichsweise gut mit der Kostensenkung vorankam. Zudem habe Conti in der Autozulieferung gemessen am Produktionsvolumen ordentlich abgeschnitten.

Autobauer hatten ihre Fabriken rund um die Welt wochenlang gestoppt, weil auch die Autohäuser im Lockdown schließen mussten und die Händler keine Autos verkaufen konnten. Die Abrufe bei den Zulieferern wurden ebenfalls auf Eis gelegt. Conti rechnete nach früheren Angaben mit einem Minus der weltweiten Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen von rund 40 Prozent im zweiten Quartal. Conti hängt nicht nur mit Autozulieferteilen direkt von der Autoproduktion ab, sondern auch im Reifengeschäft mit der Erstausstattung von neuen Autos.

Bei Conti machte sich der Produktionsstopp vor allem in Europa und Nordamerika in allen Sparten deutlich bemerkbar. Am stärksten waren die Umsatzeinbrüche im Geschäft mit unter anderem Elektronik, Sensorik und Bremssystemen, aber auch in der Antriebssparte. Das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik kam etwas glimpflicher davon, verzeichnete aber ebenfalls einen starken Dämpfer mit minus einem Drittel.

Während die Autozulieferung durchweg Verluste verzeichnete, konnte Conti mit Reifen und Kunststofftechnik immerhin noch einen kleinen operativen Gewinn einfahren. Die Reifensparte ist ohnehin die Ertragsperle des Konzerns und liefert in normalen Zeiten den Großteil des Gewinns.

Die Geschäftsentwicklung insgesamt habe sich im zweiten Quartal zwar gebessert, hieß es vom Unternehmen. Doch auf einen konkreten Finanzausblick für das Jahr 2020 verzichtet das Management wegen der Unsicherheiten nach wie vor. Es bleibe schwierig, das Ausmaß der nachteiligen Auswirkungen der Pandemie auf Produktion, Lieferkette und Nachfrage abzuschätzen.

Im zweiten Quartal flossen im Konzern vor Akquisitionen und den Kosten für die Verselbstständigung der Antriebstechnik knapp 1,8 Milliarden Euro an freien Mitteln ab - deutlich mehr als von Experten gedacht, die mit rund einer Milliarde an Abflüssen gerechnet hatten. Zur Mitte des Jahres lag das Liquiditätspolster inklusive nicht genutzter Kredite bei 10,1 Milliarden Euro, davon waren 2,5 Milliarden Euro frei verfügbare flüssige Mittel. Im Mai und Juni hatte Conti drei Anleihen über mehr als 2,1 Milliarden Euro ausgegeben und bestehende Kreditlinien um 3 Milliarden Euro erhöht.

Conti-Chef Elmar Degenhart hatte auf der Hauptversammlung vergangene Woche in Aussicht gestellt, dass das dritte Quartal zwar besser als das zweite werden dürfte. An den Vorjahreszeitraum wird Conti demnach aber auch im laufenden Dreimonatszeitraum nicht anknüpfen können.

Das Unternehmen befand sich schon vor der Corona-Krise in einem tiefgreifenden Umbruch, das Management will im laufenden Jahrzehnt das Geschäft so stark umbauen, dass bis zu 20 000 Arbeitsplätze davon betroffen sein könnten. So geht etwa in Westeuropa die Produktion von Pumpen und Einspritztechnik für Verbrenner schrittweise zu Ende. Auch Anzeige- und Bedienelemente sind betroffen. Rund um die Welt wollen die Niedersachsen die Produktion straffen und auch Standorte zusammenlegen. Gleichzeitig werden Mitarbeiter weiterqualifiziert und Stellen besonders im Software-Bereich geschaffen.

Beim angepeilten Sparziel hat Degenhart wegen der Corona-Krise draufgesattelt. Ursprünglich sollten die Bruttokosten bis 2023 um 500 Millionen Euro gedrückt werden, nun sollen mehrere Hundert Millionen Euro noch dazukommen.

Conti hatte zuletzt weltweit knapp 240 000 Mitarbeiter. Den Zwischenbericht zum zweiten Quartal mit den detaillierten Zahlen auch zum Gewinn legt der Konzern am 5. August vor./men/eas/mis