FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach vielen Krisenjahren schlägt sich Deutsche Bank in der Corona-Krise erstaunlich wacker. Weil Dax-Konzern seit Mitte 2019 in einem grundlegenden Umbau steckt, hatte Vorstandschef Christian Sewing das Jahr 2020 ohnehin zu einem Übergangsjahr erklärt. Trotzdem hält er bislang an dem Ziel fest, das Corona-Jahr zumindest vor Steuern mit einem Gewinn abzuschließen. Was bei der Deutschen Bank los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Nach mehreren Verlustjahren, mehreren Chefwechseln und Strafen in Milliardenhöhe hat die Deutsche Bank 2019 einen grundlegenden Umbau ihres Geschäfts eingeleitet. Der 2018 angetretene Vorstandschef Christian Sewing hat vor allem die hauseigene Investmentbank stark zusammengekürzt. Aus dem Aktienhandel hat sich die größte Deutsche Bank komplett zurückgezogen. Zudem soll die Zahl der Vollzeitstellen im Konzern bis Ende 2022 um etwa 18 000 auf weltweit 74 000 sinken. Zum Ende des ersten Halbjahres 2020 lag die Zahl der Vollzeitstellen bei 86 824.

Ausgerechnet in der heißen Phase seines Umbaus muss das Geldhaus auch noch die Einschläge durch die Corona-Krise bewältigen. Dabei kam das Institut bisher noch recht glimpflich davon - auch wenn es wie andere Banken viel Geld für drohende Kreditausfälle zurücklegen musste. In den Monaten April bis Juni erwirtschaftete sie vor Steuern zwar einen Gewinn von 158 Millionen Euro nach einem Verlust von 946 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Auf die Aktionäre entfiel unter dem Strich jedoch ein Minus von 77 Millionen Euro, nachdem der teure Radikalumbau dem Institut ein Jahr zuvor einen Verlust von 3,3 Milliarden Euro eingebrockt hatte.

So konnte die Bank ihre Erträge im zweiten Quartal zwar um ein Prozent auf knapp 6,3 Milliarden Euro steigern. Allerdings legte das Institut für drohende Kreditausfälle 761 Millionen Euro als Risikovorsorge zurück, fast fünfmal so viel wie ein Jahr zuvor. Unterdessen machte das Geldhaus Fortschritte bei seinem Umbau, der die Betriebskosten deutlich senken soll. So gingen die bereinigten Kosten ohne die Belastungen durch den Konzernumbau im zweiten Jahresviertel um acht Prozent auf 4,9 Milliarden Euro zurück.

Unterdessen beschleunigt die Corona-Krise die ohnehin anstehenden Veränderungen im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden. Die Pandemie verstärkte den Trend zum Online-Banking - zumal Banken in Deutschland viele Filialen wegen der Ansteckungsgefahr über Monate hinweg geschlossen hielten. So kündigte die Deutsche Bank kürzlich an, ihr Filialnetz in Deutschland deutlich zu verkleinern. Im Laufe des kommenden Jahres soll die Zahl der Standorte auf 400 sinken. Damit schließt die Deutsche Bank jede fünfte Filiale in ihrem Heimatmarkt.

Ebenfalls auf der Streichliste steht Insidern zufolge die IT-Tochter Postbank Systems. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge gibt es dazu fortgeschrittene Gespräche mit dem indischen Softwareanbieter Tata. Dieser habe Interesse an einer Übernahme des Unternehmens mit 1400 Mitarbeitern, die größtenteils in Bonn sitzen. Postbank Systems erbringt bisher IT-Dienstleistungen für die Deutsche-Bank-Tochter Postbank. Derzeit führt die Deutsche Bank die Computersysteme von Mutterkonzern und Tochter zusammen.

Unterdessen hält Sewing angesichts der diskutierten Übernahmewelle in der Branche eine Fusion oder den Zukauf eines anderen Geldhauses bald für denkbar. Derzeit konzentriere sich das größte deutsche Kreditinstitut aber noch auf den Umbau, sagte er Anfang Oktober dem Sender Bloomberg TV. Dieser solle bis zum Jahreswechsel aber größtenteils abgeschlossen sein.

Mit dem Umbau will Sewing die Bank nach mehreren Verlustjahren wieder zum Erfolg führen. So soll das Institut 2022 eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent erreichen. Auch für das laufende Jahr hat der Manager die Hoffnung auf einen Vorsteuergewinn bisher nicht aufgegeben. Nachdem die Bank im ersten Halbjahr vor Steuern schwarze Zahlen geschrieben habe, lasse er sich nicht von dem Ziel abbringen, dies auch im Gesamtjahr zu erreichen, hatte Sewing Anfang September gesagt.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Branchenexperten stehen der Deutsche-Bank-Aktie nach wie vor eher kritisch gegenüber. Von den elf Analysten im dpa-AFX Analyser, die ihre Einschätzung seit der Vorlage der Halbjahreszahlen aktualisiert haben, empfiehlt kein einziger zum Kauf des Papiers. Fünf Experten raten zum Halten, sechs zum Verkauf. Im Schnitt schreiben sie dem Papier ein Kursziel von rund 6,70 Euro zu. Bis auf UBS-Analyst Daniele Brupbacher haben dabei alle Werte von weniger als 8 Euro auf dem Zettel.

Für das zweite Quartal rechnen die von der Bank selbst bis vergangenen Mittwoch (21. Oktober) befragte Analysten im Schnitt mit einem Gewinn von knapp 180 Millionen Euro vor Steuern. Auch unter dem Strich könnte das Institut demnach knapp in den schwarzen Zahlen landen - allerdings nur vor dem Abzug von Zinszahlungen an die Inhaber bestimmter Nachranganleihen. Allerdings liegen die Schätzungen der Experten teilweise sehr weit auseinander.

Auch für das Gesamtjahr trauen Analysten der Bank vor Steuern wieder schwarze Zahlen zu. Aus 116 Millionen Euro Plus vor Steuern dürfte ihrer Erwartung zufolge unter dem Strich allerdings fast eine Milliarde Euro Verlust werden, wenn Steuern, die Anteile von Minderheitsanteile und die Verzinsung der Nachranganleihen, die vom Aufseher als Eigenkapital angerechnet werden, abgezogen sind.

SO LIEF DIE AKTIE ZULETZT:

Während die Corona-Krise die Aktienkurse mancher Banken in diesem Jahr schwer in Mitleidenschaft gezogen hat, hielten sich die lange gebeutelten Anteilsscheine der Deutschen Bank aus heutiger Sicht ziemlich gut. Zuletzt wurde das Papier zu etwas mehr als acht Euro gehandelt und war damit etwas mehr als 16 Prozent teurer als noch zum Jahreswechsel. Unter den Aktien des Eurozonen-Branchenindex Stoxx 600 Banks hat das Papier damit die stärkste Entwicklung hingelegt.

Zwischendurch vollzog der Kurs allerdings eine Achterbahnfahrt. So legte er von Jahresbeginn bis Mitte Februar zunächst bis auf 10,37 Euro zu. Dann sackte er im Zuge des Corona-Crashs an den Finanzmärkten bis Mitte März auf 4,449 Euro abwärts und erreichte damit ein Rekordtief. Anschließend erholte sich der Kurs zeitweise bis auf rund 9,20 Euro, bevor er Ende September vorübergehend wieder unter die Marke von 7 Euro fiel.

Obwohl sich die Deutsche-Bank-Aktie im Vergleich zu den Anteilsscheinen anderer Institute in diesem Jahr vergleichsweise gut gehalten hat, wird der Dax-Konzern an der Börse deutlich billiger gehandelt als andere Größen der Branche in Europa.

Insgesamt wird die Deutsche Bank derzeit mit knapp 17 Milliarden Euro bewertet und damit deutlich niedriger als etwa die spanische Rivalin Santander. Diese hat in diesem Jahr zwar mehr als die Hälfte ihres Werts eingebüßt, kommt aber immer noch auf rund 29 Milliarden Euro. Und die Schweizer Großbank UBS ist mit umgerechnet rund 40 Milliarden Euro an der Börse sogar mehr als doppelt so viel wert wie die größte deutsche Bank.

An der französischen Großbank Societe Generale sind die Frankfurter in diesem Jahr hingegen deutlich vorbeigezogen. Die Aktie des Pariser Instituts hat in diesem Jahr fast 60 Prozent eingebüßt und kam zuletzt nur noch auf eine Marktkapitalisierung von rund 11 Milliarden Euro./stw/ben/zb