BERLIN (dpa-AFX) - Seit knapp zehn Jahren versendet Hellofresh Kochboxen an seine Kunden. Anfangs nur in Deutschland, expandierte der Berliner Konzern in den Folgejahren schnell in Europa und auch nach Übersee. Und das nächste Ziel steht bereits fest. Hierzulande ist der Vorstand unterdessen mit einem anderen Thema beschäftigt. An der Börse tut sich das Unternehmen nach einem monatelangen Höhenflug schwer und das just seit dem Aufstieg in den Dax. Was bei Hellofresh los ist, was die Aktie macht und was Analysten sagen.

DAS IST LOS BEI HELLOFRESH:

Seit der Gründung im November 2011 hat sich das neue Dax-Unternehmen zu einem weltweit bekannten Konzern aufgebaut. Erst vor gut zwei Wochen startete der Konzern in Italien. Von dem Markt mit potenziell 26 Millionen Haushalten verspricht sich das Hellofresh einiges, wenn auch damit Neuland betreten wird. Bislang hatte es der Vorstand um Konzernchef Dominik Richter eher auf Märkte und Länder abgesehen, in denen die Menschen bereits Kochboxen kennen. So begann Hellofresh im Sommer, seine Dienste in Norwegen anzubieten - dort kennen die Menschen das Geschäftsmodell bereits von Mitbewerbern.

In den Startlöchern steht Japan, das der erste asiatische Markt wäre. Ein genaues Datum ist allerdings noch unklar. Das Land dürfte eine besondere Probe werden: Bislang hatte sich der Konzern nur auf westliche Ländern konzentriert und konnte dabei aufgrund der ähnlichen Kulturen nacheinander aufbauen. Doch in Japan gibt es üblicherweise kein Sauerteigbrot zum Frühstück, ebenso wenig wie Caesar-Salad-Wraps zum Mittag oder Flammkuchen abends normalerweise serviert werden.

In Deutschland und dem Nachbarland Österreich treibt ein ganz anderes Thema den Konzern an. Seit dem Frühjahr bietet Hellofresh in wenigen Städten und einer Region die firmeneigene Zustellung an. Seit wenigen Tagen können Kunden in Frankfurt am Main und Hannover nach Konzernangaben flexibler bestellen. Bedeutet: Kunden sollen zusätzliche Lieferzeitfenster und -tage angeboten bekommen.

Damit kapselt sich Hellofresh von der Zustellung durch Dritte wie DHL ab. Zudem betreibt das Unternehmen seit kurzem eine neue Produktionsstätte nahe Magdeburg als Reaktion auf die gestiegene Zahl der Kunden. Für das Gesamtjahr sollen mehr als 200 Millionen Euro in den Kapazitätsausbau investiert werden.

Für das laufende Jahr rechnet der Vorstand nach der Anfang August erneuerten Jahresprognose mit mehr Umsatz, aber geringerer Profitabilität. Die Zielmarge gemessen an dem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt jetzt bei 8,25 bis 10,25 Prozent statt bei 10 bis 12 Prozent.

Beim Umsatz rechnet das Unternehmen mittlerweile mit einem um Währungseffekte bereinigten Anstieg um 45 bis 55 Prozent. Zuvor hatte die Prognose 35 bis 45 Prozent betragen. Zudem zeigte sich Konzernchef Dominik Richter zuletzt zuversichtlich, mittelfristig beim Umsatz die Zehn-Milliarden-Euro-Marke zu knacken.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Ende August stellte die Hellofresh-Aktie mit 97,38 Euro einen Rekord auf. Noch Anfang Juli war der Kurs knapp an 90 Euro gestoppt. Doch seit dem Höchstwert geht es deutlich bergab. Seit Ende August haben die Scheine fast 30 Prozent eingebüßt. Das ist in etwa der Zeitraum, seitdem Hellofresh vom MDax in den Dax aufgestiegen ist. Seit dem Aufstieg in den deutschen Leitindex ist die Aktie der mit Abstand schwächste Standardwert hierzulande.

Kursabschläge nach dem Aufstieg in den Dax gibt es oft. Meistens tun sich die neuen Unternehmen schwer an den Höhenflug der Monate davor, der das Papier ja oft erst in den Leitindex gebracht hat, anzuknüpfen. So schnitten Dax-Aufsteiger in den vergangenen Jahren in den ersten Wochen und Monaten immer wieder schlechter ab als der Index. Aber ein Abschlag in dieser Höhe bei gleichzeitig stabilem Dax ist ungewöhnlich.

Seit Jahresbeginn können sich die Aktionäre trotz der jüngsten Verluste noch über ein Plus von elf Prozent freuen - damit bleiben die Papiere aber deutlich hinter der Entwicklung des Dax und vieler deutscher Standardwerte zurück. Ganz anders sieht es mittelfristig aus. Seit dem holprig verlaufenen Börsengang im November 2017 stieg der Börsenwert des Konzerns um fast 600 Prozent auf zuletzt etwas mehr als zwölf Milliarden Euro.

Dabei war das Papier in den ersten Monat der Börsennotiz gar nicht gefragt. Im Gegenteil: Das Papier stürzte bis Ende 2018 bis auf 5,825 Euro ab. Doch von diesem Tief konnte sich das Papier bis Anfang 2020 peu à peu erholen und kletterte über die Marke von 20 Euro - und dann kam Corona. Die Pandemie und der damit verbundene Boom von Produkten, die zu Hause konsumiert werden, trieben dann den Kurs bis Ende August von einem Rekord zum nächsten.

Seit dem Ausbruch der Pandemie im Februar 2020 zog der Kurs der Hellofresh-Aktie um mehr als 220 Prozent an. Damit zählt das Papier zu den großen Gewinnern der Corona-Pandemie am Aktienmarkt. Im Dax und MDax konnte in diesem Zeitraum nur Zooplus mehr zulegen. Die Kursrally brachte den Aufstieg in den MDax im März 2020 und dann in diesem September den Einzug in den auf 40 Werte erweiterten Dax.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Zwei Drittel der sechs seit Oktober von dpa-AFX erfassten Analysten denken, Anleger sollten bei Hellofresh-Aktien zugreifen. Jeweils ein Experte rät zum Halten und einer zum Verkaufen von Scheinen des Unternehmens. Dabei liegt das durchschnittliche Kursziel bei knapp 90 Euro. Das ist fast 30 Prozent mehr, als derzeit für das Papier bezahlt wird.

Zuletzt rechneten von Hellofresh eigens befragte Analysten für das dritte Quartal durchschnittlich mit einem Umsatz von rund 1,3 Milliarden Euro. Verglichen mit dem Vorjahreswert wäre das ein Plus von gut einem Drittel. Vom Gruppenumsatz soll ein weiteres Mal mehr als die Hälfte aus den USA kommen, dem mit Abstand wichtigstem Markt für das Unternehmen.

Allerdings rechnen die Experten damit, dass der Konzern operativ deutlich weniger Gewinn machen wird. So soll das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) nur bei 87,5 Millionen Euro liegen und damit ungefähr ein Viertel niedriger sein als noch im Vorjahresquartal.

Ungeachtet dessen scheinen die Analysten größtenteils voller Lob für den Konzern. Bei Hellofresh handele es sich um ein Unternehmen, das um jährlich mehr als 50 Prozent wachse, einen positiven Barmittelzufluss (Cashflow) aufweise und über Barmittel in Höhe von einer Milliarde Euro in der Bilanz verfüge. Daher sollte der Vorstand nach weiteren Möglichkeiten für hohe Renditeinvestments suchen, schrieb zuletzt Jefferies-Analyst Sebastian Patulea.

Expertin Sarah Simon von der Privatbank Berenberg schrieb, dass Sorgen von Investoren mit Blick auf das dritte Quartal nicht angebracht seien. Zwar dürfte sich bei dem Kochboxenlieferanten eine gewisse saisonale Normalisierung einstellen, dennoch sollte der Corona-Gewinner einigen unvorhergesehenen covid- und wetterbedingten Ereignissen getrotzt haben und in dem Jahresviertel besser abgeschnitten haben als gedacht.

Analystin Nizla Naizer von der Deutschen Bank fasste zusammen: Die Story ist weiter überzeugend und Hellofresh dürfte weiter sein Wachstum beibehalten. Doch es gibt auch Zweifel am Konzern, etwa von Seiten des US-Analysehauses Bernstein Research: Gegen die Hellofresh-Aktie spreche unter anderem die mangelnde Preisdurchsetzungsmacht in einem inflationären Umfeld, schrieb zuletzt Analyst William Woods. Zudem belaste die Kostenentwicklung in der Logistik./ngu/zb/he